Venezuelas Staatschef stürzt Biden ins Dilemma
Der Präsident Venezuelas, Nicolás Maduro, stellt die favorisierte Oppositionskandidatin Machado kalt. Die US-Regierung ist unter Druck, die Lockerung ihres Venezuela-Embargos auszusetzen.
Buenos Aires/ Caracas. Nicht genug mit all den Konflikten im Fernen und im Nahen Osten, in der Ukraine und im Roten Meer. Nun hat Joe Biden auch Ungemach in seinem südamerikanischen Hinterhof. Die US-Regierung teilte mit, dass sie ihre Sanktionspolitik gegenüber Venezuela „überprüfen“werde.
Nicolás Maduro hat es wieder getan: Zum sechsten Mal hat der Machthaber im Palácio de Miraflores beschlossen, ein Abkommen mit der Opposition platzen zu lassen. Im Oktober hatten die Regierung und ihre Gegner auf der Insel Barbados vereinbart, dass die Präsidentschaftswahlen in diesem Jahr regulär verlaufen sollen. Um die venezolanische Regierung zu diesem Abkommen zu motivieren, hatte die US-Regierung angeboten, das Embargo gegen die Verkäufe von venezolanischem Erdöl, Mineralien und Gold teilweise zu heben, allerdings auf Widerruf.
Für diesen wäre nun Anlass genug. Denn am Freitagabend erklärte der Präsident des Obersten Gerichtshof, dass Maria Corina Machado für 15 Jahre vom politischen Leben suspendiert werde. Damit bestätigte das Höchstgericht eine ähnliche Entscheidung des Rechnungshofes aus der ersten Hälfte des Vorjahres.
Dessen damaliger Präsident behauptete, die liberale 56-jährige Gründerin der Partei Vente Venezuela hätte etwas mit einem wiederum angeblichen Putschversuch des vormaligen Parlamentspräsidenten Juan Guaidó zu tun gehabt, was sowohl Machado als auch Guaidó heftig bestreiten. Ein öffentliches Verfahren gab es vor der gerichtlichen Kaltstellung nicht. Diese sei schwer nachzuvollziehen, erklärte der Politologe Jesús Castellanos gegenüber der argentinischen Tageszeitung „La Nación“. „Alle Welt weiß, dass es mehrfach erhebliche Differenzen zwischen Machado und Guaidó gegeben hat.“Tatsächlich war die langjährige Kritikerin von Hugo Chávez und Nicolás Machado niemals Teil von Guiadós Schattenkabinett.
Reale Bedrohung für Maduro
Die studierte Ingenieurin Machado galt lang als die radikalste Kritikerin der Chavistas und hatte 2011 gar den Schneid, dem damals allmächtigen Hugo Chávez vor der Nationalversammlung ins Gesicht zu schleudern, dass dessen Verstaatlichungen privater Betriebe nichts anderes seien als Raub und Diebstahl. „Ein Adler jagt keine Mücken“, hat der Präsident, die Amtsschärpe auf den Schultern, seinerzeit geantwortet. Und nun scheint es, als sei aus der Mücke eine Machtalternative geworden, eiduro, ne reale Bedrohung für die Allmacht des Chavismo.
Denn trotz Suspendierung hatte Machado im Oktober bei den Vorwahlen der Opposition kandidiert und überwältigende 92 Prozent der Stimmen bekommen. Die Regierung hatte versucht, diese Vorwahlen zu erschweren und eigene Figuren ins Spiel zu bringen, um die Wähler zu verwirren.
Doch all das gelang diesmal nicht. Denn Machado half es, dass sie sich ein eindeutiges – liberalkonservatives – Profil erstritten hatte und dieses niemals durch Annäherungen oder durch seltsame Kompromisse mit der Macht befleckte. Wie Javier Milei in Argentinien verspricht Machado den Venezolanern eine totale Abkehr vom Staatsinterventionismus und eine radikale Öffnung und Privatisierung der Wirtschaft. Umfragen bescheinigten Machado nun einen riesigen Vorsprung vor Nicolás Maeinige Demoskopen sahen die Liberale gar 60 Prozentpunkte vor dem Amtsinhaber.
