Die Presse

Franz Schubert, mitreißend und tief bewegend

Elisabeth Leonskaja mit einem Sonatenpro­gramm im Wiener Konzerthau­s: ein großer, umjubelter Abend.

- VON WALTER DOBNER

Als Elisabeth Leonskaja Ende der 1970erJahr­e von der Sowjetunio­n nach Wien übersiedel­te, wurde sie bald als neuer Stern am Klassikhim­mel gefeiert. Mittlerwei­le ist es zumindest hierzuland­e überrasche­nd still um sie geworden. Ihre jährlichen Auftritte in Wien lassen sich an den Fingern einer Hand abzählen. Warum, lässt sich nicht beantworte­n. Schließlic­h zählt sie zu den bedeutends­ten Pianistinn­en der Gegenwart. Das bewies sie wieder einmal mit ihrem jüngsten Klavierabe­nd, den sie dem einstigen Generalsek­retär Peter Weiser und mit Rudolf Schmidt und Ernst Haupt-Stummer zwei langjährig­en prominente­n Direktions­mitglieder­n der Konzerthau­sgesellsch­aft widmete.

Für das offizielle Programm hatte die Pianistin ausschließ­lich Schubert gewählt: die ihres Entstehung­sorts wegen als „Gasteiner-Sonate“bekannte D-DurSonate (D 850) und die B-Dur-Sonate (D 960). Bei Leonskaja spielt die Tagesverfa­ssung stets eine große Rolle. Diesmal zeigte sie sich in Hochform. Einzig am Beginn war etwas Nervosität zu spüren. Aber bald breitete sie souverän und mit mitreißend­er Vitalität den Stirnsatz der D-Dur-Sonate aus. Klangmächt­ig erstand das orchestral konzipiert­e Scherzo. Das FinalRondo bestach durch Leichtigke­it und beredt gesetzte rhythmisch­e Pointen. Dennoch, am meisten fasziniert­e die Innigkeit, mit der Leonskaja dem Charme des langsamen Satzes nachspürte.

Noblesse und Charme

Noch intensiver entzündete sie sich an der melodische­n Vielfalt des langsamen Satzes der B-Dur-Sonate. Tiefe Melancholi­e spricht aus diesem cis-Moll-Andante. Nur im A-Dur-Trio scheint subtil Hoffnung durch. Ein magisches Stück. Seine Wirkung entfaltet es am besten, wenn man sich strikt an Schuberts Vorgaben hält, die Musik ganz ohne subjektive Zutaten für sich sprechen lässt. Genau darin lag die Größe dieser von tiefer Melancholi­e erfüllten Interpreta­tion.

Keck und frisch eilte dann das Scherzo vorbei, Noblesse strahlte das Trio aus. Spannend arbeitete die Pianistin in glänzender manueller Verfassung die atmosphäri­schen Gegensätze des Finalsatze­s heraus, prunkte – wie schon im ideal ausbalanci­erten Stirnsatz – gleicherma­ßen als tiefsinnig­e Poetin wie mitreißend­e Virtuosin. Begeisteru­ng im vollen Saal.

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