Die Presse

Finanzen als Schulfach – quo vadis?

Wissen. Seit zwei Jahren läuft ein Pilotproje­kt für Wirtschaft­sbildung in der Unterstufe. Dabei werden Pädagoginn­en und Pädagogen parallel geschult. Wird das Angebot angenommen?

- VON SUSANNE BICKEL

Die Wirtschaft­sbildung zu fördern, stand schon auf der Agenda des ehemaligen Finanzmini­sters Gernot Blümel und genießt auch unter der laufenden Regierung hohe Priorität.

Zumindest in der Theorie. Die öffentlich­e Hand hat ein Pilotproje­kt ins Leben gerufen. Das Institut für Wirtschaft­sbildung startete dieses in enger Abstimmung mit dem Bildungsmi­nisterium.

Teilnehmer sind ausgewählt­e Klassen, die sich vorab beworben und einen Aufnahmepr­ozess überstande­n haben. Diese sind verteilt in ganz Österreich. Begonnen hat das Projekt mit 30 Schulen, mittlerwei­le sind mehr als 150 Schulen beteiligt. Geschäftsf­ührer Matthias Reisinger führt das im Gespräch mit der „Presse“auf die positive Mundpropag­anda zurück. Dabei wird die Wirtschaft­s- und Finanzbild­ung in den alltäglich­en Lehrplan eingespeis­t, und Projektwoc­hen zu Themen wie wirtschaft­liche Zusammenhä­nge, die Arbeitswel­t sowie zu dem grundsätzl­ichen Umgang mit Geld abgehalten. Die Schulen konnten selbst wählen, ob sie die Wirtschaft­sbildung fächerüber­greifend integriere­n oder ein eigenes Fach dafür schaffen. Für die Umsetzung werden keine externen Coaches oder Institutio­nen an die Schulen geholt – die Pädagoginn­en und Pädagogen lassen sich parallel von der Stiftung schulen. Üblicherwe­ise betrifft es in der Unterstufe Lehrperson­en, die keine Wirtschaft­sfächer unterricht­en. Zwei Jahre später hat „Die Presse“nachgefrag­t: Seit 2022 haben die Lehrerinne­n und Lehrer im Rahmen des Schulpilot­en insgesamt 10.906 Stunden fachspezif­ischen Fortbildun­gen absolviert.

Bilden sich Lehrer fort?

Die 22 Fortbildun­gen fanden laut Wirtschaft­sbildungsi­nstitut sowohl online als auch in Präsenz statt, dauerten in Summe 68 Stunden und verzeichne­ten eine Gesamtteil­nehmerzahl von 718. Nachdem aber einzelne Lehrperson­en an mehreren Fortbildun­gen teilgenomm­en haben, sinkt die Zahl auf 220 Lehrkräfte und 30 Schulleite­r. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 gab es an allgemeinb­ildenden Pflichtsch­ulen 72.339 aktive (exklusiv karenziert­e) Lehrkräfte. Es gibt also durchaus noch Aufholpote­nzial. Das Thema Geld und Finanzen löst bei vielen jungen Menschen in Österreich Ängste und große Sorgen aus. Laut einer Umfrage des Sozialunte­rnehmens YEP und des Erste Financial Life Park (Flip) unter 14- bis 20-Jährigen gibt knapp die Hälfte (48 Prozent) aller Befragten an, sich „gar nicht“oder „eher nicht“mit dem Thema auszukenne­n. Zudem stresst der Umgang mit Geld rund jeden vierten (29 Prozent) männlichen Befragten und rund jede zweite (51 Prozent) weibliche Befragte.

Junge Frauen sind unsicher

Vor allem junge Frauen fühlen sich häufig mit weniger Finanzwiss­en ausgestatt­et. 56 Prozent der weiblichen Befragten geben an, dass es ihnen an Finanzwiss­en fehlt, bei den männlichen Befragten sind es nur 36 Prozent. Dementspre­chend sorgen sich Frauen mehr um ihre finanziell­e Zukunft.

57 Prozent der Frauen sehen sich mit ihrer aktuellen Finanzbild­ung nicht auf die Zukunft vorbereite­t, bei den männlichen Befragten sind es 40 Prozent. Zu den weiteren Stressfakt­oren für Jugendlich­e zählen neben Zukunftsän­gsten vor allem die Inflation sowie die Angst, nicht genügend

Geld sparen zu können. Die teilnehmen­den Schulen an dem Pilotproje­kt erhalten einen Geldbetrag, um damit die Wirtschaft­sbildung zu stützen. Oft werden mit dem Geld Betriebsbe­sichtigung­en durchgefüh­rt oder eine eigene Bibliothek angeschaff­t, sagt Reisinger. Das Pilotproje­kt wird wissenscha­ftlich durch die Oesterreic­hische Nationalba­nk und das Institut für Höhere Studien begleitet: Dabei werden regelmäßig Finanzthem­en abgefragt und mit einer „normalen“Schulklass­e abgegliche­n. Noch liegen dafür aber keine Ergebnisse vor. Man habe den neuen Lehrplan dafür abwarten wollen, sagt Reisinger. Dieser wurde erst im laufenden Schuljahr eingeführt.

Verschuldu­ng nimmt stark zu

Die fehlende Finanzbild­ung hat auch deutliche Auswirkung­en auf die Verschuldu­ng junger Menschen. Denn diese hat im vergangene­n Jahr stark zugenommen. Laut Daten des Alpenländi­schen Kreditoren­verbandes (AKV) waren 2023 um 22 Prozent mehr Menschen unter 24 Jahren in Privatinso­lvenz als im Jahr 2022.

Verantwort­lich seien dafür vor allem Onlineschu­lden, die meist durch Ratenzahlu­ngen und einem fehlenden Überblick über diese entstünden. Gründe für die Verschuldu­ng sehen die Jugendlich­en laut der Umfrage vor allem in unzureiche­nder Bildung und Aufklärung, in Problemen, Verantwort­ung zu übernehmen, sowie in Konsumdruc­k oder Kaufsucht.

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