Wo die Inflation mit anderem Warenkorb läge
Gastronomie und Hotels haben im Tourismusland Österreich vergleichsweise großes Gewicht im Warenkorb. Das erklärt aber nicht die im Eurovergleich höhere Inflation.
Die Europäische Zentralbank (EZB) zögert ein bisschen mit der Zinswende. Zu groß sind die geopolitischen Unsicherheiten im Roten Meer, der für Europa wichtigsten Seehandelsroute. Dazu kommen auch noch steigende Löhne in mehreren Eurostaaten, die potenziell Inflationsdruck erzeugen könnten. Den Leitzins beließ die EZB letztens vorerst unverändert bei 4,5 Prozent, obwohl die Inflation im Euroraum am Abflauen ist.
Wobei die Zinsen für Österreich immer noch zu niedrig sind. Die Währungshüter schauen nicht auf einzelne Länder, sondern auf den Schnitt der Eurozone. Und so kommt es, dass der Leitzins für manche Länder zu hoch, für andere – darunter Österreich – aber zu niedrig sein kann. Bei einer Inflation von 7,8 Prozent sind die realen Zinsen hierzulande jedenfalls nach wie vor negativ und Geldpolitik damit expansiv – sie erzeugen Inflationsdruck.
Eine viel diskutierte Frage ist, weshalb Österreichs Inflation merkbar über dem Wert für die Eurozone liegt. Und eine viel bemühte Antwort lautet, dass Tourismusländer wie Österreich grundsätzlich eine höhere Inflation aufweisen, weil die stark teurer gewordenen Hotels und Restaurants ein größeres Gewicht im Warenkorb haben. Tatsächlich fallen Gastronomie und Hotellerie hierzulande bei der Inflationsberechnung mit mehr als fünf Prozentpunkten stärker ins Gewicht als im Durchschnitt der Eurozone.
Das erklärt aber trotzdem nicht die erhöhte Inflation, wie eine Auswertung der wirtschaftsliberalen Agenda Austria zeigt.
Die Inflation bleibt hoch
Die Experten der Denkfabrik haben ausgerechnet, wie hoch die Inflationsrate in Österreich mit einem anderen Warenkorb gewesen wäre. Und egal, ob etwa der Warenkorb Lettlands, jener der Eurozone oder etwa jener Deutschlands herangezogen wird: Die für Österreich errechnete Inflation bleibt im Vergleich mit dem Euroraum erhöht.
Mit dem slowakischen Warenkorb läge sie sogar deutlich über den 7,8 Prozent von 2023, am niedrigsten läge sie mit dem luxemburgischen Warenkorb – mit 7,3 Prozent.
Trotzdem erklären Hotellerie und Gastronomie 1,5 Prozentpunkte der heimischen Inflation und 0,9 Prozentpunkte des Differenzials zur Eurozone. Aber nicht wegen des Gewichts im Warenkorb, wie Jan Kluge von der Agenda Austria im Gespräch mit der „Presse“erklärt. Vielmehr haben die Preise in diesem Sektor stärker angezogen als in anderen Ländern.
Gewicht fällt nicht ins Gewicht
Dass ein veränderter Warenkorb kaum Auswirkungen auf die Inflation hätte, liegt daran, dass ein geringeres Gewicht von Hotels und Gasthäusern mit einem höheren Gewicht von Lebensmitteln einhergeht. Und weil die Lebensmittelpreise ähnlich stark angestiegen sind, bleibt die Inflation in Österreich auch mit dem Warenkorb anderer EU-Länder erhöht.
Umgekehrt ergäbe auch der österreichische Warenkorb in anderen Ländern nur in wenigen Fällen nennenswerte Unterschiede in den
Teuerungsraten. Die Slowakei käme etwa auf eine 1,2 Prozentpunkte niedrigere Inflation, jeweils um einen Prozentpunkt geringer fiele die Inflation in Spanien und Griechenland aus. Belgien wiederum hätte mit dem österreichischen Warenkorb eine um 1,1 Prozentpunkte höhere Teuerungsrate.
Österreichs Inflation ist anders
Dass sich Hotels und Gasthäuser stärker verteuert haben als anderswo in Europa, hat laut Kluge mehrere Gründe. So sei der Wintertourismus vergleichsweise energieintensiv, weil die Gäste warmgehalten werden wollen. Das kostet in Zeiten teurer Energie. Zudem sei der Arbeitskräftemangel im Dienstleistungssektor hierzulande besonders eklatant, was Arbeit verteuert.
Weil der Tourismus kapitalintensiv ist, sind auch die gestiegenen
Zinsen Kostentreiber. Zudem haben, so Kluge, Hilfsprogramme in ganz Europa dazu beigetragen, dass sich Preissteigerungen gegenüber den Touristen auch durchsetzen lassen.
Preistreiber Nummer eins war in Österreich 2023 allerdings die Ausgabengruppe „Wohnung, Wasser, Energie“, also alles, was mit Wohnen zu tun hat. Die Teuerung lag in dieser Gruppe bei knapp mehr als elf Prozent, ihr Beitrag zur Inflation betrug 2,18 Prozentpunkte. Haushaltsenergie und Mieten erklären einen größeren Teil des Abstands zur Eurozone als die Touristik. Und was ist mit den generösen Staatshilfen?
Der Staat als Preistreiber
Auch die These, dass die öffentliche Hand mit ihren Corona- und Teuerungshilfen die Inflation zusätzlich angefacht hat, überprüfen die Experten der Agenda Austria in ihrer Analyse.
Dabei verweisen sie auf ein Papier zweier Ökonomen vom Internationalen Währungsfonds (IWF), das einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Staatsausgaben und steigenden Preisen belegt. Auch wenn sich der genaue Beitrag zum Teuerungsgeschehen schwerlich quantifizieren lässt, war es laut Kluge fatal, dass Österreich „gerade in der Coronakrise überzogen hat“.
Laut einer Wifo-Analyse machten Nachfrageschocks im Jahr 2020 etwa mehr als einen halben Prozentpunkt der Inflation in Österreich aus. Gemessen an der mit 1,4 Prozent niedrigen Inflation im ersten Coronajahr ist das ein beträchtlicher Anteil.
Risiko für den Standort
Vor dem Hintergrund, dass die Zinspolitik der EZB für Österreich auch aktuell expansiv ist und dass eine Nationalratswahl bevorsteht, warnt Kluge vor teuren Wahlgeschenken. Es bestehe die Gefahr, dass sich der Preisauftrieb festsetzt. Zwar könne man mit Pensions- und Lohnsteigerungen gegensteuern und die Kaufkraft erhalten, aber auf Dauer wäre das fatal für den Standort.
Denn je höher die Lohnstückkosten im Vergleich zum Ausland, desto größer der Preisnachteil gegenüber Unternehmen, die ihren Sitz in Ländern mit billigerer Arbeitskraft haben. Überhaupt seien der Verzicht auf überbordende Ausgaben sowie eine Reduktion der Arbeitskosten zwei preisdämpfende Maßnahmen, die die Regierung auch kurzfristig setzen könnte.