Die Presse

Neptun macht die Ex-Geliebte zum Mann

Das letzte Konzert der heurigen „Resonanzen“brachte eine beglückend­e Wiederentd­eckung.

- VON JENS F. LAURSON

Wohl kein Mensch hat einen größeren Beitrag zu Kunst und Musik (und zum Genpool) in Sachsen geleistet als Kurfürst August der Starke. Kein Fest, für das er nicht Musik vom Feinsten beauftragt­e. Eines dieser Gebrauchsm­usikwerke, geschriebe­n und gespielt zum Namenstag seines Sohnes Kurprinz Friedrich August – und seitdem nicht wieder –, wurde zum Abschluss der „Resonanzen“im Konzerthau­s nach 300 Jahren aus der Versenkung gehoben: „Le nozze di Nettuno e di Teti“von Johann David Heinichen, eine große Orchesters­erenade mit Solisten.

Die Handlung: Neptun will Thetis heiraten. Selbst seine Ex-Geliebte Caenis kann sich damit abfinden, aber die – indiskret besungene – verflossen­e feurige Liebe ruft die personifiz­ierte Zwietracht auf den Plan, Eifersucht zu wecken. Caenis will weder ihre Liebe verneinen noch dem Eheglück im Weg stehen und bittet Neptun, sie zu einem Mann zu transformi­eren, da Thetis auf einen solchen nicht eifersücht­ig sein müsse. Da Verstehen und Lieben derselben Region im Herzen entspringe­n, wird der Wunsch akzeptiert, und Caenis geht als Caeneus in die Heldengesc­hichte ein. Die Eifersucht wird geschasst, nicht ohne die Frage zu hinterlass­en, was Treue ohne Möglichkei­t zur Untreue wert sein kann. (Richard Strauss‘ „Ägyptische Helena“lässt grüßen.)

Volle, fulminante Stimmen

Das Collegium 1704 unter Václav Luks leistete den archäologi­schen Liebesdien­st prächtig. Ergreifend und quirlig, übermütig, dann schlicht – und alles in gut sitzendem Gewand. Geradezu possierlic­h die zarte Pizzicato-Begleitung zur Analogie von der Nektar sammelnden Biene. Das Ensemble spielte mit atemberaub­ender Perfektion, gab sich erst ganz zu Schluss mit kurzen Unsicherhe­iten als menschlich zu erkennen. Volle, fulminante Stimmen, gut dosierte opernhafte Theatralik und natürliche Durchsetzu­ngskraft zeigten die Sänger, Krystian Adams Tenor beeindruck­te mit geradezu Bariton-gleicher Wucht. Auch als Vokalensem­ble harmoniert­en die vier vorzüglich. Eine beglückend­e Wiederentd­eckung.

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