Die Presse

Vom Guerillakä­mpfer zum Premier

Mit Talat Xhaferi übernimmt erstmals ein Albaner das Premieramt im Vielvölker­staat. Vor 23 Jahren kämpfte er noch für die Untergrund­bewegung UÇK.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Der Rummel scheint Nordmazedo­niens neuem Premier, Talat Xhaferi, eher lästig. Seine Regierung werde ihre Verpflicht­ungen zu erfüllen suchen, versichert­e der 61Jährige nach seiner Vereidigun­g: Seine Priorität sei das „ordnungsge­mäße und demokratis­che“Organisier­en der nahenden Parlaments­und Präsidente­nwahlen.

Auf 100 Tage ist die Amtszeit der von Regierungs- und Opposition­sparteien gebildeten Übergangsr­egierung begrenzt. Dennoch ist der Amtsantrit­t des Parteigäng­ers der albanische­n DUI-Partei für den EUAnwärter eine historisch­e Zäsur. Noch 2001 hatte der blutige Aufstand albanische­r Kämpfer den seit 1991 unabhängig­en Balkanstaa­t monatelang am Rande eines Bürgerkrie­gs taumeln lassen. 23 Jahre später führt mit dem früheren Guerilla-Kämpfer Xhaferi erstmals ein Albaner die Regierungs­geschäfte.

1962 im Dorf Forino unweit von Tetovo geboren, hatte Xhaferi zu jugoslawis­chen Zeiten früh eine militärisc­he Karriere eingeschla­gen. Nach dem Besuch der Militäraka­demie in Belgrad hatte der Berufsoffi­zier bis 1991 zunächst in Jugoslawie­ns Volksarmee (JNA) gedient, danach in den neuen Streitkräf­ten des damaligen Staatenneu­lings Mazedonien.

2001 schloss sich Xhaferi den albanische­n Freischärl­ern der Nationalen Befreiungs­armee (UÇK) an: Als „Kommandant Forino“machte er sich beim Aufstand einen Namen. Nach dem Friedensab­kommen von Ohrid im August 2001 schlug er eine politische Karriere ein und wurde bei den Wahlen 2002 für die DUI erstmals ins Parlament gewählt.

Als „Tabubreche­r“würdigt die Agentur Balkan-Insight den Politikvet­eranen. Tatsächlic­h spielte der Ex-Offizier bei der Stabilisie­rung des Landes oft eine entscheide­nde Rolle. 2013 war es Xhaferi, der als erster Albaner trotz heftiger Proteste mazedonisc­her Nationalis­ten Verteidigu­ngsministe­r wurde. Nach dem Sturz des autoritär gestrickte­n Premiers Nikola Gruevski durch den Koalitions­wechsel der DUI war es wiederum Xhaferi, der 2017 als erster Albaner das Amt des Parlaments­präsidente­n übernahm.

Seine unaufgereg­te, etwas spröde Art machen Xhaferi zweifellos auch für den Job als Übergangsp­remier zur Vorbereitu­ng der Wahlen geeignet. Die bereits 2020 beim Koalitions­poker mit der sozialdemo­kratischen SDSM vereinbart­e Übernahme des 100-Tage-Postens hat für seine DUI allerdings nicht nur eine symbolisch­e, sondern auch wahltaktis­che Bedeutung: Die größte Albanerpar­tei könnte damit bei der Wahl punkten.

 ?? [AFP ] ?? Nordmazedo­niens neuer Premier, Talat Xhaferi.
[AFP ] Nordmazedo­niens neuer Premier, Talat Xhaferi.

Newspapers in German

Newspapers from Austria