Multimilliardäre streuen ihr Vermögen nicht
Mit einem Investment in den Gesamtindex schneidet man meist besser ab als mit einer einzigen Aktie. Richtig reich wird man aber eher mit einem einzigen Unternehmen – oder einer Aktie, wenn es die richtige ist.
In Auflistungen von typischen Anlegerfehlern ist häufig vom Survivorship Bias (Überlebensvorurteil) die Rede. Dabei handelt es sich um eine kognitive Verzerrung: Da erfolgreiche Unternehmer und erfolgreiche Anleger häufiger im Blickfeld sind als erfolglose, denkt man erstens, dass man als Unternehmer oder Aktionär leicht reich werden kann – und dass es nur äußerst unglücklichen Umständen geschuldet sein kann, wenn man das selbst noch nicht geschafft hat. Außerdem neigt man dazu, Erfolgsfaktoren falsch einzuschätzen.
Wirft man etwa einen Blick auf die Vermögensstruktur der reichsten Menschen der Welt, fällt einem auf: Sie alle haben fast nicht diversifiziert. Ihr Vermögen besteht zu einem Großteil aus dem eigenen Unternehmen, andere Depotbeimischungen laufen unter ferner liefen. Elon Musk (Vermögen: 198 Milliarden Dollar) hält vor allem Tesla-Aktien und Anteile an seiner Weltraumfirma SpaceX. Andere Beteiligungen wie die an der Plattform X sind relativ klein und fallen eher unter Hobby. Jeff Bezos (183 Milliarden Dollar) sitzt größtenteils auf Amazon-Aktien, seine Weltraumfirma Blue Origin oder die Zeitung „Washington Post“sind verglichen damit Spielereien.
Den Löwenanteil des Vermögens von LVMHChef Bernard Arnault (165 Milliarden Dollar) machen seine Beteiligungen an Christian Dior und LVMH aus. Mark Zuckerberg (142 Milliarden Dollar) hat fast nur Meta-Aktien, die Google-Gründer Larry Page (136 Milliarden) und Sergey Brin (129 Milliarden) AlphabetPapiere, Larry Ellison (129 Milliarden Dollar) sitzt auf Oracle-Aktien, leistet sich allerdings auch eine kleine Tesla-Position. Warren Buffett wiederum (127 Milliarden Dollar) hat fast ausschließlich Anteile an seiner Holding Berkshire Hathaway, aber damit hat er sein Vermögen zumindest insofern breit diversifiziert, als ja Berkshire selbst Anteile an sehr vielen börsenotierten und nicht börsenotierten Firmen hält.
Eine Ausnahme gibt es: Microsoft-Gründer Bill Gates. Dessen Vermögen (144 Milliarden Dollar) besteht zur Hälfte aus der Investmentholding Cascade, die etwa an der Hotelkette Four Seasons, Berkshire Hathaway oder dem Fleischersatz-Hersteller Beyond Meat beteiligt ist, aber auch Microsoft-Aktien hält. Direkt verfügt Bill Gates noch über MicrosoftAktien im Wert von 26 Milliarden Dollar, das ist nicht einmal ein Prozent des Unternehmens. Sonst hält Gates Anteile am Reinigungsunternehmen Republic Services, dem Landmaschinenhersteller John Deere, dem Hygiene-Unternehmen Ecolab oder dem Duftstoffhersteller Givaudan. Gates bringt es im Reichsten-Ranking immerhin auf Platz vier. Aber im Nachhinein lässt sich sagen: Er hätte einfach nur Microsoft-Aktien behalten sollen, dann wäre er jetzt deutlich reicher. Keine andere Aktie hat sich in den vergangenen Dekaden so gut entwickelt.
Und so kommt es, dass sich unter die zehn reichsten Menschen, fast nur findige Unternehmensgründer, auch ein Manager gemischt hat : Steve Ballmer (Vermögen: 140 Mrd. Dollar), Microsoft-Chef von 2000 bis 2014 und in dieser Funktion Nachfolger von Bill Gates. Er hatte 1981, als Microsoft in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde und noch längst nicht an der Börse war, acht Prozent der Firmenanteile erhalten, mehr als die Hälfte davon hat er jetzt noch. Sein Vermögen besteht fast ausschließlich aus Microsoft-Aktien. Den BasketballKlub Los Angeles Clippers hat er sich irgendwann auch geleistet.
Womit wir nun beim Survivorship Bias wären: Bringt man es mit Nichtdiversifizieren zu großem Reichtum? Ja, bisweilen schon. Oft aber nicht: Die Unternehmer, die pleitegegangen und jetzt hoch verschuldet sind, scheinen kaum in Milliardärs-Rankings auf. Die Anleger, die auf eine einzige Aktie gesetzt und alles verloren haben, erst recht nicht. Und so kann leicht der Eindruck entstehen, dass es eine gute Idee wäre, alles auf ein Pferd zu setzen.
Im Vorjahr wäre dieses eine Pferd der Prozessoren-Designer Nvidia gewesen, der sich mehr als verdreifacht hat. Der S&P 500 Index ist demgegenüber nur um 24 Prozent gestiegen. Doch von den mehr als 500 Indexwerten haben es nicht einmal 30 Prozent geschafft, stärker zu steigen als der Gesamtindex. Sprich: In der Mehrheit der Fälle war es keine gute Idee, auf ein einziges Pferd zu setzen.
2022 war es anders: Da haben Technologiewerte angesichts der Zinswende stark korrigiert und den Index um 19 Prozent nach unten gezogen. Doch 300 Werte waren besser, man hatte also eine Chance von 60 Prozent, mit einem Einzelinvestment den Index zu schlagen. 2022 war aber eine Ausnahme.
Längerfristig zeigt sich ein eindeutigeres Bild: In den vergangenen fünf Jahren schaffte man es mit nur 40 Prozent der Aktien, in den vergangenen zehn Jahren mit 34 Prozent, besser abzuschneiden als der Gesamtindex. Andererseits: Während sich der Index in den vergangenen zehn Jahren knapp verdreifacht hat, hat sich Nvidia ver-157facht. Während sich der Index in zwanzig Jahren mehr als vervierfacht hat, hat sich der Getränkehersteller Monster Beverage ver-570facht. Und während sich der Index seit 1986, dem Jahr des Microsoft-Börsegangs, ver-24facht hat, hat sich Microsoft ver-4600-facht. Richtig reich wird man mit breiter Streuung also nicht. Dafür fährt man sicherer.