Finanzen als Schulfach – quo vadis?
Wissen. Seit zwei Jahren läuft ein Pilotprojekt für Wirtschaftsbildung in der Unterstufe. Dabei werden Pädagoginnen und Pädagogen parallel geschult. Wird das Angebot angenommen?
Die Wirtschaftsbildung zu fördern, stand schon auf der Agenda des ehemaligen Finanzministers Gernot Blümel und genießt auch unter der laufenden Regierung hohe Priorität.
Zumindest in der Theorie. Die öffentliche Hand hat ein Pilotprojekt ins Leben gerufen. Das Institut für Wirtschaftsbildung startete dieses in enger Abstimmung mit dem Bildungsministerium.
Teilnehmer sind ausgewählte Klassen, die sich vorab beworben und einen Aufnahmeprozess überstanden haben. Diese sind verteilt in ganz Österreich. Begonnen hat das Projekt mit 30 Schulen, mittlerweile sind mehr als 150 Schulen beteiligt. Geschäftsführer Matthias Reisinger führt das im Gespräch mit der „Presse“auf die positive Mundpropaganda zurück. Dabei wird die Wirtschafts- und Finanzbildung in den alltäglichen Lehrplan eingespeist, und Projektwochen zu Themen wie wirtschaftliche Zusammenhänge, die Arbeitswelt sowie zu dem grundsätzlichen Umgang mit Geld abgehalten. Die Schulen konnten selbst wählen, ob sie die Wirtschaftsbildung fächerübergreifend integrieren oder ein eigenes Fach dafür schaffen. Für die Umsetzung werden keine externen Coaches oder Institutionen an die Schulen geholt – die Pädagoginnen und Pädagogen lassen sich parallel von der Stiftung schulen. Üblicherweise betrifft es in der Unterstufe Lehrpersonen, die keine Wirtschaftsfächer unterrichten. Zwei Jahre später hat „Die Presse“nachgefragt: Seit 2022 haben die Lehrerinnen und Lehrer im Rahmen des Schulpiloten insgesamt 10.906 Stunden fachspezifischen Fortbildungen absolviert.
Bilden sich Lehrer fort?
Die 22 Fortbildungen fanden laut Wirtschaftsbildungsinstitut sowohl online als auch in Präsenz statt, dauerten in Summe 68 Stunden und verzeichneten eine Gesamtteilnehmerzahl von 718. Nachdem aber einzelne Lehrpersonen an mehreren Fortbildungen teilgenommen haben, sinkt die Zahl auf 220 Lehrkräfte und 30 Schulleiter. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 gab es an allgemeinbildenden Pflichtschulen 72.339 aktive (exklusiv karenzierte) Lehrkräfte. Es gibt also durchaus noch Aufholpotenzial. Das Thema Geld und Finanzen löst bei vielen jungen Menschen in Österreich Ängste und große Sorgen aus. Laut einer Umfrage des Sozialunternehmens YEP und des Erste Financial Life Park (Flip) unter 14- bis 20-Jährigen gibt knapp die Hälfte (48 Prozent) aller Befragten an, sich „gar nicht“oder „eher nicht“mit dem Thema auszukennen. Zudem stresst der Umgang mit Geld rund jeden vierten (29 Prozent) männlichen Befragten und rund jede zweite (51 Prozent) weibliche Befragte.
Junge Frauen sind unsicher
Vor allem junge Frauen fühlen sich häufig mit weniger Finanzwissen ausgestattet. 56 Prozent der weiblichen Befragten geben an, dass es ihnen an Finanzwissen fehlt, bei den männlichen Befragten sind es nur 36 Prozent. Dementsprechend sorgen sich Frauen mehr um ihre finanzielle Zukunft.
57 Prozent der Frauen sehen sich mit ihrer aktuellen Finanzbildung nicht auf die Zukunft vorbereitet, bei den männlichen Befragten sind es 40 Prozent. Zu den weiteren Stressfaktoren für Jugendliche zählen neben Zukunftsängsten vor allem die Inflation sowie die Angst, nicht genügend
Geld sparen zu können. Die teilnehmenden Schulen an dem Pilotprojekt erhalten einen Geldbetrag, um damit die Wirtschaftsbildung zu stützen. Oft werden mit dem Geld Betriebsbesichtigungen durchgeführt oder eine eigene Bibliothek angeschafft, sagt Reisinger. Das Pilotprojekt wird wissenschaftlich durch die Oesterreichische Nationalbank und das Institut für Höhere Studien begleitet: Dabei werden regelmäßig Finanzthemen abgefragt und mit einer „normalen“Schulklasse abgeglichen. Noch liegen dafür aber keine Ergebnisse vor. Man habe den neuen Lehrplan dafür abwarten wollen, sagt Reisinger. Dieser wurde erst im laufenden Schuljahr eingeführt.
Verschuldung nimmt stark zu
Die fehlende Finanzbildung hat auch deutliche Auswirkungen auf die Verschuldung junger Menschen. Denn diese hat im vergangenen Jahr stark zugenommen. Laut Daten des Alpenländischen Kreditorenverbandes (AKV) waren 2023 um 22 Prozent mehr Menschen unter 24 Jahren in Privatinsolvenz als im Jahr 2022.
Verantwortlich seien dafür vor allem Onlineschulden, die meist durch Ratenzahlungen und einem fehlenden Überblick über diese entstünden. Gründe für die Verschuldung sehen die Jugendlichen laut der Umfrage vor allem in unzureichender Bildung und Aufklärung, in Problemen, Verantwortung zu übernehmen, sowie in Konsumdruck oder Kaufsucht.