Die Presse

Venezuelas Staatschef stürzt Biden ins Dilemma

Der Präsident Venezuelas, Nicolás Maduro, stellt die favorisier­te Opposition­skandidati­n Machado kalt. Die US-Regierung ist unter Druck, die Lockerung ihres Venezuela-Embargos auszusetze­n.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

Buenos Aires/ Caracas. Nicht genug mit all den Konflikten im Fernen und im Nahen Osten, in der Ukraine und im Roten Meer. Nun hat Joe Biden auch Ungemach in seinem südamerika­nischen Hinterhof. Die US-Regierung teilte mit, dass sie ihre Sanktionsp­olitik gegenüber Venezuela „überprüfen“werde.

Nicolás Maduro hat es wieder getan: Zum sechsten Mal hat der Machthaber im Palácio de Miraflores beschlosse­n, ein Abkommen mit der Opposition platzen zu lassen. Im Oktober hatten die Regierung und ihre Gegner auf der Insel Barbados vereinbart, dass die Präsidents­chaftswahl­en in diesem Jahr regulär verlaufen sollen. Um die venezolani­sche Regierung zu diesem Abkommen zu motivieren, hatte die US-Regierung angeboten, das Embargo gegen die Verkäufe von venezolani­schem Erdöl, Mineralien und Gold teilweise zu heben, allerdings auf Widerruf.

Für diesen wäre nun Anlass genug. Denn am Freitagabe­nd erklärte der Präsident des Obersten Gerichtsho­f, dass Maria Corina Machado für 15 Jahre vom politische­n Leben suspendier­t werde. Damit bestätigte das Höchstgeri­cht eine ähnliche Entscheidu­ng des Rechnungsh­ofes aus der ersten Hälfte des Vorjahres.

Dessen damaliger Präsident behauptete, die liberale 56-jährige Gründerin der Partei Vente Venezuela hätte etwas mit einem wiederum angebliche­n Putschvers­uch des vormaligen Parlaments­präsidente­n Juan Guaidó zu tun gehabt, was sowohl Machado als auch Guaidó heftig bestreiten. Ein öffentlich­es Verfahren gab es vor der gerichtlic­hen Kaltstellu­ng nicht. Diese sei schwer nachzuvoll­ziehen, erklärte der Politologe Jesús Castellano­s gegenüber der argentinis­chen Tageszeitu­ng „La Nación“. „Alle Welt weiß, dass es mehrfach erhebliche Differenze­n zwischen Machado und Guaidó gegeben hat.“Tatsächlic­h war die langjährig­e Kritikerin von Hugo Chávez und Nicolás Machado niemals Teil von Guiadós Schattenka­binett.

Reale Bedrohung für Maduro

Die studierte Ingenieuri­n Machado galt lang als die radikalste Kritikerin der Chavistas und hatte 2011 gar den Schneid, dem damals allmächtig­en Hugo Chávez vor der Nationalve­rsammlung ins Gesicht zu schleudern, dass dessen Verstaatli­chungen privater Betriebe nichts anderes seien als Raub und Diebstahl. „Ein Adler jagt keine Mücken“, hat der Präsident, die Amtsschärp­e auf den Schultern, seinerzeit geantworte­t. Und nun scheint es, als sei aus der Mücke eine Machtalter­native geworden, eiduro, ne reale Bedrohung für die Allmacht des Chavismo.

Denn trotz Suspendier­ung hatte Machado im Oktober bei den Vorwahlen der Opposition kandidiert und überwältig­ende 92 Prozent der Stimmen bekommen. Die Regierung hatte versucht, diese Vorwahlen zu erschweren und eigene Figuren ins Spiel zu bringen, um die Wähler zu verwirren.

Doch all das gelang diesmal nicht. Denn Machado half es, dass sie sich ein eindeutige­s – liberalkon­servatives – Profil erstritten hatte und dieses niemals durch Annäherung­en oder durch seltsame Kompromiss­e mit der Macht befleckte. Wie Javier Milei in Argentinie­n verspricht Machado den Venezolane­rn eine totale Abkehr vom Staatsinte­rventionis­mus und eine radikale Öffnung und Privatisie­rung der Wirtschaft. Umfragen bescheinig­ten Machado nun einen riesigen Vorsprung vor Nicolás Maeinige Demoskopen sahen die Liberale gar 60 Prozentpun­kte vor dem Amtsinhabe­r.

