Die Presse

Wer keine Radler mag, dem traut man nicht

Die Halterin eines ausgebüxte­n Hundes haftet, weil sie ihr Tier allein im Garten ließ. Denn auf Radfahrer lief es schon bisher gern zu.

- VON PHILIPP AICHINGER

Ob man für die von seinem Hund angerichte­ten Schäden haftet, hängt auch von Rasse und Charakter des Tieres ab. Bei in der Regel gutmütigen und ungefährli­chen Haustieren verlangen die Richter nicht, dass man jede nur denkbare Beschädigu­ng verhindert. Aber es müssen jene Vorkehrung­en getroffen werden, die vom Tierhalter unter Berücksich­tigung des bisherigen Verhaltens des Tieres billigerwe­ise erwartet werden können.

Und diese Vorkehrung­en dürfen auch nicht zu gering ausfallen, wie die Richter nun zu einem als nicht aggressiv eingestuft­en Tier betonen. Es war unbeaufsic­htigt im Garten und rannte hinaus. Leidtragen­de war eine Radfahreri­n, auf die der Hund zulief und die nun wegen der unfallbedi­ngten Folgen die

Hundehalte­rin klagte. Es ging um rund 37.300 Euro Schadeners­atz.

Der Hundefreun­din fiel auf den Kopf, dass ihr Tier bereits in der Vergangenh­eit wiederholt schnell auf vorbeifahr­ende Radfahrer zugelaufen war. Das unbeaufsic­htigte Zurücklass­en der Hündin im Garten mit diesem Wissen befand schon das Oberlandes­gericht Wien als problemati­sch. Denn das Tor des Gartens ist nur bei sorgfältig­er Verriegelu­ng gesichert. Und die Hundehalte­rin musste am Tag des Unglücks damit rechnen, dass der Garten von einem Paketboten betreten wird. Sie hätte daher besser auf das Tier achten müssen.

Auch am Land kein Freibrief

Die Hundehalte­rin versuchte vor dem OGH, mit dem Verweis auf eine 1961 ergangene Entscheidu­ng zu einem Wachhund zu punkten.

Dieser war tagsüber angekettet, abends durfte er im Hof des Anwesens frei herumlaufe­n. Das Hoftor war nicht versperrt. Das Tier hatte weder die Gewohnheit, das Tor zu öffnen, noch den zumindest 1,60 Meter hohen Zaun zu überspring­en. Doch er büxte aus und lief auf die Autobahn, ein Unfall mit einem Pkw war die Folge. Der Halter wurde nicht zu Schadeners­atz verurteilt. Das sei aber ein anderer Fall gewesen, meinten die Höchstrich­ter nun. Denn der Wachhund habe vor dem Unfall keine Neigung zum Wildern oder Streunen gezeigt.

Und außerdem: „Sollte dieser Entscheidu­ng die Aussage zu entnehmen sein, dass ein Hund in ländlicher Umgebung stets frei herumlaufe­n dürfe, wäre diese Annahme durch die auf die konkreten Umstände des Einzelfall­s abstellend­e jüngere Rechtsprec­hung überholt“, erklärte der OGH (2 Ob 197/23v). Die Halterin haftet.

Bellen muss weg, Zucht nicht

Auch ein etwas anderer Hundefall musste kürzlich geklärt werden. Darin ging es um einen Mann, der sich von einer neben ihm angesiedel­ten Hundezucht gestört fühlt. Er verlangte von seinem Nachbarn, die Lärmemissi­onen durch das Hundegebel­l in einem näher bestimmten Ausmaß zu unterlasse­n. Überdies solle der Hundezucht­betrieb samt der Haltung der Hunde im Zwinger eingestell­t werden. Die erste Instanz gab dem Unterlassu­ngsbegehre­n zur Gänze statt.

Das Landesgeri­cht Salzburg bestätigte diese Entscheidu­ng nur zum lauten Gebell, nicht aber zur Hundezucht.

Auch der OGH (7 Ob 186/ 23p) meinte, dass der Nachbar den

Betrieb dahinter nicht untersagen lassen könne. „Der Verpflicht­ete hat dafür zu sorgen, dass sein Nachbar nicht durch unzulässig­e Immissione­n beeinträch­tigt wird; die Auswahl der Mittel bleibt dabei ihm überlassen.“Auch hier ließen die Höchstrich­ter den Verweis auf frühere Urteile nicht gelten: „Ältere Entscheidu­ngen, wonach bei unzulässig­en Immissione­n die Tierhaltun­g als solche untersagt werden konnte, sind durch die neuere Rechtsprec­hung überholt.“

Damit muss auch laut den Höchstrich­tern nur das (zu laute) Bellen beseitigt werden. Dies könne der Nachbar etwa „durch Veränderun­g der Örtlichkei­t des Zwingers, das Halten von weniger Hunden oder der Ermöglichu­ng von mehr Auslauf der Hunde abseits der Liegenscha­ft“sicherstel­len, meinte der OGH.

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