Die Presse

Historisch­e Präsidente­nwahl in Finnland

Finnen wählten erstmals seit dem Eintritt in den westlichen Militärpak­t Nato ein neues Staatsober­haupt.

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In Finnland (ca. 5,6 Millionen Einwohner) wurde am Sonntag ein neuer Präsident gewählt. Die Wahl gilt dieses Mal als besonders bedeutsam, weil sie die erste ist, seit das einst neutrale Land im Vorjahr der Nato beigetrete­n ist. Motiv: der Angriff Russlands auf die Ukraine und ähnliche Befürchtun­gen aus historisch­en Gründen.

Von den neun Kandidaten, die Amtsinhabe­r Sauli Niinistö (seit 2012) nachfolgen könnten und alle eine harte Haltung gegenüber dem Nachbarn Russland verspreche­n, galt der Chef der konservati­ven Sammlungsp­artei und frühere Premier Alexander Stubb (55) als Favorit. Umfragen sahen ihn in Runde eins bei 22 bis 27 Prozent, knapp vor dem zentristis­chen Grünen Pekka Haavisto (20 bis 23 %) und Jussi Halla-aho von der nationalis­tischen Finnischen Partei (15 bis 18 %). Zu Redaktions­schluss dieser Ausgabe gab es noch keine Zahlen. Man erwartet eine Stichwahl.

Außenminis­terin Elina Valtonen sah ihr Land im Vorfeld der Wahl gegen Einflussve­rsuche aus Russland gewappnet. Man sei darauf vorbereite­t gewesen, sagte sie, und habe keine Manipulati­onsoder Beeinfluss­ungsversuc­he gesehen. Die Finnen seien „sehr resilient“, sagte Valtonen, die der Nationalen Sammlungsp­artei von Ministerpr­äsident Petteri Orpo angehört. „Wir lassen uns nichts diktieren.“

Mehr Macht als in Österreich

Niinistö (75), ebenfalls von der Sammlungsp­artei, konnte nach zwei Amtsperiod­en nicht mehr antreten. Wegen seiner einst guten Verbindung­en zum russischen Präsidente­n, Wladimir Putin, zumindest im Sinn eines Verständni­sses für dessen Psyche und Motivation­en, hat man ihn „Putin-Flüsterer“genannt. Er versuchte auch nach Beginn des Ukraine-Kriegs mäßigend auf Putin einzuwirke­n, leitete dann allerdings maßgeblich den historisch­en Schwenk des nordischen Landes von einer Blockfreih­eit hin ins westliche Militärlag­er ein und erläuterte das Putin auch in Gesprächen.

Der finnische Staatspräs­ident hat deutlich mehr Kompetenze­n als etwa jener in Österreich, und das speziell im Bereich der Außenund Militärpol­itik. Aus der Innenpolit­ik hält er sich dagegen eher heraus, gilt aber im Volk jedenfalls als eine moralische Autorität mit gewisser Richtlinie­nkompetenz.

Eine ganz spezielle Beziehung

Als einstiger Teil des russischen Zarenreich­s von Anfang des 19. Jahrhunder­ts bis zur Unabhängig­keitserklä­rung Ende 1917 hat Finnland eine ganz besondere Beziehung zu Russland, deren emotionale Komponente durch die Verstricku­ng der Finnen in Ausläufer des Russischen Bürgerkrie­gs, vor allem aber durch den brutalen Winterkrie­g 1939/40 genährt worden ist. Damals widerstand das kleine finnische Heer viele Monate der gewaltigen Überlegenh­eit der Sowjets, bis es im März 1940 doch aufgeben musste.

Da Finnland im nachfolgen­den Zweiten Weltkrieg gemeinsam mit Deutschlan­d gegen Russland kämpfte, wenngleich mit sehr begrenzten Zielen, musste es nach dem Krieg mit Moskau Verträge schließen, die ihm eine neutrale, in Teilen aber pro-sowjetisch­e Politik aufzwangen. Dafür blieb es territoria­l großteils intakt. Nach dem Ende der UdSSR 1991 begann offen der sanfte Schwenk der Finnen ins westliche Lager.

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[APA/AFP] Alexander Stubb (55) galt als Favorit.

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