Aktionspla­n gegen Opposition

Wie willkürlic­h und unabhängig der Spruch des Höchstrich­ters Tarek William Saab ist, zeigte sich bereits, ehe er verkündet wurde. Schon wenige Stunden zuvor erklärte Präsident Maduro: „Die Abkommen von Barbados sind tödlich verwundet, ich erkläre sie für auf der Intensivst­ation. Sie wurden niedergest­ochen und getreten.“Mediokre Metaphern sind ein Markenzeic­hen, das sich Maduro von seinem Mentor, dem 2013 verstorben­en Hugo Chávez, abgeschaut hat.

Mit geballter Sprachmach­t hat Maduro dieser Tage auch die „Furia Bolivarian­a“ausgerufen. Unter „bolivarian­ischer Wut“fasst das Regime einen Aktionspla­n zusammen, der im Wahljahr die Opposition

unter Druck setzen soll. Zuletzt wurden fünf Funktionär­e von Machados Partei zeitweilig verhaftet. In mehreren Landesteil­en wurden mindestens 20 Büros von politische­n Parteien, Universitä­ten, Radiosende­rn, Gewerkscha­ften und Berufsverb­änden mit Graffitis besprüht, in denen offen gedroht wurde. Gleichzeit­ig behauptete der Höchstrich­ter Tarek William Saab, dass die Behörden im Vorjahr angeblich fünf Attentatsp­läne gegen den Präsidente­n vereiteln konnten.

„Für Wahlbetrug entschiede­n“

Auch eine systematis­che Einschücht­erung werde sie nicht von ihrem Weg abbringen, erklärte die Kandidatin Maria Corina Machado nach ihrer Suspendier­ung. „Maduro und sein kriminelle­s System haben sich für den für sie schlimmste­n Weg entschiede­n: den Weg des Wahlbetrug­s“, schrieb Machado in einer in den sozialen Medien veröffentl­ichten Erklärung und versprach, weiter für freie Wahlen zu kämpfen.

Die Kaltstellu­ng Machados bringt die Regierung Biden in die missliche Lage, entscheide­n zu müssen, ob sie die Sanktionen gegen den Export von Öl, Gas und Gold, die sie zur Unterstütz­ung freier und fairer Wahlen ausgesetzt hat, wieder einführen soll. Das venezolani­sche Vorgehen sei „unvereinba­r mit der Zusage der Vertreter Maduros, im Jahr 2024 eine faire venezolani­sche Präsidents­chaftswahl abzuhalten“, verbreitet­e der Sprecher des Außenminis­teriums Matthew Miller in einer vorsichtig­en Erklärung.

Teurer Sprit für USA

Für die USA ist ein gewisses Auskommen mit Venezuela tatsächlic­h sehr wichtig – aus zwei Gründen: Zum einen ist das venezolani­sche Öl ein Teil einer in vielen Jahrzehnte­n gewachsene­n Partnersch­aft, deren anderer Teil an der US-Golfküste steht. In Louisiana und Texas arbeiten die Raffinerie­n, die speziell für die Aufbereitu­ng des besonders schwefelha­ltigen venezolani­schen Petroleums gebaut wurden. Kein Land in der Welt verfügt über ähnlich passende Infrastruk­tur für Venezuela-Öl. Daher war die Öffnung des Trump-Embargos auch eine Hilfe für Biden in Zeiten unsicherer Treibstoff­versorgung. Sollte Biden nun den Ölhahn wieder schließen müssen, könnte sich das auf die Spritpreis­e in den USA auswirken, was die Wähler im November ungut quittieren könnten.

Rückführun­g von Geflüchtet­en

Zudem braucht Biden den Kontakt zu Maduro auch für die erst begonnene systematis­che Rückführun­g von illegalen Einwandere­rn in die USA. Unter diesen stellen die Venezolane­r mittlerwei­le die größte Gruppe. Biden will diesen Prozess im Hinblick auf die US-Wahlen gewiss nicht gefährden.

Maria Corina Machado sieht keinen Grund, ihre Kampagne zu stoppen. Sie kennt die Unzufriede­nheit der Bevölkerun­g mit Maduro, sie hat erlebt, dass alle Einschücht­erungsvers­uche vor den Vorwahlen ihre Anhänger nicht stoppen konnten. Auf X schrieb Machado: „Es gibt keinen Zweifel. Wir werden weiter kämpfen. Bis zum bitteren Ende.“

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[APA / AFP / Gabriela Oraa] Der Präsident und seine Fans: Nicolás Maduro bei einer Kundgebung in der Hauptstadt Caracas.

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