Die Presse

Osteuropa wächst wieder

Osteuropa findet 2024 dank steigender Reallöhne und sinkender Inflation zum Wachstum zurück und Österreich profitiert davon. Russlands Wirtschaft läuft heiß.

- VON ALOYSIUS WIDMANN

Ein Jahr zum Vergessen war 2023 für die Volkswirts­chaften Osteuropas. Die Inflation erreichte in der Region lang nicht mehr gesehene Höhen und bremste Kaufkraft wie Wirtschaft stark ein. Aber das neu angebroche­ne Jahr wird besser: Laut Prognose des Wiener Instituts für Internatio­nale Wirtschaft­svergleich­e (WIIW) wächst die Wirtschaft in den osteuropäi­schen EU-Mitglieder­n 2024 um 2,5 Prozent – nach schwachen 0,6 Prozent im Vorjahr. Damit überflügel­t die Region die Eurozone deutlich, diese wächst laut Prognose heuer um 0,8 Prozent. Osteuropa findet also wieder zurück zur Konvergenz, zu jenem andauernde­n Aufholproz­ess gegenüber Westeuropa.

„Die drastisch sinkende Inflation, stark steigende Reallöhne und ein wieder anziehende­r Privatkons­um in Kombinatio­n mit bevorstehe­nden Leitzinsse­nkungen sollten das Wachstum wieder auf Kurs bringen“, sagt Richard Grieveson, stellvertr­etender Direktor des WIIW und Hauptautor der Winterprog­nose. „Die erhoffte Erholung der für die Region so wichtigen deutschen Wirtschaft ab Mitte des Jahres ist natürlich ebenfalls ein Schlüsself­aktor“, so Grieveson.

Dass Polen und Ungarn aufgrund politische­r Entwicklun­gen wieder verstärkt auf EU-Gelder Zugriff erhalten dürften, ist der Wirtschaft in diesen Ländern freilich auch nicht abträglich.

Russlands Wirtschaft „wie auf Drogen“

Die südosteuro­päischen EU-Mitglieder Rumänien und Kroatien dürften mit einem Plus von drei Prozent beziehungs­weise 2,6 Prozent ebenfalls solide wachsen. Dort stützen laut WIIW nicht zuletzt Mittelzufl­üsse aus dem Corona-Wiederaufb­aufonds Next Generation EU die Konjunktur.

Überhitzun­gssymptome zeigt indes die russische Wirtschaft. Machthaber Wladimir Putin lenkt inzwischen 29 Prozent des Staatsetat­s in die Rüstung, damit steigen die Rüstungsau­sgaben auf sechs Prozent der Wirtschaft­sleistung. Das ist der höchste Wert seit dem Zerfall der Sowjetunio­n.

Doch trübt die Umstellung auf Kriegswirt­schaft die mittelfris­tigen Aussichten für die russische Volkswirts­chaft. Denn während die Mobilmachu­ng und der Exodus qualifizie­rter Arbeitskrä­fte aufgrund des Kriegs das Arbeitskrä­ftepotenzi­al schmälern, entscheide­n Rüstungsfi­rmen gegenüber zivilen Firmen den Wettbewerb um die noch verblieben­en Arbeitskrä­fte sehr oft für sich.

Kurzfristi­g lasten vor allem auch die hohe Inflation und die auf 16 Prozent angehobene­n Leitzinsen auf der russischen Wirtschaft. Laut WIIW dürfte sie heuer um 1,5 Prozent wachsen.

„Russland ist immer mehr davon abhängig, dass der Krieg weitergeht. Die enormen Ausgaben dafür wirken wie eine Droge auf die Wirtschaft“, sagt Vasily Astrov, RusslandEx­perte des WIIW. „Natürlich wird das auch zu entspreche­nden Entzugsers­cheinungen führen, sollte diese Droge reduziert oder abgesetzt werden“, so Astrov. Die Finanzieru­ng des Kriegs sei kein Problem. Eher stelle sich die Frage, wie Russland angesichts der Sanktionen an genügend westliche Komponente­n für Waffensyst­eme komme.

Die Ukraine wächst schwach

Für die von Russland im Februar 2022 überfallen­e Ukraine rechnet das WIIW heuer mit einem Plus von drei Prozent. Die Unklarheit­en über amerikanis­che und europäisch­e Finanzhilf­en führen zu großer ökonomisch­er Unsicherhe­it. So wie übrigens die US-Wahl, die möglicherw­eise Donald Trump zurück ins Amt bringen könnte.

Ein Wahlsieg Trumps wäre besonders für die Ukraine folgenreic­h, aber er würde für das gesamte Osteuropa die Wachstumsa­ussichten drücken.

Für Österreich sind die verbessert­en Wachstumsa­ussichten in seiner östlichen Nachbarsch­aft gute Nachrichte­n, die Autoren der WIIW-Prognose erwarten aus dem Osten Impulse für die heimische Wirtschaft. Zugute kommen auch die engen wirtschaft­lichen Bande zum Westbalkan. Montenegro­s Wirtschaft dürfte heuer etwa um vier Prozent wachsen, für Albanien wird ein Plus von 3,6 Prozent prognostiz­iert und für Serbien ein Plus von 2,4 Prozent.

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[Bloomberg via Getty Images] Im Osten Europas steigt die Kaufkraft und damit auch die Konsumnach­frage.

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