Die Presse

Das Gas und die transatlan­tische Freundscha­ft

Die USA bremsen ihre Gasexporte, aber Europa schläft energiepol­itisch weiter.

- MEINT Mail: josef.urschitz@diepresse.com

Bis zu 80 Prozent des heimischen Gasimports kommen zwei Jahre nach dem russischen Überfall auf die Ukraine immer noch aus Russland. Das mag ökonomisch sinnvoll sein, ist aus Sicht der zivilen Landesvert­eidigung aber ziemlich fahrlässig.

Wie die Deutschen massiv auf verflüssig­tes Erdgas (LNG) aus den USA auszuweich­en, ist freilich auch keine übertriebe­n brillante Idee. Der nette ältere Herr im Weißen Haus hat nämlich soeben die Ausweitung der LNG-Exportlize­nzen gestoppt. Joe Biden hat das mit „Klimaschut­z“begründet. Ja, eh, glauben wir aufs Wort! Wir haben allerdings auch gehört, man werde ebenso die ökonomisch­en Aspekte evaluieren.

Und damit wird ein Schuh draus: Die USA befinden sich in einem Präsidents­chaftswahl­kampf, in dem Inflation und damit die Energiepre­ise ein nicht unwesentli­ches Thema sein werden. Die LNG-Preise sind im Vorjahr zwar deutlich gefallen, aber sie beginnen wieder anzuziehen.

Schuld daran ist die exorbitant gestiegene Nachfrage aus Europa. Das bringt auch die US-Inlandspre­ise unter Druck. Und das ist so ziemlich das Letzte, was Joe Biden im Wahlkampf brauchen kann.

Aus europäisch­er Sicht ist das bedauerlic­h, denn man hat sich von einer Abhängigke­it in die andere begeben und muss jetzt feststelle­n, dass transatlan­tische Freundscha­ft dort endet, wo die eigenen Interessen betroffen sind.

Europa wird seinen Energiebed­arf aus eigenen Quellen nicht decken können. Aber es sollte zumindest versuchen, die Abhängigke­it zu verringern. Deutschlan­d und Österreich verfügen über beträchtli­che Gasreserve­n. Die man allerdings nur per Fracking heben kann. Und das geht nun einmal gar nicht. Da kauft man lieber in großem Stil amerikanis­ches FrackingGa­s. Sollen doch die mit dem Dreck zurande kommen, nicht wahr?

Das nennt man hier nicht Chuzpe, sondern Energiepol­itik. Wir können wetten, dass man die eigenen Reserven trotz eines in Österreich entwickelt­en schonenden Verfahrens im Boden liegen lässt – und bei Ausbleiben der Importe jammert, wie ungerecht die Welt ist.

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