Achim Benning, der letzte traditionsbewusste Burgtheater-Chef
Der Vorgänger von Claus Peymann verschmolz noch die wienerische Theatertradition mit hohen Ansprüchen. Er ist 89-jährig gestorben.
Nach Wien ist Achim Benning erst in den späten Fünfzigerjahren gekommen. Geboren am 20. Jänner 1935 als Sohn eines Ingenieurs in Magdeburg, verschlug es den theaterbegeisterten Studenten, der seine Jugend in Braunschweig verbracht hatte, zunächst nach München. Seine Fächer waren Germanistik, Geschichte und Philosophie. Aber seine Bühnenlust trieb ihn ans Max-Reinhardt-Seminar, von wo ihn Ernst Haeusserman bald als Eleven ans Burgtheater holte.
Benning war bald Mitglied des Ensembles und gab unter anderem den Malcolm in Shakespeares „Macbeth“, den Orest in Sophokles’ „Elektra“, den Bürgermeister in Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“oder, besonders prägnant und facettenreich, die Titelrolle in Molières „Der Geizige“: Die erotische Beziehung zu Reichtum und Gold sprach bei diesem Harpagon aus jedem Blick, jeder Gebärde.
Hinter den Kulissen hat Benning als Ensemblevertreter jahrelang auch die Interessen seiner Schauspielerkollegen vertreten. Nach dem Abgang Gerhard Klingenbergs war er für viele die logische Wahl als nächster Direktor
„seines“Hauses. Von der Spielzeit 1976/77 an führte der eben zum Kammerschauspieler avancierte Benning das Burgtheater. 1981 verlieh ihm die Stadt Wien die Kainz-Medaille.
Die Ära Bennings ging – wenn das auch für viele erst im Rückblick deutlich wurde – als die letzte in die Annalen des Hauses ein, in der von einem über Generationen gewachsenen Ensemblegeist die Rede sein konnte. Noch im letzten Jahr seiner Ära standen insgesamt nicht einmal ein Dutzend Gäste auf der Bühne. Unter seinem Nachfolger hat sich die Zahl „hausfremder“Akteure sogleich mehr als verdreifacht.
Claus Peymanns Bilanz registrierte dann bald auch ein Minus von mehr als zwanzig Prozent bei der Auslastung, obwohl die Rezensenten zuvor recht ungnädig mit Bennings Spielplankonzeption umgegangen waren. Ein Theater, dessen spezifischer Stil sich aus den Persönlichkeiten der einzelnen Schauspieler heraus entwickelte, galt vielen als nicht mehr zeitgemäß.
„Schauspieler-Theater“
Mit Peymann, der vor allem auf seinen aus Bochum mitgebrachten SchauspielerStamm setzte, begann denn auch die ungeteilte Vorherrschaft der Regie. Die dann viel zitierten und mancherorts gelobten politischen Dimensionen hatte die Burg freilich unter Benning längst besessen. Allerdings verschoben sich alsbald die Perspektiven – wenn man so will, von den Dissidenten der benachbarten Tschechoslowakei in Richtung DDR. Unter Benning hatte man Stimmen vernommen, die in der kommunistischen Diktatur
verboten waren: Uraufführungs-Autoren hießen Václav Havel, Pavel Kohout, Pavel Landovský …
Deren Zungenschlag goutierten nicht alle traditionsbewussten Abonnenten, aber die vom Regisseur Benning betreuten Produktionen setzten insgesamt doch auch bewusst auf die Persönlichkeiten des gewachsenen Ensembles und auf deren Stärken. Das hat man erst post festum wirklich anerkannt. Doch erinnert sich heute noch manch einer an eindrucksvolle Momente, von denen pars pro toto und willkürlich einer genannt sei: Kurt Sowinetz als Bettler in einem geradezu mythischen Augenblick absoluter Stille und Verlorenheit inmitten des Grauens der Revolution in Büchners „Dantons Tod“(mit Norbert Kappen als Danton). Da verschmolz die wienerische Schauspieler-Tradition mit den hohen Ansprüchen einer „ersten Bühne des deutschen Sprachraums“symbiotisch. Wie oft hat man dergleichen im Haus am Ring danach noch erlebt?
Achim Benning ist am Dienstag 89-jährig gestorben. Die Präsentation des Dokumentarfilms „Achim Benning – Homo Politicus“von Kurt Brazda durch ORF III am morgigen 1. Februar – Ausstrahlung: 3. 2. (8.45 Uhr) – wird nun zu einer Gedenkveranstaltung.