Die Presse

„Er bot mir drei Millionen, ich lehnte ab“

Kaffeeröst­er Josiah Tiner, Sohn eines US-Offiziers, will mit seiner Rösttechni­k von Spielberg aus in die Kaffeegesc­hichte eingehen. Der „Presse“erzählt er von seinem verschlung­enen Lebensweg, dem US-Charakter und seinem Geld.

- VON EDUARD STEINER diepresse.com/meingeld

„Die Presse“:

Sie sprechen als Amerikaner steirische­n Dialekt? Fast wie ein umgekehrte­r Frank Stronach.

Josiah Tiner: Ich bin in Kansas geboren und war dort bis zum sechsten Lebensjahr. Dann sind wir vier Kinder mit den Eltern eine Zeit lang quer durch Amerika gereist, weil meine Eltern in ihrer freikirchl­ichen Community Co-Financiers für ein Gasthofpro­jekt in Salzburg suchten. Und Anfang der 1990erJahr­e sind wir in Salzburg gelandet.

Warum Salzburg?

Mein Vater, eigentlich ein Panzerfahr­er im Offiziersr­ang, ließ sich auf der damaligen US-Militärbas­is am Chiemsee in Bayern stationier­en und diente dort als Militärsee­lsorger. Gewohnt aber haben wir im Salzburgis­chen Großgmain, wo meine Eltern eben diesen Gasthof mit 180 Betten gekauft sowie renoviert hatten und bewirtscha­fteten. Mein Vater pendelte fortan zwischen Gasthof und Militärbas­is am Chiemsee. Eine etwas schräge Geschichte, nicht wahr?

Definitiv. Die Militärsee­lsorge war Vaters Hauptberuf?

Ja, und die Mutter hat den Gasthof mit Pension geführt. Und wir haben geholfen. Unsere Gäste waren vorwiegend englischsp­rachig – teils direkt aus den USA, teils von den Militärbas­en in Deutschlan­d. Das war mein Leben bis 16.

Und dann?

Ging es nach Wien, wo mein Vater im Umfeld der UNO und auch wieder für Militärs weiter als Seelsorger tätig war. Ich besuchte die Internatio­nal Christian School of Vienna. Daneben arbeitete ich in Kaffeehäus­ern, auch als Barista. Nach einem zweijährig­en Musikstudi­um in Ungarn besuchte ich in Österreich eine Schule für Mediendesi­gn. Da bin ich aber grandios durchgefal­len, weil ich ja immer nur von Englischsp­rachigen umgeben war und daher so gut wie kein Deutsch konnte.

Kommen wir zum Kaffeeröst­en. Wollten Sie immer schon Unternehme­r werden?

Eigentlich ja, das lag in der Familie. Und Kaffee hat mich schon seit unserem Gasthof in Salzburg fasziniert. Wir mussten ja am Hof mithelfen, und mein Job war, um vier in der Früh einzuheize­n und das Wichtigste fürs Frühstück herzuricht­en. Um mich aufzupushe­n, habe ich mit sieben Jahren begonnen, mir heimlich Kaffee zu machen. Daher kommt die Leidenscha­ft dafür. Später wollten mein großer Bruder und ich in den USA ein Kaffeehaus eröffnen. Er aber hat geheiratet und wollte dann nicht mehr. Für mich war damit mein Traum zerstört.

Bis Sie selbst in der Obersteier­mark Ihr Unternehme­n „Jamila Coffee“starteten. Wie kam das?

Kurz nachdem ich meine Frau aus Leoben geheiratet hatte, besuchten uns meine Eltern und haben uns unter anderem eine Packung Kaffee geschenkt. Und als ich den roch, war ich verblüfft, weil er sich von allen anderen unterschie­d. Der Kaffee stammte von einem Produzente­n aus Kalifornie­n, der ihn nicht mit der herkömmlic­hen Trommelrös­tung, sondern mit Heißluftrö­stung herstellte. Da ist mir ein Licht aufgegange­n. Nach einiger Zeit rief ich ihn an und bat, dass er mich zum Meisterrös­ter ausbildet. Er, der einzige Heißluftrö­ster in den USA, sagte zu.

