Wer keine Radler mag, dem traut man nicht
Die Halterin eines ausgebüxten Hundes haftet, weil sie ihr Tier allein im Garten ließ. Denn auf Radfahrer lief es schon bisher gern zu.
Ob man für die von seinem Hund angerichteten Schäden haftet, hängt auch von Rasse und Charakter des Tieres ab. Bei in der Regel gutmütigen und ungefährlichen Haustieren verlangen die Richter nicht, dass man jede nur denkbare Beschädigung verhindert. Aber es müssen jene Vorkehrungen getroffen werden, die vom Tierhalter unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des Tieres billigerweise erwartet werden können.
Und diese Vorkehrungen dürfen auch nicht zu gering ausfallen, wie die Richter nun zu einem als nicht aggressiv eingestuften Tier betonen. Es war unbeaufsichtigt im Garten und rannte hinaus. Leidtragende war eine Radfahrerin, auf die der Hund zulief und die nun wegen der unfallbedingten Folgen die
Hundehalterin klagte. Es ging um rund 37.300 Euro Schadenersatz.
Der Hundefreundin fiel auf den Kopf, dass ihr Tier bereits in der Vergangenheit wiederholt schnell auf vorbeifahrende Radfahrer zugelaufen war. Das unbeaufsichtigte Zurücklassen der Hündin im Garten mit diesem Wissen befand schon das Oberlandesgericht Wien als problematisch. Denn das Tor des Gartens ist nur bei sorgfältiger Verriegelung gesichert. Und die Hundehalterin musste am Tag des Unglücks damit rechnen, dass der Garten von einem Paketboten betreten wird. Sie hätte daher besser auf das Tier achten müssen.
Auch am Land kein Freibrief
Die Hundehalterin versuchte vor dem OGH, mit dem Verweis auf eine 1961 ergangene Entscheidung zu einem Wachhund zu punkten.
Dieser war tagsüber angekettet, abends durfte er im Hof des Anwesens frei herumlaufen. Das Hoftor war nicht versperrt. Das Tier hatte weder die Gewohnheit, das Tor zu öffnen, noch den zumindest 1,60 Meter hohen Zaun zu überspringen. Doch er büxte aus und lief auf die Autobahn, ein Unfall mit einem Pkw war die Folge. Der Halter wurde nicht zu Schadenersatz verurteilt. Das sei aber ein anderer Fall gewesen, meinten die Höchstrichter nun. Denn der Wachhund habe vor dem Unfall keine Neigung zum Wildern oder Streunen gezeigt.
Und außerdem: „Sollte dieser Entscheidung die Aussage zu entnehmen sein, dass ein Hund in ländlicher Umgebung stets frei herumlaufen dürfe, wäre diese Annahme durch die auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abstellende jüngere Rechtsprechung überholt“, erklärte der OGH (2 Ob 197/23v). Die Halterin haftet.
Bellen muss weg, Zucht nicht
Auch ein etwas anderer Hundefall musste kürzlich geklärt werden. Darin ging es um einen Mann, der sich von einer neben ihm angesiedelten Hundezucht gestört fühlt. Er verlangte von seinem Nachbarn, die Lärmemissionen durch das Hundegebell in einem näher bestimmten Ausmaß zu unterlassen. Überdies solle der Hundezuchtbetrieb samt der Haltung der Hunde im Zwinger eingestellt werden. Die erste Instanz gab dem Unterlassungsbegehren zur Gänze statt.
Das Landesgericht Salzburg bestätigte diese Entscheidung nur zum lauten Gebell, nicht aber zur Hundezucht.
Auch der OGH (7 Ob 186/ 23p) meinte, dass der Nachbar den
Betrieb dahinter nicht untersagen lassen könne. „Der Verpflichtete hat dafür zu sorgen, dass sein Nachbar nicht durch unzulässige Immissionen beeinträchtigt wird; die Auswahl der Mittel bleibt dabei ihm überlassen.“Auch hier ließen die Höchstrichter den Verweis auf frühere Urteile nicht gelten: „Ältere Entscheidungen, wonach bei unzulässigen Immissionen die Tierhaltung als solche untersagt werden konnte, sind durch die neuere Rechtsprechung überholt.“
Damit muss auch laut den Höchstrichtern nur das (zu laute) Bellen beseitigt werden. Dies könne der Nachbar etwa „durch Veränderung der Örtlichkeit des Zwingers, das Halten von weniger Hunden oder der Ermöglichung von mehr Auslauf der Hunde abseits der Liegenschaft“sicherstellen, meinte der OGH.