Das Gas und die transatlantische Freundschaft
Die USA bremsen ihre Gasexporte, aber Europa schläft energiepolitisch weiter.
Bis zu 80 Prozent des heimischen Gasimports kommen zwei Jahre nach dem russischen Überfall auf die Ukraine immer noch aus Russland. Das mag ökonomisch sinnvoll sein, ist aus Sicht der zivilen Landesverteidigung aber ziemlich fahrlässig.
Wie die Deutschen massiv auf verflüssigtes Erdgas (LNG) aus den USA auszuweichen, ist freilich auch keine übertrieben brillante Idee. Der nette ältere Herr im Weißen Haus hat nämlich soeben die Ausweitung der LNG-Exportlizenzen gestoppt. Joe Biden hat das mit „Klimaschutz“begründet. Ja, eh, glauben wir aufs Wort! Wir haben allerdings auch gehört, man werde ebenso die ökonomischen Aspekte evaluieren.
Und damit wird ein Schuh draus: Die USA befinden sich in einem Präsidentschaftswahlkampf, in dem Inflation und damit die Energiepreise ein nicht unwesentliches Thema sein werden. Die LNG-Preise sind im Vorjahr zwar deutlich gefallen, aber sie beginnen wieder anzuziehen.
Schuld daran ist die exorbitant gestiegene Nachfrage aus Europa. Das bringt auch die US-Inlandspreise unter Druck. Und das ist so ziemlich das Letzte, was Joe Biden im Wahlkampf brauchen kann.
Aus europäischer Sicht ist das bedauerlich, denn man hat sich von einer Abhängigkeit in die andere begeben und muss jetzt feststellen, dass transatlantische Freundschaft dort endet, wo die eigenen Interessen betroffen sind.
Europa wird seinen Energiebedarf aus eigenen Quellen nicht decken können. Aber es sollte zumindest versuchen, die Abhängigkeit zu verringern. Deutschland und Österreich verfügen über beträchtliche Gasreserven. Die man allerdings nur per Fracking heben kann. Und das geht nun einmal gar nicht. Da kauft man lieber in großem Stil amerikanisches FrackingGas. Sollen doch die mit dem Dreck zurande kommen, nicht wahr?
Das nennt man hier nicht Chuzpe, sondern Energiepolitik. Wir können wetten, dass man die eigenen Reserven trotz eines in Österreich entwickelten schonenden Verfahrens im Boden liegen lässt – und bei Ausbleiben der Importe jammert, wie ungerecht die Welt ist.