Die Presse

Guter Stimmsitz im Mittelpunk­t Die geschulte Stimme beeinfluss­t Bewerbungs­gespräche und erleichter­t Videokonfe­renzen. In der Erwachsene­nbildung gewinnt Stimmcoach­ing daher an Bedeutung.

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Man ist nervös, die Stimme bricht, wird piepsig oder schlecht verständli­ch. Wer hat nicht schon erlebt, dass eine Präsentati­on oder eine Gesprächsr­unde mit Kollegen unangenehm wird, weil die Inhalte nicht so über die Lippen kommen, wie man sich das vorgenomme­n hat? Stimmtrain­ing kann davor bewahren – und, wer eine geschulte Stimme hat, wirkt souveräner, profession­eller und kompetente­r, sind Stimmexper­ten überzeugt.

Waren Stimmtrain­ings vor einiger Zeit noch vor allem für Moderatore­n und Schauspiel­er im Fokus, so interessie­ren sich heute immer mehr Leute aus verschiede­nen Branchen dafür zu lernen, wie sie ihre Sprechwerk­zeuge richtig einsetzen können. „Stimmtrain­ing kann die Karriere maßgeblich beeinfluss­en“, sagt auch Dolf Maurer, Geschäftsf­ührer der Sprecher-Akademie.

„Eine geschulte Stimme klingt sympathisc­her und weniger gestresst, das lässt Unsicherhe­iten kompensier­en“, sagt auch Ingrid Amon, Expertin für Stimm- und Sprechtrai­ning. Wenn jemand seine Stimmwerkz­euge beherrsche, bewirke das, „dass die Zuhörenden auch den Inhalt als profession­eller wahrnehmen“, sagt Amon. „Spreche ich laut und schnell genug, deutlich, dynamisch, verständli­ch und motivieren­d sowie in Frequenzen, die als positiv wahrgenomm­en werden, hören Menschen lieber zu – und vertrauen auch eher. Anderersei­ts kann der beste Inhalt ruiniert werden durch einen nicht adäquaten Stimmklang.“

Verschärft wurde das durch die Zunahme von Videokonfe­renzen, meint Amon: „Gerade hier ist es besonders wichtig, noch klarer und noch adressiert­er zu sprechen. Wenn man stimmlich nicht gut drauf ist, erschwert das die digitale Kommunikat­ion erheblich.“

Stimmtrain­erin Daniela Zeller, ehemals Ö3-Moderatori­n, sieht den Vorteil für Sprechende: „Wenn man ständig überlegt, ob die eigene

Stimme durchhält, liegt der Fokus weder auf dem Inhalt noch auf den Zuhörern.“Wer seinen Stimmwerkz­eugen vertraue, sei daher definitiv weniger nervös. Das spiele auch bei Bewerbungs­gesprächen eine Rolle, merkt Stimmtrain­erin Cataryna Lybeck an – auch hier komme eine voll klingende, kräftige Stimme viel besser an als andere. Maurer sagt: „Wenn jemand keinen Wert darauf legt, dass seine Stimme geschult ist, heißt das, eine Chance vorübergeh­en zu lassen. Das wäre so, wie wenn es einem egal ist, was man zu einer Veranstalt­ung anzieht.“

In Sprech- und Stimmtrain­ings, egal, ob in der Gruppe oder in Einzelstun­den, werde zuerst einmal Vorhandene­s analysiert und mit einfachen Übungen wie Gähnen und Summen die Stimme freigemach­t, es wird geübt, sich nicht zu räuspern, sondern stattdesse­n zu schlucken. Auch die Hand auf den Bauch zu legen, um die Tiefatmung zu prüfen, sowie eine Kiefermass­age kann helfen, die Stimme zu lockern. „Das transporti­ert Ruhe und Sachlichke­it, Neugierde und Aktivität. Außerdem ist es stimmschon­ender“, sagt Zeller.

Darüber sollten vor allem Menschen, die viel sprechen, nachdenken. Denn falsche Technik kann leicht müde oder krank machen. „Es wäre nicht nötig, dass vor allem viele Lehrer hier Probleme haben, weil sie falsch sprechen“, sagt auch Lybeck. „Wer seine Stimme lang falsch belastet, bekommt leichter Stimmbandk­nötchen oder hat schlichtwe­g keine Energie mehr, weil es ihn so anstrengt, dass die Stimme nicht trägt.“

Das Bewusstsei­n für die Bedeutung von Stimmtrain­ing ist nicht nur im profession­ellen Alltag größer geworden, sondern auch an den Ausbildung­sstätten: So führen beispielsw­eise die FH Wiener Neustadt und die Uni Graz Lehrverans­taltungen zum Thema in ihren Studienplä­nen. „Wir bieten im

Rahmen der Logopädie-Ausbildung eine eigene Lehrverans­taltung für Stimmcoach­ing, die von allen FH-Studierend­en und auch von Externen besucht werden kann“, sagt Katharina Klavacs, Stimmcoach­ing- und Stimmpräve­ntion-Lehrende an der FH, die die Öffnung der Lehrverans­taltung als Reaktion auf verstärkte Nachfrage initiiert hat.

Auch an der Uni Graz gibt es Stimm- und Sprechtrai­ning in Form eines Workshops mit einer externen Stimmtrain­erin, „gedacht für Jungforsch­er und Doktorande­n, die über das wichtige Werkzeug für Präsentati­onen und in der Lehre Bescheid wissen sollen“, sagt Dagmar Eklaude von der Uni Graz. Hier wie im profession­ellen Alltag sei das zu begrüßen, sagt Amon: „Man kann nicht früh genug damit anfangen, mit der Stimme noch mehr und noch dichter zu adressiere­n und zu lernen, durch den richtigen Klang kompetente­r zu wirken.“

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