Große Skepsis gegenüber Generika
Nicht originale Präparate haben unter Ärzten und Pflegekräften einen erstaunlich schlechten Ruf – eine Folge von eklatanten Wissenslücken.
Wien. Generika und Biosimilars genießen beim Gesundheitspersonal noch immer nicht den Ruf, den sie verdienen. Das ist das Ergebnis einer Studie der Medizinischen Universität Wien, die vor Kurzem im renommierten „European Journal of Clinical Pharmacology“veröffentlicht wurde und beachtliche Wissenslücken offenlegt.
Generika sind Arzneimittel, die nach Ablauf des Patentschutzes für ein Originalmedikament hergestellt werden dürfen. Sie enthalten den gleichen Hauptwirkstoff wie das Original und gleichen diesen somit hinsichtlich Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit. Unterschiede kann es allenfalls bei der Verträglichkeit geben, denn bei den Hilfsstoffen und beim Herstellungsverfahren sind Unterschiede sehr wohl möglich. Generika werden auf dem Markt zu einem günstigeren Preis angeboten, da weniger Forschungs- und Entwicklungskosten anfallen.
Biosimilars wiederum sind biologische (im Unterschied zu chemisch-synthetischen) Arzneimittel, die zwar ähnlich, aber nicht identisch mit einem bereits zugelassenen anderen biologischen Medikament (Referenzprodukt) sind. Auch sie werden hergestellt, wenn der Patentschutz für ein biologisches Arzneimittel ausläuft. Biosimilars müssen nachweisen, dass sie ähnliche Eigenschaften in ihrer Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität wie das Referenzprodukt besitzen, aber aufgrund ihrer komplexen Struktur und Herstellung nicht identisch sind. Auch sie sind günstiger als die Originale.
Wahrnehmung und Wissen
Sowohl Generika als auch Biosimilars haben in den vergangenen Jahrzehnten wegen der steigenden Therapiekosten an Bedeutung gewonnen. Aber obwohl aus zahlreichen internationalen Studien hervorgeht, dass sie den Originalen bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit ebenbürtig sind, stehen ihnen Ärzte und Pflegekräfte nach wie vor zurückhaltend gegenüber. Das belegt auch eine neue Umfrage in Gesundheitseinrichtungen in Wien.
Untersucht wurden Wahrnehmung und Wissen zu Generika und Biosimilars. Die Ergebnisse zeigen, dass nur 63 Prozent der 593 Teilnehmer von der klinischen Gleichwertigkeit der generischen bzw. biosimilaren Präparate und der Originalmedikamente überzeugt sind. Bei Wissensfragen zu Generika wurden im Schnitt 1,6 von vier (bewusst von leicht bis schwer abgestuften) Fragen richtig beantwortet, während es bei Biosimilars sogar nur 0,87 von vier Fragen waren. „Die Ergebnisse spiegeln frühere Umfragen wider und zeigen, dass ein bestimmter Teil des Gesundheitspersonals weiterhin skeptisch gegenüber Generika und Biosimilars ist. Eine noch bessere Schulung könnte zu einer größeren Akzeptanz dieser Arzneimittel beitragen“, sagt der klinische Pharmakologe Markus Zeitlinger, der die Befragung zusammen mit seinem Kollegen Lukas Binder durchgeführt hat. Die Studie unterstreiche die Bedeutung einer fundierten Aufklärung und Weiterbildung des medizinischen Personals, um die Akzeptanz von Generika und Biosimilars zu fördern und letztlich die Therapieoptionen für Patienten zu optimieren.
Die Beseitigung von Wissenslücken sei nämlich auch insofern wichtig, als die Gefahr bestehe, dass unsicheres Gesundheitspersonal seine Unsicherheit an seine Patienten weitergibt. Mit der Folge, dass diese die verschriebenen Medikamente zum einen nicht konsequent einnehmen und zum anderen von ihrer Wirksamkeit nicht restlos überzeugt sind. „Also das Gefühl haben, eine zweitklassige Therapie zu bekommen“, sagt Zeitlinger. Was definitiv nicht der Fall sei.
Denn: Bei einem Arzneimittel komme es im Wesentlichen auf drei Dinge an: Wie schnell erreicht ein Medikament, das etwa durch eine Tablette verabreicht wurde, die Blutbahn? Wie hoch ist die Konzentration des Wirkstoffs, wenn er die Blutbahn erreicht? Und in welchem Zeitraum nimmt die Konzentration ab? Wobei der erste Punkt bei intravenös verabreichten Medikamenten obsolet ist, sie erreichen ja die Blutbahn auf direktem Weg und nicht über den Umweg des Magens. „Sind diese drei Kriterien bei Medikamenten identisch, bleibt nicht mehr viel übrig, das einen Unterschied ausmachen könnte“, sagt Zeitlinger. Was theoretisch denkbar sei: Enthalten die besagten Hilfsstoffe beispielsweise bestimmte Zuckermoleküle oder andere Stoffe, auf die jemand allergisch reagiert, kann sich die Einnahme auf die Verträglichkeit auswirken. Nicht aber auf die Wirksamkeit und Sicherheit.