Mensch & Hund: Beziehung durch Kooperation seit 40.000 Jahren
Bei den „Kooperationstieren“Mensch und Hund hängt die Qualität der Beziehung vor allem vom gemeinsamen Tun ab.
Heute bevölkern etwa eine Milliarde Hunde die Städte der Welt, die meisten davon als relativ unabhängige Abfallvertilger. Tatsächlich wurde der Wolf mittels Vektor Mensch und Hundwerdung zu einem der evolutionär erfolgreichsten Säugetiere. Und Hunde hatten einen erheblichen Anteil daran, dass wir Menschen uns in den letzten 40.000 Jahren die Welt nur allzu gründlich untertan machen konnten. Sie sind aber nicht bloß dienstbeflissene Kuscheltiere. Während die Datenlage klar zeigt, dass durch Wölfe kaum Menschen zu Schaden kommen, verursachen Hunde einer Schätzung der WHO zufolge jährlich bis zu 50.000 Tote – durch Übertragung von Tollwut und anderen Krankheiten, Unfälle, etc. Enge „Beziehungskisten“gibt es eben nicht gratis.
Hunde wurden zu unseren „besten Freunden“, zumindest in den liberal-humanistisch geprägten „Western, Educated, Industrialized, Rich, Democratic (WEIRD)“Gesellschaften, in denen die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen zur Mensch-Hund-Beziehung durchgeführt wurden. Wie repräsentativ dieses heutige Wissen ist, wollte eine Gruppe von Forschern um Angela Chira und Juliane Bräuer, Linguisten, Ökologen und Psychologen vom MPI Leipzig und den Unis Jena und Toronto, in ihrem jüngsten Beitrag in „Scientific Reports“(2023) klären. Sie gewannen Daten über die Einstellungen zu Hunden aus 124 voneinander unabhängigen, über die Welt verstreuten Kulturen – frei verfügbar über eine Harvard-Datenbank (eHRAF). Eine kluge statistische Analyse bestätigte im Wesentlichen, dass positive Beziehungen zu Hunden vor allem dort gepflegt werden, wo diese vielseitig eingesetzt werden, also etwa beim Jagen, als Wachhunde und beim Führen und Bewachen von Vieh. Solch hochfunktionelle Generalisten erfahren besonders viel Fürsorge, werden kaum schlecht behandelt und genießen Persönlichkeitsstatus. Besonders gut geht es übrigens Hunden in Hirtengesellschaften, weniger jenen, die vorwiegend mit auf die Jagd genommen werden, allerdings werden Jagdhunde besonders stark als Persönlichkeiten gesehen. Und es zeigte sich, dass vorwiegend Wachhunde kaum schlecht behandelt werden.
Diese Ergebnisse sprechen dagegen, dass Hunde weltweit überall gleich „beste Freunde“der Menschen wären. Vielmehr zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen den Kulturen, die vor allem von den jeweiligen Funktionen der Hunde abhängen. Die Vielfalt der Mensch-Hund-Beziehung unterliegt also jenen Regeln, die auch für menschliches Sozialverhalten gelten. Nahezu unendlich komplex sind Beziehungen zwischen Menschen vom Zusammenhang abhängig.
Die erwähnte kulturvergleichende Studie zeigt, dass bei den „Kooperationstieren“Mensch und Hund die Qualität der Beziehung vor allem vom gemeinsamen Tun abhängt. Hirten-, Wach- oder Jagdhunde haben also eine unterschiedliche Bedeutung als Sozialund Arbeitspartner. So gesehen bestätigt die neue Studie weltweit gültige Regeln für diese Mensch-Tier-Partnerschaft, wie sie ja auch für zwischenmenschliche Beziehungen gelten. In den WEIRD-Staaten (s. oben) ist die wichtigste Funktion der Hunde, Sozialpartner und soziale Unterstützer ihrer Menschen zu sein. Daher überrascht es nicht, dass sie heute überwiegend als vollwertige Familienmitglieder oder sogar als „Kinder“gesehen werden.