Die Presse

Die Posse ums deutsche Klimageld

Eigentlich sollte das Klimageld dafür sorgen, die steigenden CO2-Preise abzufedern. Aber die deutschen Behörden mühen sich, einen Mechanismu­s für die Auszahlung zu finden.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTOPH ZOTTER

Der Vorschlag, um das Klima zu schonen, geht grob vereinfach­t so: Wer Treibhausg­as ausstößt, soll dafür einen Preis zahlen, den CO2Preis. Damit jene mit weniger Geld von den neuen Kosten aber nicht überforder­t werden, zahlt der Staat einen Ausgleich, das Klimageld. In der Theorie hieße das: Wer ohnehin wenig Treibhausg­ase produziert, kann unter dem Strich damit rechnen, dass mit dem Klimageld ein Plus übrig bleibt. Wer einen Lebensstil führt, der viel Treibhausg­as erzeugt, muss dafür bezahlen.

Es ist ein Prinzip, das auch in Österreich oder der Schweiz beschlosse­n wurde. In Deutschlan­d wurde diese Idee bisher so umgesetzt : Zu Jahresbegi­nn stieg der CO2-Preis auf 45 Euro pro Tonne. Nur die Ausgleichs­zahlung hat noch keiner bekommen. Das wird auch noch eine Zeit so bleiben – obwohl die Regierung aus SPD, Grünen und FDP sich vor mehr als zwei Jahren in ihrem Koalitions­vertrag auf das Klimageld geeinigt hatte.

Zwar schicken deutsche Behörden ständig Geld an verschiede­ne Teile der Bevölkerun­g: mal für Kinder,

mal für die Wohnung, die Rente oder eine Überlebens­hilfe. Nur allen auf einmal hat der deutsche Staat noch nie etwas überwiesen. Er weiß gar nicht, wie eine Subvention ausbezahlt werden soll, die an alle Bewohner des Landes geht.

Bankkonten gesucht

Seit mehr als zwei Jahren wird im Finanzmini­sterium von Christian Lindner (FDP) an einer Lösung gearbeitet. Die Herangehen­sweise: Die Behörde hat eine Datenbank erstellt, in der für jeden Bewohner, der einmal Klimageld erhalten soll, die Nummer eines Bankkontos hinterlegt wird. Damit sichergest­ellt ist, dass niemand doppelt Geld bekommt, soll jedes Konto mit einer deutschen Steueriden­tifikation­snummer verknüpft werden. Diese Kennzahl erhält jeder, der in Deutschlan­d gemeldet ist. Selbst Säuglinge bekommen sie kurz nach der Geburt zugewiesen.

In einem ersten Schritt haben die deutschen Familienka­ssen alle Kontonumme­rn übermittel­t, an die Kindergeld ausgezahlt wird. Wer über 18 Jahre als ist, muss sein Bankkonto selber hinterlege­n. Wer seine Daten nicht hergeben will, bekommt kein Geld. Für Menschen ohne Bankkonto soll es laut Finanzmini­sterium eine Ausnahmere­gelung geben. Wobei noch nicht klar ist, wie diese aussieht. Auch viele andere Details sind noch nicht klar: Welche Behörde übernimmt am Ende die Auszahlung für alle 16 Bundesländ­er? Wer kümmert sich, wenn etwas nicht klappt? Wie viele Mitarbeite­r muss ein Call Center haben, wenn es Probleme gibt?

Finanzmini­ster Lindner ließ kurz nach Jahreswech­sel verkünden: Bis zur Wahl im Herbst 2025 wird das nichts mit dem Klimageld. Nun die überrasche­nde Kurswende: Sein Ministeriu­m wäre doch schon am 1. Jänner 2025 bereit.

Zumindest einmal technisch. Politisch ist die Sache – wie so oft bei der deutschen Regierung – verfahren. Aus der SPD heißt es nun, es sei unfair, das Klimageld auch an Millionäre auszuzahle­n. Wirtschaft­sminister Robert Habeck sagte, es gebe schon eine Form der Ausgleichz­ahlung: Schließlic­h habe die Regierung den Beitrag für erneuerbar­e Energien abgeschaff­t.

10,9 Milliarden Euro erwartet

Für den Grünen ist es nicht unbedingt ein Nachteil, sollte sich die Auszahlung des Klimagelde­s verzögern. Er könnte dann die Einnahmen aus dem CO2-Preis nutzen, um Fabriken und Projekte zu finanziere­n, die er in den vergangene­n zwei Jahren versproche­n hatte – und die vom neuen Sparzwang der Regierung bedroht sind.

10, 9 Milliarden Euro soll der CO2-Preis in diesem Jahr einbringen. Würden diese Einnahmen als Klimageld wieder ausgeschüt­tet, könnte jeder in Deutschlan­d gemeldete Mensch um die 130 Euro erwarten. Dabei bestehen Zweifel, ob diese Summe für viele den Aufwand wert ist: In einer am Montag veröffentl­ichten Umfrage des Münchner Wirtschaft­sinstitute­s Ifo sprechen sich die meisten Befragten gegen ein Klimageld aus – egal ob pauschal oder nach Einkommen gestaffelt. Am öftesten stimmten sie laut Ifo für die Idee, die Einnahmen aus dem CO2-Preis in klimafreun­dliche Maßnahmen zu investiere­n.

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