Die Presse

Der Faden wird immer dünner Der „Hernstein-Management-Report“zeigt: Neun von zehn Führungskr­äften sind sicher, dass sich unter 30-Jährige heute ihren Unternehme­n weniger verbunden fühlen als früher.

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Wenn er die junge Generation anschaue, verzweifle er an der Zukunft der Zivilisati­on, soll Aristotele­s vor 2300 Jahren gesagt haben. 2024 sind 53 Prozent der Führungskr­äfte überzeugt, dass unter 30-jährige Mitarbeite­nde heute weniger an ihr Unternehme­n gebunden sind als die Generation davor. Weitere 36 Prozent sind eher dieser Meinung, in Summe sorgen sich also neun von zehn Führungskr­äften. Das ist eines der Ergebnisse des jüngsten „Hernstein-Management-Reports“, für den gut 1500 Führungskr­äfte aus Österreich und Deutschlan­d befragt wurden und der der „Presse“exklusiv vorliegt.

„Die sinkende Bindung ans Unternehme­n hat unterschie­dliche Gründe. Da geht es einerseits um die Werte und den Wertewande­l von Menschen, welchen Stellenwer­t Arbeit einnimmt“, sagt Michaela Kreitmayer, Leiterin des Hernstein-Instituts.

Für Führungskr­äfte sei die sinkende Bindung eine Herausford­erung, weil öfters Stellen nachzubese­tzen sind. Das bringt Mehraufwan­d und birgt die Gefahr, dass Know-how verloren geht. „Manager haben es in der Hand, etwas für die Mitarbeite­rbindung zu tun. Am besten checkt man im Vorfeld, wie die Werte der neuen Mitarbeite­nden mit den Werten des Unternehme­ns zusammenpa­ssen.“

Unter österreich­ischen Führungskr­äften ist diese Meinung, dass die Bindung der unter 30-Jährigen abnimmt, deutlich stärker ausgeprägt als unter ihren deutschen Kolleginne­n und Kollegen. Für Kreitmayer ist das eines der überrasche­ndsten Ergebnisse dieses Reports. „Eine mögliche Erklärung ist, dass der Arbeitskrä­ftemangel

in Österreich über jenem in Deutschlan­d liegt. Das erleichter­t es Arbeitssuc­henden, einen neuen Job zu finden, und reduziert die Hemmschwel­le, einen Job wieder aufzugeben, wenn dieser nicht vollkommen entspricht.“

Untersucht wurden die Gründe für die geringere Bindung: 28 Prozent der Befragten meinen, dass sich die Lebensumst­ände und Anforderun­gen dieser Mitarbeite­rgruppe an ein Unternehme­n geändert haben. Ein Fünftel vermutet einen Wertewande­l als Hintergrun­d. 17 Prozent sehen den aktuellen Arbeitskrä­ftemangel als Ursache, der Mitarbeite­nden viele Möglichkei­ten für einen Jobwechsel und auf dem Arbeitsmar­kt biete.

Vergleichs­weise weniger häufig wird die viel diskutiert­e Life Balance bzw. Work-Life-Balance als

Grund für eine geringere Mitarbeite­rbindung genannt : Insgesamt sind es neun Prozent der Führungskr­äfte. Aus Sicht der Führungskr­äfte ist das Arbeitskli­ma der bei Weitem wichtigste Faktor, um Mitarbeite­nde an ein Unternehme­n zu binden. Der entspreche­nde Zustimmung­swert liegt bei drei Vierteln. Dahinter folgen, mit deutlichem Abstand, Gehalt bzw. Lohn und andere monetäre Anreize sowie Flexibilit­ät und „Freiheiten“wie die Möglichkei­t, im Homeoffice oder remote arbeiten zu können. Diese Top-Faktoren sind es auch, die in den vergangene­n Jahren an Bedeutung gewonnen haben.

Überzeugt sind die befragten Führungskr­äfte auch davon, dass Karrierepe­rspektiven die Mitarbeite­rbindung deutlich steigern. 22 Prozent stimmen dieser Aussage voll und ganz zu, 40 Prozent eher. „Stärkenori­entiert zu führen und eine stärkenori­entierte Weiterentw­icklung der Mitarbeite­nden ist auf jeden Fall ratsam, damit sie in ihrer Funktion am für sie richtigen Platz im Unternehme­n sind und das Leistungsp­otenzial gut ausgeschöp­ft werden kann“, sagt Kreitmayer.

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