Ameisen können Büffel dezimieren – und dahinter stecken wir
Fast wie eine Parabel: Eine invasive Ameisenart hat in der Savanne von Kenia eine spektakuläre Kettenreaktion ausgelöst.
Wir Menschen dominieren diesen Planeten, so stark, dass die Forscher unter uns schon das „Anthropozän“ausrufen mussten. Wir haben uns auf dem Festland fast überall ausgebreitet, stehen in regem Austausch miteinander – und importieren dabei auch invasive Arten in Gegenden, wo sie nicht hingehören. Wie bestimmte Großkopfameisen, die es von einer Insel im Indischen Ozean in die ostafrikanische Savanne verschlagen hat. Dort haben sie dann eine spektakuläre Kettenreaktion in Gang gesetzt, wie nun ein Team von Biologen um Douglas Kamaru an der University of Wyoming aufdecken konnte
(Science, 25.1.)
Das Ol-Pejeta-Reservat liegt im Zentrum von Kenia, in einer Gegend, die großflächig mit Flötenakazien bewaldet ist. Diese Bäume leben dort in einer raffinierten Symbiose mit einheimischen Akazienameisen: Die kleinen Tierchen leben in hohlen, dicken Stacheln an den Ästen und ernähren sich vom Nektar, der dort aus speziellen Drüsen fließt. Wie zum Dank dafür wehren die Ameisen Elefanten ab, die sich gern von den Blättern der Bäume ernähren. Die Dornen könnten sie davon nicht abhalten, aber dass ihnen Ameisen in die Rüssellöcher krabbeln, ist ihnen dann doch zu lästig.
Zerstörte Harmonie
In dieses harmonische Gleichgewicht brachen Anfang der Nullerjahre die invasiven Großkopfameisen ein. Sie vernichteten massenhaft die alteingesessenen Rivalen, töteten die erwachsenen Tiere und verspeisten deren Eier, Larven und Puppen. Den Bäumen sind sie aber keine Hilfe, denn sie wehren die Elefanten nicht ab. Also drangen die Rüsseltiere in die befallenen Wälder ein, mampften die Baumkronen ab und trampelten viele Stämme nieder.
Das erwies sich nun als Problem für die Löwen. Sie hatten bisher die dicht belaubten
Wälder als Hinterhalt genutzt, um mit Sichtschutz ihrer liebsten Beute aufzulauern: den Zebras, die außerhalb der Wälder in der Steppe grasen. Das könnte künftig dazu führen, dass es im Reservat mehr Zebras gibt und die Savanne stärker abgegrast ist.
Was aber passiert mit den Löwen? Reduziert sich ihre Zahl, weil ihnen die leicht zu erjagende Beute abhandenkommt? Zur Überraschung der Forscher ist die Populationsgröße zumindest bisher stabil geblieben. Wie das? Die Löwen haben ihre Ernährung geändert und jagen jetzt statt den Zebras Büffel. Das erfordert aber mehr Energieeinsatz und ist gefährlich, weil sich die Büffel wehren und den Angreifer im Kampf auch töten können. Es ist also noch nicht abzusehen, wie es weitergeht – zumal erst ein Teil der Wälder von den invasiven Ameisen befallen ist, die pro Jahr um 50 Meter vorrücken.
Weitere Zahlen: In den befallenen Wäldern brechen Elefanten rund sechsmal öfter ein als in denen, die einheimische Ameisen schützen. Von allen erfolgreichen Attacken der Löwen auf andere Tiere waren im Jahr 2003 noch in 67 Prozent der Fälle Zebras die Opfer, 2017 waren es nur noch 42 Prozent. Der Anteil der Büffel als Opfer stieg im selben Zeitraum von null auf 42 Prozent.
So können also Ameisen über viele Umwege zum lebensbedrohlichen Problem für Büffel werden. Die Stärke der Kettenreaktion liegt an der speziellen Symbiose zwischen Bäumen und Ameisen, die besonders leicht gestört werden kann. Einen solchen „Mutualismus“, bei dem beide Seiten voneinander profitieren und sich nicht schädigen, gibt es auch in anderen hochsensiblen Ökosystemen: bei Korallen, die mit Panzergeißlern harmonieren, oder Seegraswiesen, die mit Muscheln „zusammenarbeiten“.
Was lernen wir daraus? Es lässt sich nicht vermeiden, dass wir Habitate stark beeinflussen, und weder Ursachen noch Folgen lassen sich abschätzen. Aber Geschichten wie diese lehren uns Demut und Vorsicht.