Tiere leiden noch immer für unsere Schönheitsideale
Gastbeitrag. Auch nach 20 Jahren Tierschutzgesetz ist Qualzucht nicht verschwunden.
Vor 20 Jahren, im Jahr 2004, wurde in Österreich erstmals ein bundesweites Tierschutzgesetz beschlossen. Es brachte Änderungen mit sich, die europaweit durchaus Beachtung fanden, wie etwa das Verbot der Pelztierhaltung und der Käfighaltung von Legehennen. Auch ein Verbot der sogenannten Qualzucht war im Gesetz enthalten. Von Qualzucht spricht man dann, wenn für die Zucht einer Rasse optische Merkmale (wie z. B. besonders flache Nasen oder kurze Beine) wichtiger sind als die gesundheitliche Verfassung des Tiers und diese Merkmale dem Tier ein Leben lang Schmerzen und Qualen bereiten.
Sie hat viele Gesichter: Atemnot, Blindheit, Taubheit, Gelenksprobleme, Lahmheit, Epilepsie, Herzfehler, zu dünne Schädeldecke etc. Beispiele für betroffene Rassen sind u. a. Französische Bulldoggen, Möpse, Dackel, Chihuahuas sowie Perser-, Schottische Faltohr- oder Sphynx-Katzen. 20 Jahre nach diesem Verbot leiden unzählige Tiere mehr denn je an Qualzucht, und Halterinnen und Halter von Haustieren müssen immer noch Unsummen an Tierarztkosten bezahlen. Wie ist das zu erklären?
Ein österreichischer Murks
Man könnte die gesamte Gesetzgebung einen typisch österreichischen Murks nennen. Denn letztendlich kam es zur kompletten Verwässerung des Gesetzes. Das Verbot, Tiere so zu züchten, dass erbliche Leiden oder Schäden zu erwarten sind, wurde nämlich umgehend durch eine „Übergangsregelung“unwirksam gemacht. Demnach müssen Züchter lediglich dokumentieren, dass sie „durch züchterische Maßnahmen gesundheitliche Probleme der Nachkommen reduzieren und schlussendlich beseitigen“.
Die Frage ist: Wie soll das kontrolliert werden? Noch absurder aber ist: Diese Übergangsregelung wurde ohne Ablaufdatum beschlossen – ein echter Schildbürgerstreich.
Bereits im Dezember 2021 forderte der Nationalrat mit Dreiviertelmehrheit die Regierung auf, das Tierschutzgesetz zu novellieren, um das Qualzuchtverbot endlich wirksam werden zu lassen. Das wäre einfach: Es müsste nur die erwähnte Ausnahmeregelung gestrichen werden. Passiert ist aber nach wie vor nichts. Denn der legislative Prozess wird von der ÖVP blockiert – obwohl sie vor über zwei Jahren dafür gestimmt hat.
Es ist offensichtlich, dass hier Klientelpolitik auf Kosten der Tiere gemacht wird. Denn die Zuchtverbände, allen voran der Österreichische Kynologenverband (ÖKV), laufen gegen die Verbesserungen für die Tiere mit absurden Falschmeldungen Sturm, die nun auch von der ÖVP mitgetragen werden. Der ÖKV spricht sogar von einem „Haltungsverbot“. Diese Logik ist wahrlich kurios: Wenn der ÖKV keine Qualzucht mehr betreiben darf, können die Österreicher keine Hunde mehr halten?
Blockadehaltung unklug
Es ist unerträglich, dass Tiere für unsere Schönheitsideale ihr Leben lang leiden müssen. Der Trend zu Hunde- und Katzenrassen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist aber leider ungebrochen. Und neben den betroffenen Tieren werden auch die Halter von der Politik im Stich gelassen und müssen hohe Tierarztkosten tragen, die sie nicht selten überfordern. Die Situation ist also ernst, wenn nicht sogar dramatisch.
Die Blockadehaltung der ÖVP ist daher völlig unverständlich. Besonders schlau ist sie im Übrigen auch nicht: Einer aktuellen Onlineumfrage des Market-Instituts zufolge befürworten 83 Prozent der österreichischen Bevölkerung ein Verbot von Tierrassen, die von Qualzuchtmerkmalen betroffen sind. Auch das ist ein guter Grund, endlich Nägel mit Köpfen zu machen und 20 Jahre Stillstand zu beenden.