Was ist Fake, und was ist Fakt?
Es ist nicht einfach, gefälschte Bilder oder Videos im Internet zu erkennen. Physiker Bernhard Weingartner gibt Kindern und Jugendlichen Tipps, wie es doch geht.
Wien. Sie richtet sich den BH, blickt lasziv in ihre Handykamera und schüttelt langsam den Kopf. Sie sieht gut aus – und sie hat mehr als 70.000 Follower auf TikTok. Allein, eigentlich gibt es die junge Dame gar nicht. #virtualgirlfriend ist einer der Hashtags zum Video, das Userin cameron_cam gepostet hat. Doch dass die junge Dame von einer KI geschaffen wurde, erkennen viele nicht.
„Wann immer ihr euer Smartphone in die Hand nehmt, begegnet ihr Fake-Videos“, sagt Bernhard Weingartner. „Fake Hunter – die Show“ist der Titel der Veranstaltung, bei der der Physiker in der Volkshochschule Floridsdorf vor mehr als 500 Kindern und Jugendlichen spricht. Darüber, wie man bei Texten, Bildern und Videos aus dem Internet dahinterkommen kann, ob sie echt sind. Oder ob man einem Fake aufgesessen ist.
„Wer kennt diese Dame?“, fragt Nadine Mund, die gemeinsam mit Weingartner die Show bestreitet. „Margot Robbie!“, wird aus dem Publikum geschrien. Auf der Leinwand ist die Barbie-Darstellerin zu sehen, wie sie gerade eine Transition macht – ein TikTokTrend, bei dem jemand ein Stück Kleidung auf den Boden wirft und plötzlich hat die Person das Kleidungsstück an. „Und ist das Video real oder fake?“Die Abstimmung ergibt eine Mehrheit für real. Allein, es handelt sich um „Unreal Margot“, einen Account, der mit Deepfakes der Hollywood-Schauspielerin Videos auf TikTok macht.
Ängste schüren, Hass verbreiten
Warum macht man solche Fakes? Das kann viele Gründe haben. Manche machen es zum Spaß. Andere wollen mit gefälschten Videos Menschen das Geld aus der Tasche ziehen, etwa mit Beiträgen über angebliche Wundermittel gegen schwere Krankheiten. Manche wiederum wollen mit Fakes Gerüchte verbreiten, Ängste schüren oder Hass verbreiten. „Es tut sich viel in der Fake-Industrie“, sagt Weingartner.
Ein Jahr lang war das Team der „Fake Hunter“in Wien unterwegs gewesen. Hat in Schulen, Jugendeinrichtungen, Einkaufszentren und Parks sensibilisiert. Die Jugendlichen ermuntert, kritisch zu sein. Und ihnen gezeigt, wie manche Tricks auf Social Media funktionieren. „Manche Effekte entstehen etwa dadurch, dass man Videos rückwärts abspielt“, sagt Nadine Mund. Genau das hat man die Jugendlichen mit ihren Smartphones probieren lassen: selbst Fake-Videos drehen. Damit sie verstehen, wie manches scheinbar echte Video zustande kommt.
Dazu zeigt Weingartner auch Experimente, wie sie in sozialen Medien immer wieder auftauchen. Kann man etwa ein Stück eines Mistsackerls mit Hilfe eines Luftballons schweben lassen? So wie in dem Video, in dem jemand zuvor den Ballon und das Plastikstück an einem Hund reibt. Ja, das geht – und Weingartner demonstriert auf der Bühne, wie man den Effekt auch daheim ausprobieren kann. Es ist keine Magie, einfach nur Physik – elektrostatische Aufladung nämlich.
Wie die Fälscher arbeiten
Dass man dagegen ein Teelicht mit Hilfe einer Mund-Nasenschutz-Maske wie einen Heißluftballon zum Fliegen bringen kann, das ist ein Fake. Erkennbar etwa daran, dass in den entsprechenden Videos auf TikTok die Maske nie ganz zu sehen ist. „Die zieht oben einfach jemand hoch“, erklärt Weingartner, wie die Fälscher hier vorgehen.
Die Show in der Volkshochschule ist der vorläufige Abschluss des „Fake Hunter“-Projekts. Zielgruppe waren vor allem nicht weiterführende Schulen. „Gerade für die gibt es relativ wenige Angebote – und die sind recht anfällig für Fakes“, meint Weingartner. Genau dort brauche es mehr Bewusstsein und Kompetenz, wie man mit diesem Phänomen umgehen kann. Mehr als 1500 Menschen hat man damit bisher erreicht.
Gefördert wurde das Projekt von der Stadt Wien – deswegen war bei der Abschlussshow auch Kultur- und Wissenschaftsstadträtin Veronica Kaup-Hasler zu Gast. Mit ihr, sagt Weingartner, habe man auch schon einen Termin für eine mögliche Fortsetzung vereinbart. Und man will zusätzlich auch vermehrt mit Betreuern in Jugendzentren zusammenarbeiten und in der Lehrerinnenfortbildung Kurse anbieten.
„Wir wollen das Projekt auf jeden Fall weiterführen“, meint Weingartner. „Denn es wäre doch schade, wenn es mit heute zu Ende gehen würde.“