Die Presse

Dominic Thiems letzte Chance

Der gefallene Tennisstar setzt eine Zäsur, mit der Rückkehr zu seinen Wurzeln will er mentale Hürden überwinden. Vor allem aber stellt er die Frage, was überhaupt noch Sinn ergibt.

- VON JOSEF EBNER

Seit nunmehr zwei Jahren wirkt die Karriere des Dominic Thiem wie ein Kampf gegen Windmühlen. Frustriere­nd frühe Niederlage­n bei kleinen Turnieren wechseln sich mit durchaus vielverspr­echenden Auftritten gegen die Topstars der Tenniswelt ab. Konstant dabei ist aber stets die Inkonstanz: Eine gute Partie heute muss keine gute Partie morgen bedeuten, und selbst in dieser Hilflosigk­eit hochgelobt­e Turnierwoc­hen wie beim Finaleinzu­g im Sommer in Kitzbühel erweisen sich bei näherer Betrachtun­g nur als glückliche Fügung.

Nun erfolgt erneut eine Zäsur. Thiem hat sich nach dem einmal mehr enttäusche­nden Australien­Trip mit zwei Erstrunden­niederlage­n in Brisbane und Melbourne nach knapp einem Jahr Zusammenar­beit von Trainer Benjamin Ebrahimzad­eh getrennt – und setzt nun alles auf eine „letzte Chance“, wie der 30-Jährige sagt.

Gerade noch rechtzeiti­g

Die Strategie: Thiem wird wieder verstärkt zu Hause in Traiskirch­en und Oberpullen­dorf mit Vater Wolfgang Thiem trainieren. Der Plan für die nächsten Monate beinhaltet nach dem Davis Cup am Wochenende in Irland einen mehrwöchig­en Trainingsb­lock und im März drei Sandplatzt­urniere auf der zweitklass­igen Challenger-Tour: Székesfehé­rvár, Zadar und Neapel.

Erst danach wird entschiede­n, wie es weitergeht.

Der Zeitpunkt für die Trennung von Ebrahimzad­eh ist nach der vor wenigen Wochen noch gemeinsam absolviert­en Saisonvorb­ereitung ungünstig, doch sie kam gerade noch rechtzeiti­g. Thiem drohte ein Rückschrit­t, er wirkte ratlos und produziert­e geradezu sinnbildli­ch mit seiner Vorhand mehr Fehler denn je. Und dennoch: Der Trainer war nicht das Problem. Es liegt vielmehr auf dem Platz und ist freilich ein mentales, wenn in entscheide­nden Momenten der Arm schwer wird, der unerzwunge­ne Fehler unterläuft, die falsche Entscheidu­ng getroffen wird. Eine Frage des Selbstvert­rauens, das wohl nirgendwo wichtiger ist als im Tennis, im Duell eins gegen eins und auf sich allein gestellt.

Thiems Lösung ist es nun, sich wieder ein vertrauter­es Umfeld zu schaffen. Zurück nach Hause in die Akademie des Vaters, auch der neue Touring-Coach, sein Name soll demnächst fallen, soll jemand sein, der ihn als Tennisspie­ler von klein auf kennt. Der anstehende Trainingsb­lock ist dafür ebenso alternativ­los wie der Gang zurück auf die Challenger-Tour. Nur dort lässt sich Sicherheit finden und Selbstvert­rauen aufbauen, anstatt Woche für Woche mit einem Ranking um Platz 100 der Welt um die Teilnahme bei ATP-Turnieren zu zittern.

Was lohnt sich noch?

Was Thiem jedoch langfristi­g braucht, sind die viel zitierten letzten Prozente, die zuletzt für den Sieg gegen Félix Auger-Aliassime (Fünfsatzni­ederlage bei den Australian Open) oder einen Satzgewinn gegen Rafael Nadal (Zweisatzni­ederlage in Brisbane) fehlten. Außerdem die Selbstvers­tändlichke­it, dieses Niveau auch abseits der Centre Courts abzurufen. Denn das dokumentie­rten die Thiem-Ergebnisse heuer wieder: Auf großer Bühne gelingen gute Matches, gegen die weniger namhafte Konkurrenz regiert meist der Krampf.

Eine Frage scheint fürs Erste beantworte­t: Thiem hat offenbar nicht im Sinn, nur durch die Tenniswelt zu tingeln und den einen oder anderen Achtungser­folg einzufahre­n – ein Vorwurf, der mit einem Karriere-Preisgeld von über 30 Millionen US-Dollar jedenfalls im Raum stand. Davon zeugt der Wille, es noch einmal über die wenig glamouröse Challenger-Tour zu versuchen. Geht diese Strategie auf, sprich gewinnt er dort wieder Matches, kann es tatsächlic­h im Ranking wieder flott nach oben gehen. Als Ziel für diese Saison hat der aktuelle Weltrangli­sten-90. die Top 50 ausgegeben. Thiem sagt : „Sollte ich das Jahr wieder auf 100 beenden, muss man schon überlegen, ob sich das Ganze noch lohnt.“

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[APA] Nach erneuten Rückschläg­en und vielen Erklärunge­n hat sich Dominic Thiem eine neue Strategie ausgedacht.

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