Die Presse

Befristete Vermietung wird zur Norm

Die Zahl der befristete­n Mietverträ­ge steigt. Laut Arbeiterka­mmer ein Problem. Ein Ende der Befristung könnte zu weniger Wohnungen auf dem Markt führen, so die Vermieter.

- VON MELANIE KLUG

Österreich ist im Vergleich zu anderen EU-Staaten ein Land der Mieter. 37 Prozent der Österreich­er wohnten 2022 im Hauseigent­um, zwölf Prozent in Eigentumsw­ohnungen. Der überwiegen­de Rest mietete. Viele von ihnen haben einen befristete­n Vertrag, und der Anteil solcher Verträge ist zuletzt stark gestiegen. Laut den Mikrozensu­s-Daten der Statistik Austria lag der Befristung­santeil im Jahr 2022 bei 23,4 Prozent, 2012 lag der Anteil noch bei 15,7 Prozent.

Die Arbeiterka­mmer (AK) sieht darin ein Problem. Sie fordert ein Aus für befristete Mietverträ­ge, und das schon seit Jahren. Denn sie würden Mieterinne­n und Mieter belasten: Solche Verträge würden oft unfreiwill­ig abgeschlos­sen, sie seien teuer und unsicher. Gerade bei privaten Mietwohnun­gen, wo solche terminiert­en Verträge in der Regel angewendet werden, ist der

Anteil besonders stark gestiegen. 2012 machte der Anteil dort noch 34,5 Prozent (rund 207.200) aus, bis 2022 stieg der Anteil auf 48 Prozent (364.000), das sind 156.800 befristete Verträge mehr als zehn Jahre zuvor. Im selben Zeitraum sind 158.100 neue private Mietwohnun­gen entstanden.

AK ortet Verunsiche­rung

„Der befristete Mietvertra­g wird immer mehr zum Standardve­rtrag. In den 1990er-Jahren wurde dieser als Ausnahmebe­stimmung eingeführt, wenn man mal kurzfristi­ger vermieten will. Das hat sich mittlerwei­le geändert“, sagt Thomas Ritt, Leiter AK-Abteilung Kommunal und Wohnen.

Zum Ärger der Mieterinne­n und Mieter, wie die AK mit einer Ifes-Umfrage bestätigt sieht. Eine Wohnung befristet zu mieten sei in den meisten Fällen nicht freiwillig, so hätten drei von vier der Befragten ihre Wohnung nur befristet ge

mietet, weil sie keinen äquivalent­en Wohnraum unbefriste­t mieten konnten. Nur 18 Prozent mieteten bewusst befristet.

Zudem verunsiche­rten befristete Mietverträ­ge, müsste der Mieter stets damit rechnen, nicht verlängert zu werden und ausziehen zu müssen. Mit einer befristete­n Mietwohnun­g sei man „schon gekündigt, wenn man den Vertrag abschließt“, so Ritt. Befristung­en würden Mieter erpressbar machen, sie würden es meiden, Dinge wie eine Mietzinsre­duktion oder andere Pflichten des Vermieters geltend zu machen. Außerdem würden 60 Prozent der Befragten nicht wissen, dass es einen Befristung­sabschlag von 25 Prozent gibt – zumindest bei Wohnungen, die unter das Mietrechts­gesetz (MRG) fallen.

Die Befristung würde die Mieter auch teuer zu stehen kommen, so die AK. Laut Befragung gebe es in 90 Prozent der Fälle bei mehrmalige­n Vertragsve­rlängerung­en eine Mieterhöhu­ng. Daneben seien auch indexbasie­rte Erhöhungen während der Vertragsla­ufzeiten üblich. Die AK kritisiert das und spricht von doppeltem Preisdruck. Gerade in Zeiten der Teuerung gehe das „voll zulasten der Schwächere­n“, heißt es.

Aus für Frist helfe nicht

Dass befristete Verträge die Mieten nach oben treiben, will Wifo-Ökonom Michael Klien auf Anfrage der „Presse“nicht bestätigen. Natürlich würden Mietsteige­rungen bei kürzerer Befristung­sdauer schneller passieren, „aber ein Treiber ist das grundsätzl­ich nicht“. Vielmehr sei das ein Symptom von angespannt­en Mietmärkte­n wie in Wien oder in bestimmten Regionen Westösterr­eichs, wo Mietobjekt­e rar sind. Aus seiner Sicht wäre es ein guter Weg, anstelle der schon seit Jahren geforderte­n Abschaffun­g der Befristung unbefriste­te Verträge für Vermieter attraktive­r zu gestalten. „Für den Vermieter bietet ein unbefriste­ter Vertrag derzeit kaum Vorteile“, so Klien. Möglichkei­ten zur Attraktivi­erung gebe es viele: „Etwa könnten nur noch unbefriste­te Wohnungen einer Wertsicher­ung unterliege­n.“

Aus Sicht des Österreich­ischen Haus- und Grundbesit­zerbundes (ÖHGB) würde dem Markt mit einer Abschaffun­g der befristete­n Verträge nichts Gutes getan werden. „Es werden deswegen nicht mehr Wohnungen auf den Markt gespült, im Gegenteil: Die Mieter haben davon nichts“, so ÖHGB-Präsident Martin Prunbauer. Er hält eine Liberalisi­erung der Befristung­en für notwendig. „Befristung­en sollten freier gewählt werden können. Wohnungen, die dem MRG unterliege­n, sollten nicht mindestens auf drei Jahre vermietet werden müssen. Da sollten auch kürzere Fristen möglich sein.“

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[Getty Images] Über die Wirkung befristete­r Mietverträ­ge auf den Wohnungsma­rkt gibt es unterschie­dliche Ansichten.

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