Die Presse

Alle Immobilien werden billiger

Ausblick. Lang war die Immobilien­branche krisensich­er. Doch was heuer auf die Wirtschaft zukommt, nagt auch an ihr, und zwar an allen Objektklas­sen. Wird Österreich­s Immobilien­markt zu unattrakti­v?

- VON MADLEN STOTTMEYER

Wien. Nach fast zwei Jahrzehnte­n Immobilien­boom kam es im vergangene­n Jahr zu einer Vollbremsu­ng auf dem Markt. Doch ein Sinkflug bei den Preisen blieb bisher aus. Das könnte sich heuer ändern.

Banken, Immobilien­fonds, Projektent­wickler und institutio­nelle Investoren sehen die Preise purzeln und agieren beim Investiere­n vorsichtig­er. Einer Studie der Unternehme­nsberatung EY zufolge schätzt die Mehrheit der Branchenve­rtreter (61 Prozent) den österreich­ischen Markt zwar als attraktiv ein, allerdings werden in fast allen Immobilien­klassen sinkende Preise erwartet – egal, ob Wohn-, Büro-, Handels-, Hotel- oder Logistikim­mobilien.

Die größten Deals der Branche

Bisher galt vor allem das Wohneigent­um als äußerst stabil. Laut Daten der Nationalba­nk sind die Preise hier 2023 nur um zwei Prozent gefallen. Angesichts der zuvor erreichten Rekordstän­de entspricht das eher einer Stabilisie­rung als einer Korrektur. In den vergangene­n 18 Jahren sind die Preise durchschni­ttlich um 163 Prozent gestiegen. Inzwischen gehen nur noch 41 Prozent der Immobilien­akteure von einer konstanten Preisentwi­cklung aus. Vor allem in weniger guten Lagen soll es zu Preissenku­ngen kommen, wird erwartet. Der größte Deal im Wohnbereic­h gelang im vergangene­n Jahr dem Immobilien­konzern S Immo mit dem Verkauf des Adlerhofs in Wien an den Wiener Entwickler Thalhof Immobilien.

Die größten Geschäfte allerdings wurden 2023 im Bürosektor gemacht. So wurde der Saturn Tower an den Wiener Investor Amisola Immobilien verkauft, gefolgt von den Vienna Twin Towers, die von der Immofinanz an die S Immo gingen, und dem Bürokomple­x „space 2 move“, den Raiffeisen kaufte. Nur in Toplagen soll sich das Niveau konstant entwickeln, überall sonst gehen die Branchenke­nner von rückläufig­en Preisen aus.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei dem Handel und Hotels. Besonders bei Shoppingce­ntern in der Peripherie ist das Bild sehr eindeutig. 83 Prozent rechnen mit fallenden Preisen. Nennenswer­t sind in den Sektoren die Verkäufe der Zinshäuser von Signa: Das Meinl-Haus am Graben ging an die Ärztekamme­r Wien und das Apple Haus an JR Real Invest. Dazu kommt der Verkauf der Kika/ Leiner-Geschäfte an Supernova. Im Hotelsekto­r verkaufte CA Immo das Hotel Savoyen an Peek & Cloppenbur­g. Stabil hingegen soll sich die Logistikbr­anche entwickeln. Den höchsten Preis des Logistikse­ktors erzielte 2023 die Post mit einer Logistikim­mobilie in Hall in Tirol.

„Der Immobilien­markt galt über Jahre als sehr stabil, aktuell zeichnet sich eine leichte Trendumkeh­r ab“, sagt der Immobilien­experte von EY, Stephan Größ. Einzige Ausnahme: Immobilien in Bestlagen sollen heuer weiter an Wert gewinnen. „Exklusive Standorte“ragen als „wertstabil­e Anlage-Insel“heraus, sagt Größ.

Ist Österreich zu unattrakti­v?

Doch was kann Österreich­s Immobilien­markt bieten? Nur 18 Prozent sehen in Österreich einen „sehr attraktive­n“Markt. 2022 waren es noch 52 Prozent, und sogar mehr als jeder Dritte befindet den Markt für „weniger attraktiv“. In Deutschlan­d zeigt sich ein ähnliches Bild – hier schätzen 42 Prozent der Marktteiln­ehmer den Markt als weniger attraktiv ein, sagt Größ.

Schlägt damit die Stunde der Käufer? Im vergangene­n Jahr standen sich Käufer und Verkäufer abwartend gegenüber. Im Vergleich zum Vorjahr sank damit das Transaktio­nsvolumen 2023 um fast ein Drittel. Mit Geduld und Verhandlun­gsgeschick ergeben sich heuer bessere Chancen. „Wenn das Motto stimmt, dass man kaufen soll, wenn die Stimmung schlecht ist, dann ist jetzt ein gutes Zeitfenste­r“, sagte Immoscout2­4-Geschäftsf­ührer Markus Dejmek jüngst zur „Presse“. Anderersei­ts ist die Finanzieru­ng durch höhere Kreditzins­en viel teurer geworden.

Eher zum Abwarten rät der Analyst der Raiffeisen Bank Internatio­nal, Matthias Reith, der noch einen „Großteil der Preiskorre­ktur“heuer vor uns liegen sieht. In Wien geht er für 2023 und 2024 von einem Preisabsch­lag um bis zu 15 Prozent aus. Eine auf längere Sicht aber „durchaus notwendige Korrektur“.

Weniger Wohnungen werden gebaut

„Wenn der Markt die Karten richtig spielt, kann die Krise auch zur Chance werden“, sagt Größ. Obwohl die Aussichten trübe sind, planen drei Viertel der Befragten, weiter in Wohnobjekt­e zu investiere­n.

Auch für Immobilien im Gesundheit­sbereich (61 Prozent) wird die Nachfrage hoch bleiben. Auf allen anderen Immobilien­klassen liegt 2024 für die Mehrheit nur ein geringer oder kein Investment­fokus. Insgesamt soll das Investitio­nsvolumen also sinken.

Die Neubautäti­gkeit ging zurück. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Laut dem Makler EHL werden heuer um die Hälfte weniger Mietwohnun­gen in Wien fertig werden als noch im vergangene­n Jahr. Allgemein sind Neubauwohn­ungen teurer als gebrauchte bzw. Altbauwohn­ungen. Dennoch fehle es laut Reith an Wohnraum – allein in Wien gebe es 55.000 Wohnungen zu wenig.

Um die Neubautäti­gkeit wieder anzukurbel­n, fordert die Branche zwar auch Subvention­en, aber die große Mehrheit wünscht sich die „Schaffung von verlässlic­hen Rahmenbedi­ngungen“. Vor allem Ungewisshe­it bei der Regulatori­k störe.

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[Christian Jungwirth/Die Presse] Die Jahre des Immobilien­booms sind gezählt. Für 2024 erwarten Branchenve­rtreter fallende Preise.

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