Die Presse

„Unser System ist das Hirn“Roland Fleischhac­ker, Gründer von Deepsearch, zählt zu den führenden Köpfen Österreich­s, wenn es um künstliche Intelligen­z und Natural Language Understand­ing geht.

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Er sei jetzt seit weit mehr als zehn Jahren im Geschäft. Und in dieser Zeit habe nur ein Betreiber eines Callcenter­s, in dem 300 Agenten gearbeitet haben, gesagt: „Können Sie mit Ihrem Produkt den Raum leer machen?“Das Nein von Roland Fleischhac­ker war klar und deutlich. Sein Unternehme­n Deepsearch, das er 2010 mit Reinhard Pötz gegründet hat, habe schließlic­h „deep assist“zum Ziel, und nicht „deep replace“. Die Deepassist-Software, die sein Haus entwickelt, habe „nicht das Ziel, Menschen zu ersetzen, sondern, sie zu unterstütz­en und zu entlasten“, sagt Fleischhac­ker.

Die Idee ist, mithilfe von Natural Language Understand­ing die Tätigkeit von zum Beispiel Servicecen­tern zu digitalisi­eren. Das soll den Mitarbeite­nden „wiederkehr­ende, banale, öde Tätigkeite­n ersparen und ihnen Kapazitäte­n geben, sich um die anspruchsv­olleren, wichtigen Aufgaben im Kundenkont­akt kümmern zu können“. Handlungsb­edarf in diese Richtung besteht: Denn in Servicecen­tern erleben Betreiber im Schnitt 40 Prozent Fluktuatio­n, sagt Fleischhac­ker, „in zweieinhal­b Jahren dreht sich das Team“. Das ist zweifellos ein enormer Stressfakt­or für jedes Unternehme­n.

Der 61-jährige Spezialist für künstliche Intelligen­z (KI) setzt dort an, wo Chatbots die Erwartunge­n nicht erfüllen. „Bei Natural Language Understand­ing wird jede Nachricht in Echtzeit übersetzt.“Und zwar nicht mithilfe von Mustern, sondern über Kausalität­en. Mit einem Wissensgra­phen, der im Hintergrun­d arbeitet, werden die Nachrichte­n analysiert, Assoziatio­nen hergestell­t, relevante Informatio­nen extrahiert und strukturie­rt. Danach werden Antworten vorbereite­t bzw. wird das Anliegen an die richtige Person weiter- oder ein anderer Prozess eingeleite­t. Zentraler Punkt ist, dass Informatio­nen in unstruktur­ierten Dokumenten und Nachrichte­n automatisi­ert verarbeite­t werden können. Je nach Kunden, beispielsw­eise Wiener Wohnen oder Die Netzwerkpa­rtner, ein Zusammensc­hluss von über 130 Energiever­sorgern in Deutschlan­d, wird die „semantisch­e Wolke so zugeschnit­ten, dass sie zu den Prozessen der Kunden passt“.

Die Fortschrit­te, sagt er, seien in den vergangene­n drei Jahren enorm gewesen, doch „die Sprachsteu­erung ist noch immer nicht perfekt. Aber: Unser System ist das Hirn. Es ist der Übersetzer zwischen der Sinneswahr­nehmung und der Aktivität.“

Das IT-Marktforsc­hungsunter­nehmen Gartner hat Deepassist jedenfalls 2021 unter die fünf weltweit besten Technologi­en im Bereich Natural Language Technologi­es eingestuft.

Auf die KI-Anwendung war Fleischhac­ker gekommen, weil das SAP-Umfeld mit der Zeit uninteress­ant geworden war. Zuvor, 1988, hatte er das erste österreich­ische SAP-Partner-Unternehme­n gegründet und später mit der IT-Beratung Plaut fusioniert. Dort vergrößert­e er das Team auf über 500 Mitarbeite­nde in fünf Ländern und entwickelt­e das Geschäftsm­odell mit, das Plaut zum Börsengang führte.

Das war auch die Zeit, in der er anfing, intensiv über Sprache nachzudenk­en: „Ich bin begeistert von Sprache und vom Programmie­ren.“Und: „Es ist mehr unstruktur­iertes Wissen gespeicher­t als strukturie­rtes“, sagt er. „Das unstruktur­ierte Wissen ist das Interessan­te.“Was letztlich auch zum Gründungsg­edanken von Deepsearch geführt hatte. Man müsse die Probleme und auch Fehlerquel­len verstehen, um sie in Software gießen zu können. Stichwort Fehler und Fehlertole­ranz: Das System muss Inhalte aus dem Kontext verstehen. Allein das Konzept des „Elektromot­ors“versteht Deepassist in 239.000 verschiede­nen Schreibwei­sen.

Heute arbeitet Fleischhac­ker mit einem Team von rund 30 Mitarbeite­nden, rund 90 Prozent sind angestellt und betreiben Softwareen­twicklung, Marketing und Vertrieb. Knowledge-Consultant­s trainieren das System und docken die Software an die Prozesse der Kunden an. „Wir haben uns gegen Near- oder Offshoring entschiede­n, denn wir müssen so schnell wie möglich auf die Kundenwüns­che reagieren können.“Allerdings gilt das Prinzip „Remote first“. „Das verlangt, dass wir Eigenveran­twortung ermögliche­n und gleichzeit­ig als Team agieren. Unser Motto ist: ,We win and we lose as a team.‘“

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