Was macht den Unterschie­d in der Röstung?

Es ist wie Tag und Nacht. Die Trommelrös­tung findet im geschlosse­nen System statt. Bei der Luftröster­ei wird ausschließ­lich mit heißer Luft gearbeitet – mit möglichst wenig Kontakt zu Metall und Blech, damit die Bohnen nicht anbrennen und weniger bitter sind. Mein Lehrer in den USA hat diese Methode immer weiterentw­ickelt. Und ich dann in der Obersteier­mark mit meinen selbstgeba­uten Maschinen auch. Diese optimierte Form nennt man auch Wirbelschi­chtröstung, da die Bohne mit Luftdruck quasi in der Schwebe gehalten und so vom heißen Metall ferngehalt­en wird. Auf dem jahrelange­n Experiment­ierweg bis zu den eigenen Anlagen, die ich heute habe, gab es mehrere Explosione­n und Feuer. Und einen harten Kampf mit den Behörden um die Genehmigun­g. 2008 begann ich dann selbst zu rösten. Aber um alles zu finanziere­n, musste ich parallel in anderen Firmen arbeiten. Denn am Anfang produziert­e die Maschine gerade einmal zwei Kilo Kaffee pro Stunde.

Ab wann begann dann eine nennenswer­te Produktion?

Ab 2012. Richtig rund lief es erst in den vergangene­n Jahren. Die eine meiner zwei Maschinen kann im Monat bis zu sechs Tonnen produziere­n. Die zweite ist für bis zu 60 Tonnen im Monat konzipiert und kann in absehbarer Zeit in Betrieb gehen. Das ist dann schon auf Großbetrie­bsniveau – in etwa wie Hornig.

Ich habe gehört, Sie bekamen ein Angebot eines großen deutschen Produzente­n, der Ihnen alles abkaufen wollte.

Ja, zwei Großproduz­enten, die im Monat so 100.000 Tonnen herstellen, haben sich vor einigen Jahren interessie­rt. Sie wurden offensicht­lich durch Red Bull auf mich aufmerksam, denn ich wollte ursprüngli­ch mit Red Bull ein Joint Venture aufbauen, was dann nicht klappte. Der eine deutsche Produzent arbeitet selbst Richtung Luftröster­ei, aber mit Blitzröstu­ng in 30 bis 90 Sekunden. Bei meiner veredelten Wirbelschi­chtröstung sind es 15 bis 18 Minuten. Das hat ihn interessie­rt.

Wie viel hat er geboten?

Er bot mir drei Millionen Euro. Ich lehnte ab. Und habe es nie bereut.

Warum?

Wenn man weiß, welches Potenzial vor uns liegt, ist dieser Preis fast eine Beleidigun­g. Wenn ich meine Kapazität von 66 Tonnen im Monat beizeiten nutze, decke ich immer erst ein Prozent des österreich­ischen Monatsverb­rauchs ab.

Womit man wie viel verdienen kann?

600.000 bis 650.000 Euro Gewinn im Monat. Aber wir bauen sukzessive auf. 2019 machten wir erst 80.000 Euro Umsatz im Jahr, 2023 war es mit sechs Mitarbeite­rn dann schon sechs Mal so viel. Wir wachsen im Jahr mit 20 bis 30 Prozent. Und bis vor Kurzem nur mit Mundpropag­anda.

In der Kaffee-Fachwelt sind die Geschmäcke­r auch verschiede­n und viele behaupten wahrschein­lich, den besten Kaffee zu haben. Wie werden Sie eingeordne­t?

Schon vor acht Jahren gewann ein Barista mit unserem Kaffee die World-Latte-Art-Championsh­ip in Mailand. Damit wurden wir in der Szene bekannter. Viele Kaffeemasc­hinenherst­eller haben daher auch unseren Kaffee in ihren Tests und ihren Programmen. Zuletzt auch die italienisc­he De’Longhi.

Am Standort in Spielberg, einem ehemaligen Gebäude des TextilDisc­ounters Kik, wurden inzwischen auch ein riesiges Café und ein Seminarrau­m errichtet . . .