Aktionsplan gegen Opposition
Wie willkürlich und unabhängig der Spruch des Höchstrichters Tarek William Saab ist, zeigte sich bereits, ehe er verkündet wurde. Schon wenige Stunden zuvor erklärte Präsident Maduro: „Die Abkommen von Barbados sind tödlich verwundet, ich erkläre sie für auf der Intensivstation. Sie wurden niedergestochen und getreten.“Mediokre Metaphern sind ein Markenzeichen, das sich Maduro von seinem Mentor, dem 2013 verstorbenen Hugo Chávez, abgeschaut hat.
Mit geballter Sprachmacht hat Maduro dieser Tage auch die „Furia Bolivariana“ausgerufen. Unter „bolivarianischer Wut“fasst das Regime einen Aktionsplan zusammen, der im Wahljahr die Opposition
unter Druck setzen soll. Zuletzt wurden fünf Funktionäre von Machados Partei zeitweilig verhaftet. In mehreren Landesteilen wurden mindestens 20 Büros von politischen Parteien, Universitäten, Radiosendern, Gewerkschaften und Berufsverbänden mit Graffitis besprüht, in denen offen gedroht wurde. Gleichzeitig behauptete der Höchstrichter Tarek William Saab, dass die Behörden im Vorjahr angeblich fünf Attentatspläne gegen den Präsidenten vereiteln konnten.
„Für Wahlbetrug entschieden“
Auch eine systematische Einschüchterung werde sie nicht von ihrem Weg abbringen, erklärte die Kandidatin Maria Corina Machado nach ihrer Suspendierung. „Maduro und sein kriminelles System haben sich für den für sie schlimmsten Weg entschieden: den Weg des Wahlbetrugs“, schrieb Machado in einer in den sozialen Medien veröffentlichten Erklärung und versprach, weiter für freie Wahlen zu kämpfen.
Die Kaltstellung Machados bringt die Regierung Biden in die missliche Lage, entscheiden zu müssen, ob sie die Sanktionen gegen den Export von Öl, Gas und Gold, die sie zur Unterstützung freier und fairer Wahlen ausgesetzt hat, wieder einführen soll. Das venezolanische Vorgehen sei „unvereinbar mit der Zusage der Vertreter Maduros, im Jahr 2024 eine faire venezolanische Präsidentschaftswahl abzuhalten“, verbreitete der Sprecher des Außenministeriums Matthew Miller in einer vorsichtigen Erklärung.
Teurer Sprit für USA
Für die USA ist ein gewisses Auskommen mit Venezuela tatsächlich sehr wichtig – aus zwei Gründen: Zum einen ist das venezolanische Öl ein Teil einer in vielen Jahrzehnten gewachsenen Partnerschaft, deren anderer Teil an der US-Golfküste steht. In Louisiana und Texas arbeiten die Raffinerien, die speziell für die Aufbereitung des besonders schwefelhaltigen venezolanischen Petroleums gebaut wurden. Kein Land in der Welt verfügt über ähnlich passende Infrastruktur für Venezuela-Öl. Daher war die Öffnung des Trump-Embargos auch eine Hilfe für Biden in Zeiten unsicherer Treibstoffversorgung. Sollte Biden nun den Ölhahn wieder schließen müssen, könnte sich das auf die Spritpreise in den USA auswirken, was die Wähler im November ungut quittieren könnten.
Rückführung von Geflüchteten
Zudem braucht Biden den Kontakt zu Maduro auch für die erst begonnene systematische Rückführung von illegalen Einwanderern in die USA. Unter diesen stellen die Venezolaner mittlerweile die größte Gruppe. Biden will diesen Prozess im Hinblick auf die US-Wahlen gewiss nicht gefährden.
Maria Corina Machado sieht keinen Grund, ihre Kampagne zu stoppen. Sie kennt die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit Maduro, sie hat erlebt, dass alle Einschüchterungsversuche vor den Vorwahlen ihre Anhänger nicht stoppen konnten. Auf X schrieb Machado: „Es gibt keinen Zweifel. Wir werden weiter kämpfen. Bis zum bitteren Ende.“