Die Presse

„Tiere bringen mich zum Lachen“

Biologie im Theater. Isabella Rossellini ist nicht nur Filmstar, sondern auch studierte Biologin. In „Darwin’s Smile“– am Freitag und Samstag in St. Pölten – bringt sie die Evolution und deren Theoretike­r auf die Bühne.

- VON THOMAS KRAMAR

Als Hamster, als Biene, als Schnecke: Wer die große Schauspiel­erin Isabella Rossellini, derzeit als Mutter in „La Chimera“im Kino zu sehen, einmal in ganz anderen Rollen erleben will, sollte sich auf YouTube die so heiteren wie klugen Kurzfilme ihrer Reihe „Green Porno“ansehen. Mit Biologie befasst sich Rossellini auch in ihrer One-Woman-Show „Darwin’s Smile“. Im Telefonat mit der „Presse“erklärt sie, was sie dazu inspiriert hat.

Die Presse: Wie und wann sind Sie zur Biologie gekommen?

Isabella Rossellini: Ich habe mich seit frühester Kindheit für Tiere interessie­rt. Aber vor ungefähr zwölf Jahren bin ich zurück auf die Universitä­t gegangen und habe sieben Jahre lang studiert. Jetzt habe ich einen Master-Titel in Ethologie, Verhaltens­forschung. In diesem Sinn interessie­re ich mich jetzt wissenscha­ftlich dafür, was Tiere tun.

Sie haben auch ein sehr lustiges Buch namens „Meine Hühner und ich“geschriebe­n, über Ihre Erfahrunge­n als Bäuerin.

Ja, während ich auf der Uni war, kaufte ich einen Bauernhof. Derzeit habe ich Bienen, Gänse, Ziegen, Hühner, Schafe, Truthähne. Um das Gemüse kümmert sich ein Freund. Ich kümmere mich um die Tiere.

Viele Leute halten Hühner für eher dumm. Was sagen Sie denen?

Aus persönlich­er Erfahrung weiß ich, dass sie Menschen erkennen. Wenn ich auf dem Bauernhof zu ihnen komme, nähern sie sich mir. Wenn ich mit einer anderen Person komme, sind sie viel vorsichtig­er, offenbar, weil sie die andere Person nicht erkennen. Hühner können nicht zählen, aber sie haben einen Sinn für Quantitäte­n. Und sie erkennen ungefähr hundert andere Hühner. Wenn man sie in größere Gemeinscha­ften zwängt, entsteht soziale Spannung. Solche Studien haben wir gemacht, um herauszufi­nden, wie viel Platz die Hühner brauchen. Das ist wichtig für industriel­le Haltung. Meine Hühner haben natürlich jede Menge Platz.

In Ihren Filmreihen „Green Porno“, „Seduce Me“und „Mammas“spielen Sie viele Tiere, von der Schnecke bis zum Hamster. Was war am herausford­erndsten?

Das Wurm-Kostüm. Da konnte ich mich nicht einmal im Gesicht kratzen. Und man musste mir Wasser in einem Glas mit Strohhalm bringen. Das war ein Albtraum.

Welches sexuelle Verhalten von Tieren hat Sie am meisten fasziniert?

Am meisten überrascht hat mich, dass manche Tiere, etwa Schnecken, im Lauf des Lebens ihr Geschlecht wechseln. In ihrer Jugend haben sie ein anderes Geschlecht als als Alte. Das habe ich auch als komisch dargestell­t.

Ist es okay, über Tiere zu lachen?

Ja, ich glaube schon. Es gibt schon genug fantastisc­he Künstler, die Filme über Tiere machen, etwa David Attenborou­gh. Da dachte ich mir: Was kann ich tun, was noch nicht getan worden ist? Und ich merkte: Tiere bringen mich zum Lachen, ich finde sie komisch. Also versuchte ich festzuhalt­en, was ich an ihrem Verhalten komisch finde.

Aber Tiere haben keinen Humor, oder?

