Sind die Anleger zu Recht optimistisch?
Die Markterwartungen seien gar nicht so ambitioniert, sagt Finanzexperte Habermayer. Nicht einmal bei Big Tech.
Anfang Jänner hatte es ein paar Tage so ausgesehen, als würden die Börsen zu einer Korrektur ansetzen. Die Indizes rutschten leicht ins Minus, ein paar Techwerte wie Apple gaben sogar etwas stärker nach. Doch diese Korrektur währte nicht lang. Inzwischen haben sich die Indizes nicht nur erholt, sondern in den USA teilweise sogar neue Höchststände markiert. Bekommen die Anleger, die laut dem Furcht-undGier-Indikator von CNN Money schon wieder „extreme Gier“verspüren, gar nicht genug?
Wolfgang Habermayer, Geschäftsführer von Merito Financial Solutions, wundert sich nicht. „Alles steht und fällt mit der Geldpolitik.“Dass man bei den Leitzinsen nun den Plafond gesehen habe, sei so gut wie fix. „In Wahrheit lautet die einzige Frage: Wie viele Zinsschritte nach unten werden heuer gesetzt?“Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed, habe von drei Schritten gesprochen, der Markt rechne mit sechs.
Ist da nicht Enttäuschung programmiert? Nicht unbedingt, meint Habermayer, denn zwischen den Ankündigungen der Fed und den Erwartungen des Marktes komme es zunehmend zu Annäherungen. Zum einen lasse der Druck auf die Notenbank nach: Zwar liege die Inflation mit 3,4 Prozent im Dezember noch längst nicht bei dem von der Fed angestrebten Wert von zwei Prozent. Für die Fed stelle sich indes die Frage nach dem neutralen Zins (der weder stimulierend noch dämpfend auf die Konjunktur wirkt). Derzeit liege der Leitzins mit 5,25 bis 5,5 Prozent jedenfalls über diesem. Freilich müsse die Notenbank betonen, dass die Zinsen „noch länger hoch“bleiben, um die Märkte nicht zu früh zu stimulieren. Allerdings würde nur noch eine
Minderheit der Marktteilnehmer mit einer Senkung im Frühjahr rechnen. Im Dezember war es noch eine Mehrheit. Das Enttäuschungspotenzial sei damit kleiner geworden.
Das bedeute ein gutes Umfeld für Aktien wie für Anleihen: Wenn man eine Anleihe mit einer fixen Verzinsung von 3,5 Prozent erwirbt und die Marktzinsen nicht sinken, wäre das auch schon eine passable Rendite, so Habermayer. Sollten die Marktzinsen aber auch noch sinken, könne der Kursgewinn den Gesamtertrag zusätzlich auffetten.
Aktien seien gemessen an den Gewinnerwartungen keineswegs teuer: Für die S&P-Unternehmen erwarte man heuer ein Gewinnplus von zehn Prozent, für den technologielastigen Nasdaq 100 eines von 20 und für die „Magnificent Seven“(Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Nvidia, Meta, Tesla) eines von 30 Prozent. Wenn das auch nur annähernd eintreffe, wären die Papiere jetzt sogar günstig bewertet.
Falsche Geldpolitik als Risiko
Allerdings gibt es auch Risiken für den Aktienmarkt : Eines davon wäre eine Fehlentscheidung der Notenbanken: Sollten diese die Zinsen zu spät senken, könnte das zu einer Rezession führen. Sollten sie hingegen die Zinsen zu früh senken, könnte das erst recht die Inflation entfachen. Und wenn die Notenbanken dann gezwungen wären, die Zinsen sogar wieder anzuheben, könnte das eine schwere Marktkorrektur auslösen, fürchtet Habermayer.
Von der Politik mit ihren zahlreichen Krisenherden (Nahost, Ukraine) drohe ebenfalls Ungemach. Unangenehm wären auch unerwartet schwache Unternehmensgewinne. Schließlich könnte auch eine starke Regulierung den Big-Tech-Firmen zu schaffen machen.