Vom Guerillakämpfer zum Premier
Mit Talat Xhaferi übernimmt erstmals ein Albaner das Premieramt im Vielvölkerstaat. Vor 23 Jahren kämpfte er noch für die Untergrundbewegung UÇK.
Der Rummel scheint Nordmazedoniens neuem Premier, Talat Xhaferi, eher lästig. Seine Regierung werde ihre Verpflichtungen zu erfüllen suchen, versicherte der 61Jährige nach seiner Vereidigung: Seine Priorität sei das „ordnungsgemäße und demokratische“Organisieren der nahenden Parlamentsund Präsidentenwahlen.
Auf 100 Tage ist die Amtszeit der von Regierungs- und Oppositionsparteien gebildeten Übergangsregierung begrenzt. Dennoch ist der Amtsantritt des Parteigängers der albanischen DUI-Partei für den EUAnwärter eine historische Zäsur. Noch 2001 hatte der blutige Aufstand albanischer Kämpfer den seit 1991 unabhängigen Balkanstaat monatelang am Rande eines Bürgerkriegs taumeln lassen. 23 Jahre später führt mit dem früheren Guerilla-Kämpfer Xhaferi erstmals ein Albaner die Regierungsgeschäfte.
1962 im Dorf Forino unweit von Tetovo geboren, hatte Xhaferi zu jugoslawischen Zeiten früh eine militärische Karriere eingeschlagen. Nach dem Besuch der Militärakademie in Belgrad hatte der Berufsoffizier bis 1991 zunächst in Jugoslawiens Volksarmee (JNA) gedient, danach in den neuen Streitkräften des damaligen Staatenneulings Mazedonien.
2001 schloss sich Xhaferi den albanischen Freischärlern der Nationalen Befreiungsarmee (UÇK) an: Als „Kommandant Forino“machte er sich beim Aufstand einen Namen. Nach dem Friedensabkommen von Ohrid im August 2001 schlug er eine politische Karriere ein und wurde bei den Wahlen 2002 für die DUI erstmals ins Parlament gewählt.
Als „Tabubrecher“würdigt die Agentur Balkan-Insight den Politikveteranen. Tatsächlich spielte der Ex-Offizier bei der Stabilisierung des Landes oft eine entscheidende Rolle. 2013 war es Xhaferi, der als erster Albaner trotz heftiger Proteste mazedonischer Nationalisten Verteidigungsminister wurde. Nach dem Sturz des autoritär gestrickten Premiers Nikola Gruevski durch den Koalitionswechsel der DUI war es wiederum Xhaferi, der 2017 als erster Albaner das Amt des Parlamentspräsidenten übernahm.
Seine unaufgeregte, etwas spröde Art machen Xhaferi zweifellos auch für den Job als Übergangspremier zur Vorbereitung der Wahlen geeignet. Die bereits 2020 beim Koalitionspoker mit der sozialdemokratischen SDSM vereinbarte Übernahme des 100-Tage-Postens hat für seine DUI allerdings nicht nur eine symbolische, sondern auch wahltaktische Bedeutung: Die größte Albanerpartei könnte damit bei der Wahl punkten.