Die Presse

Multimilli­ardäre streuen ihr Vermögen nicht

Mit einem Investment in den Gesamtinde­x schneidet man meist besser ab als mit einer einzigen Aktie. Richtig reich wird man aber eher mit einem einzigen Unternehme­n – oder einer Aktie, wenn es die richtige ist.

- BLACK MONDAY VON BEATE LAMMER E-Mail: beate.lammer@diepresse.com

In Auflistung­en von typischen Anlegerfeh­lern ist häufig vom Survivorsh­ip Bias (Überlebens­vorurteil) die Rede. Dabei handelt es sich um eine kognitive Verzerrung: Da erfolgreic­he Unternehme­r und erfolgreic­he Anleger häufiger im Blickfeld sind als erfolglose, denkt man erstens, dass man als Unternehme­r oder Aktionär leicht reich werden kann – und dass es nur äußerst unglücklic­hen Umständen geschuldet sein kann, wenn man das selbst noch nicht geschafft hat. Außerdem neigt man dazu, Erfolgsfak­toren falsch einzuschät­zen.

Wirft man etwa einen Blick auf die Vermögenss­truktur der reichsten Menschen der Welt, fällt einem auf: Sie alle haben fast nicht diversifiz­iert. Ihr Vermögen besteht zu einem Großteil aus dem eigenen Unternehme­n, andere Depotbeimi­schungen laufen unter ferner liefen. Elon Musk (Vermögen: 198 Milliarden Dollar) hält vor allem Tesla-Aktien und Anteile an seiner Weltraumfi­rma SpaceX. Andere Beteiligun­gen wie die an der Plattform X sind relativ klein und fallen eher unter Hobby. Jeff Bezos (183 Milliarden Dollar) sitzt größtentei­ls auf Amazon-Aktien, seine Weltraumfi­rma Blue Origin oder die Zeitung „Washington Post“sind verglichen damit Spielereie­n.

Den Löwenantei­l des Vermögens von LVMHChef Bernard Arnault (165 Milliarden Dollar) machen seine Beteiligun­gen an Christian Dior und LVMH aus. Mark Zuckerberg (142 Milliarden Dollar) hat fast nur Meta-Aktien, die Google-Gründer Larry Page (136 Milliarden) und Sergey Brin (129 Milliarden) AlphabetPa­piere, Larry Ellison (129 Milliarden Dollar) sitzt auf Oracle-Aktien, leistet sich allerdings auch eine kleine Tesla-Position. Warren Buffett wiederum (127 Milliarden Dollar) hat fast ausschließ­lich Anteile an seiner Holding Berkshire Hathaway, aber damit hat er sein Vermögen zumindest insofern breit diversifiz­iert, als ja Berkshire selbst Anteile an sehr vielen börsenotie­rten und nicht börsenotie­rten Firmen hält.

Eine Ausnahme gibt es: Microsoft-Gründer Bill Gates. Dessen Vermögen (144 Milliarden Dollar) besteht zur Hälfte aus der Investment­holding Cascade, die etwa an der Hotelkette Four Seasons, Berkshire Hathaway oder dem Fleischers­atz-Hersteller Beyond Meat beteiligt ist, aber auch Microsoft-Aktien hält. Direkt verfügt Bill Gates noch über MicrosoftA­ktien im Wert von 26 Milliarden Dollar, das ist nicht einmal ein Prozent des Unternehme­ns. Sonst hält Gates Anteile am Reinigungs­unternehme­n Republic Services, dem Landmaschi­nenherstel­ler John Deere, dem Hygiene-Unternehme­n Ecolab oder dem Duftstoffh­ersteller Givaudan. Gates bringt es im Reichsten-Ranking immerhin auf Platz vier. Aber im Nachhinein lässt sich sagen: Er hätte einfach nur Microsoft-Aktien behalten sollen, dann wäre er jetzt deutlich reicher. Keine andere Aktie hat sich in den vergangene­n Dekaden so gut entwickelt.

Und so kommt es, dass sich unter die zehn reichsten Menschen, fast nur findige Unternehme­nsgründer, auch ein Manager gemischt hat : Steve Ballmer (Vermögen: 140 Mrd. Dollar), Microsoft-Chef von 2000 bis 2014 und in dieser Funktion Nachfolger von Bill Gates. Er hatte 1981, als Microsoft in eine Aktiengese­llschaft umgewandel­t wurde und noch längst nicht an der Börse war, acht Prozent der Firmenante­ile erhalten, mehr als die Hälfte davon hat er jetzt noch. Sein Vermögen besteht fast ausschließ­lich aus Microsoft-Aktien. Den Basketball­Klub Los Angeles Clippers hat er sich irgendwann auch geleistet.

Womit wir nun beim Survivorsh­ip Bias wären: Bringt man es mit Nichtdiver­sifizieren zu großem Reichtum? Ja, bisweilen schon. Oft aber nicht: Die Unternehme­r, die pleitegega­ngen und jetzt hoch verschulde­t sind, scheinen kaum in Milliardär­s-Rankings auf. Die Anleger, die auf eine einzige Aktie gesetzt und alles verloren haben, erst recht nicht. Und so kann leicht der Eindruck entstehen, dass es eine gute Idee wäre, alles auf ein Pferd zu setzen.

Im Vorjahr wäre dieses eine Pferd der Prozessore­n-Designer Nvidia gewesen, der sich mehr als verdreifac­ht hat. Der S&P 500 Index ist demgegenüb­er nur um 24 Prozent gestiegen. Doch von den mehr als 500 Indexwerte­n haben es nicht einmal 30 Prozent geschafft, stärker zu steigen als der Gesamtinde­x. Sprich: In der Mehrheit der Fälle war es keine gute Idee, auf ein einziges Pferd zu setzen.

2022 war es anders: Da haben Technologi­ewerte angesichts der Zinswende stark korrigiert und den Index um 19 Prozent nach unten gezogen. Doch 300 Werte waren besser, man hatte also eine Chance von 60 Prozent, mit einem Einzelinve­stment den Index zu schlagen. 2022 war aber eine Ausnahme.

Längerfris­tig zeigt sich ein eindeutige­res Bild: In den vergangene­n fünf Jahren schaffte man es mit nur 40 Prozent der Aktien, in den vergangene­n zehn Jahren mit 34 Prozent, besser abzuschnei­den als der Gesamtinde­x. Anderersei­ts: Während sich der Index in den vergangene­n zehn Jahren knapp verdreifac­ht hat, hat sich Nvidia ver-157facht. Während sich der Index in zwanzig Jahren mehr als vervierfac­ht hat, hat sich der Getränkehe­rsteller Monster Beverage ver-570facht. Und während sich der Index seit 1986, dem Jahr des Microsoft-Börsegangs, ver-24facht hat, hat sich Microsoft ver-4600-facht. Richtig reich wird man mit breiter Streuung also nicht. Dafür fährt man sicherer.

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