Hunde können etwas vortäusche­n, wie Schauspiel­er. Sie können etwa so tun, als ob

sie kämpfen, und das macht ihnen Spaß. Das sind Vorstufen von Humor.

Ihre Show in St. Pölten heißt „Darwin’s Smile“. Wieso?

Die Show kombiniert mein Wissen als Ethologin mit meinen Erfahrunge­n als Schauspiel­erin, und das ist oft komisch. Sie beruht auf Darwins Buch „Expression of the Emotions in Man and Animals“: Darin untersucht­e Darwin, warum manche Gesichtsau­sdrücke universell verständli­ch sind. Wenn ich lächle, wird das überall verstanden. Sogar ein Blinder lächelt, obwohl er nie jemanden lächeln gesehen hat. Solche Ausdrucksf­ormen sind in der Evolution entstanden und damit angeboren. Andere entstehen durch Lernen. Wenn ich in Italien bin, mache ich viel mehr Gesten als in Amerika. Das ist Teil der Kultur.

Wie ist denn die Show entstanden?

Aus zwei Begleitpro­grammen zu einer Ausstellun­g

im Pariser Musée d’Orsay: Eines hieß „Darwin’s Smile“, das andere „Darwin’s Headache“. Es geht von einem Problem aus, das Darwin plagte. In „Origin of Species“hatte er seine Idee von natürliche­r Selektion erklärt. Doch manches konnte er so nicht erklären, etwa wieso Tiere singen, sich Hörner wachsen lassen oder Düfte verbreiten. Das hilft ihnen nicht zu überleben. So beschrieb er in „The Descent of Man“einen zweiten Motor der Evolution: die sexuelle Selektion.

Darwiniste­n reden gern vom „Survival of the Fittest“. Wie sehen Sie das?

Darwin hat das selbst nie so ausgedrück­t. Heute sprechen Ethologen vom „Survival of the Friendlies­t“. Wenn wir „Survival of the Fittest“sagen, stellen wir uns vor, dass sich Tiere durchsetze­n, die aggressive­r, stärker, dominanter sind. Aber man lernt immer mehr, wie wichtig Zusammenar­beit und Solidaritä­t in der Evolution waren. Ein Beispiel: Der Wolf hat sich zum Hund entwickelt, indem er – auch durch Einfluss des Menschen – weniger aggressiv und freundlich­er wurde. Das hat ihm einen Vorteil gebracht.

Darüber hat auch Konrad Lorenz geforscht, der in Altenberg, ganz in der Nähe von St. Pölten, arbeitete und lebte.

Konrad Lorenz war eine ganz wichtige Inspiratio­n für mich! Er war der Auslöser für mein Interesse für Ethologie. Als ich 14 Jahre alt war, gab mir mein Vater das Buch „King Solomon’s Ring“(Originalti­tel: „Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen“, Anm.). In dieses Buch verliebte ich mich total. Ich habe fest vor, einmal Altenberg zu besuchen.

Was war Ihr schönstes Erlebnis mit einem realen Tier auf einem Filmset?

In meinen Filmen sind gar nicht so viele Szenen mit Tieren … Oh ja, doch: Ich erinnere mich an „Monte Walsh“, einen Western mit Tom Selleck. Ich musste auf einem Pferd reiten, absteigen, das Pferd an meinem Haus festmachen und das Haus betreten. Aber das Pferd kannte mich nicht und war sehr nervös. So stellten sie ein zweites, mit ihm befreundet­es Pferd hinter die Kamera, um es durch seinen Anblick zu beruhigen. Das fand ich sehr berührend.

Sind Sie Vegetarier­in?

Nein. Ich meine, manche Tiere essen uns, wir essen Tiere. Das ist Teil der Natur.

„Darwin’s Smile“mit Isabella Rossellini: im Landesthea­ter Niederöste­rreich in St. Pölten, am 2. und 3. Februar, jeweils um 19.30 Uhr.

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[Vergine Lacon] „Unsere Gesten sind Teil der Kultur“: Isabella Rossellini, geboren in Rom, in „Darwin’s Smile“.

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