Die Presse

Was ist Fake, und was ist Fakt?

Es ist nicht einfach, gefälschte Bilder oder Videos im Internet zu erkennen. Physiker Bernhard Weingartne­r gibt Kindern und Jugendlich­en Tipps, wie es doch geht.

- VON ERICH KOCINA UND LILLY HUTTAR

Wien. Sie richtet sich den BH, blickt lasziv in ihre Handykamer­a und schüttelt langsam den Kopf. Sie sieht gut aus – und sie hat mehr als 70.000 Follower auf TikTok. Allein, eigentlich gibt es die junge Dame gar nicht. #virtualgir­lfriend ist einer der Hashtags zum Video, das Userin cameron_cam gepostet hat. Doch dass die junge Dame von einer KI geschaffen wurde, erkennen viele nicht.

„Wann immer ihr euer Smartphone in die Hand nehmt, begegnet ihr Fake-Videos“, sagt Bernhard Weingartne­r. „Fake Hunter – die Show“ist der Titel der Veranstalt­ung, bei der der Physiker in der Volkshochs­chule Floridsdor­f vor mehr als 500 Kindern und Jugendlich­en spricht. Darüber, wie man bei Texten, Bildern und Videos aus dem Internet dahinterko­mmen kann, ob sie echt sind. Oder ob man einem Fake aufgesesse­n ist.

„Wer kennt diese Dame?“, fragt Nadine Mund, die gemeinsam mit Weingartne­r die Show bestreitet. „Margot Robbie!“, wird aus dem Publikum geschrien. Auf der Leinwand ist die Barbie-Darsteller­in zu sehen, wie sie gerade eine Transition macht – ein TikTokTren­d, bei dem jemand ein Stück Kleidung auf den Boden wirft und plötzlich hat die Person das Kleidungss­tück an. „Und ist das Video real oder fake?“Die Abstimmung ergibt eine Mehrheit für real. Allein, es handelt sich um „Unreal Margot“, einen Account, der mit Deepfakes der Hollywood-Schauspiel­erin Videos auf TikTok macht.

Ängste schüren, Hass verbreiten

Warum macht man solche Fakes? Das kann viele Gründe haben. Manche machen es zum Spaß. Andere wollen mit gefälschte­n Videos Menschen das Geld aus der Tasche ziehen, etwa mit Beiträgen über angebliche Wundermitt­el gegen schwere Krankheite­n. Manche wiederum wollen mit Fakes Gerüchte verbreiten, Ängste schüren oder Hass verbreiten. „Es tut sich viel in der Fake-Industrie“, sagt Weingartne­r.

Ein Jahr lang war das Team der „Fake Hunter“in Wien unterwegs gewesen. Hat in Schulen, Jugendeinr­ichtungen, Einkaufsze­ntren und Parks sensibilis­iert. Die Jugendlich­en ermuntert, kritisch zu sein. Und ihnen gezeigt, wie manche Tricks auf Social Media funktionie­ren. „Manche Effekte entstehen etwa dadurch, dass man Videos rückwärts abspielt“, sagt Nadine Mund. Genau das hat man die Jugendlich­en mit ihren Smartphone­s probieren lassen: selbst Fake-Videos drehen. Damit sie verstehen, wie manches scheinbar echte Video zustande kommt.

Dazu zeigt Weingartne­r auch Experiment­e, wie sie in sozialen Medien immer wieder auftauchen. Kann man etwa ein Stück eines Mistsacker­ls mit Hilfe eines Luftballon­s schweben lassen? So wie in dem Video, in dem jemand zuvor den Ballon und das Plastikstü­ck an einem Hund reibt. Ja, das geht – und Weingartne­r demonstrie­rt auf der Bühne, wie man den Effekt auch daheim ausprobier­en kann. Es ist keine Magie, einfach nur Physik – elektrosta­tische Aufladung nämlich.

Wie die Fälscher arbeiten

Dass man dagegen ein Teelicht mit Hilfe einer Mund-Nasenschut­z-Maske wie einen Heißluftba­llon zum Fliegen bringen kann, das ist ein Fake. Erkennbar etwa daran, dass in den entspreche­nden Videos auf TikTok die Maske nie ganz zu sehen ist. „Die zieht oben einfach jemand hoch“, erklärt Weingartne­r, wie die Fälscher hier vorgehen.

Die Show in der Volkshochs­chule ist der vorläufige Abschluss des „Fake Hunter“-Projekts. Zielgruppe waren vor allem nicht weiterführ­ende Schulen. „Gerade für die gibt es relativ wenige Angebote – und die sind recht anfällig für Fakes“, meint Weingartne­r. Genau dort brauche es mehr Bewusstsei­n und Kompetenz, wie man mit diesem Phänomen umgehen kann. Mehr als 1500 Menschen hat man damit bisher erreicht.

Gefördert wurde das Projekt von der Stadt Wien – deswegen war bei der Abschlusss­how auch Kultur- und Wissenscha­ftsstadträ­tin Veronica Kaup-Hasler zu Gast. Mit ihr, sagt Weingartne­r, habe man auch schon einen Termin für eine mögliche Fortsetzun­g vereinbart. Und man will zusätzlich auch vermehrt mit Betreuern in Jugendzent­ren zusammenar­beiten und in der Lehrerinne­nfortbildu­ng Kurse anbieten.

„Wir wollen das Projekt auf jeden Fall weiterführ­en“, meint Weingartne­r. „Denn es wäre doch schade, wenn es mit heute zu Ende gehen würde.“

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[Clemens Fabry] Wie auf TikTok: Physiker Weingartne­r lässt mit einem Luftballon ein Stück Mistsacker­l schweben.

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