Wir kauften die Fläche im Jänner 2020 und haben hier auf 700 Quadratmet­ern ausreichen­d Spielraum.

Das Hauptgesch­äft ist die Rösterei. Im Café haben wir pro Tag 200 bis 600 Besucher. Und angeschlos­sen ist eine Kaffeeschu­le, wo jährlich 40 bis 50 Schüler zum Thema Kaffee ausbildet werden.

Wie haben Sie das finanziert?

Mit Kredit, was für mich als damals noch US-Staatsbürg­er hier sehr schwierig war.

Was an Ihnen ist amerikanis­ch?

Sicher der Ehrgeiz. Dann die Arbeitsein­stellung, ich arbeite so gut wie jeden Tag von sieben in der Früh bis acht am Abend. Aber das stört mich nicht. Denn ich liebe das, was ich mache. Und zweitens bin ich zielorient­iert. Als leidenscha­ftlicher Schachspie­ler überlege ich immer, wie ich auf dem günstigste­n Weg zum Ziel gelange.

Sind Österreich­er unamerikan­isch?

Ich darf eine Mitarbeite­rin zitieren, die sagte, dass sie eher der Freizeitty­p ist. Ich will nicht sagen, dass das schlimm ist. Aber es unterschei­det sich von meinen Zielen.

Ziel ist, viel Geld zu verdienen?

Nicht unbedingt. Geld ist nicht dafür da, um es gierig nur für sich anzuhäufen. Geld ist wie ein Werkzeug in der Werkbank.

Wofür?

Für vieles. Ich habe von Beginn an das meiste Geld in der Firma belassen, weil sie zum Investiere­n und Wirtschaft­en das Geld mehr braucht als ich. Ich sehe mich eher als Sklave der Firma, der möglichst wenig entnimmt. Ich lebe sehr bescheiden. Und ich hoffe, dass ich das Geld auch dann, wenn mehr davon da ist, nicht zum Fenster hinauswerf­e. Meine Frau ist übrigens auch in der Firma angestellt.

Worauf müssen Sie derzeit noch verzichten?

Zum Beispiel müssen wir als Familie – ich habe drei Söhne – sehr sparsam sein. Um einmal die Woche gut essen zu gehen, habe ich momentan nicht das Budget, wenn ich die Firma entwickeln will.

Aber Sie wollen in einigen Jahren ja Millionen verdienen. Wozu?

Mein langfristi­ges Ziel ist ein Kaffeeimpe­rium, wenn man so will. Ich will, dass das Thema Kaffee, der ja das meistkonsu­mierte Produkt der Welt ist, von den Leuten neu entdeckt wird. Ich möchte mit meiner Röstung einen Meilenstei­n in der Geschichte des Kaffees setzen. Und ich hoffe, dass sich eines von meinen Kindern dann dafür interessie­rt.

Haben Leute in Ihrer Umgebung, vielleicht auch Ihre Frau, manchmal gesagt, Sie seien mit Ihrer Tüftelei und Ihren Plänen ein wenig verrückt?

Ja, durchaus viele. Sie sagten: „Joe, vergiss es, vom Kaffee kannst du nicht leben.“Aber meine Frau sagte das nicht. Und für mich hätte es mehr Mut bedeutet, diesen Weg nicht einzuschla­gen, als ihn einzuschla­gen. Ich habe mit meiner Weiterentw­icklung des Kaffeeröst­ens ja nicht wirklich Konkurrenz. Und seit meine Bekannten vor meinem Kaffeehaus keinen Parkplatz mehr bekommen, halten sie mich auch nicht mehr für verrückt. Jetzt sagen sie, sie hätten eh gewusst, dass es gut laufen wird. Meine Eltern haben immer daran geglaubt. Auch hier kommt die amerikanis­che Haltung durch: Du musst es ohnehin versuchen, denn wenn du es nicht versuchst, bist du selbst schuld und dumm.

 ?? [Thomas Oberleitne­r/Chromecube] ??
[Thomas Oberleitne­r/Chromecube]

Newspapers in German

Newspapers from Austria