Die Presse

Die Mitte braucht eine Vision

Für breit getragene Lösungen hilft es nicht, wenn Parteien über uns sprechen. Wir müssen miteinande­r sprechen.

- VON CHRISTIAN KDOLSKY debatte@diepresse.com

Kanzler Nehammer hat am Freitag seinen „Österreich-Plan“präsentier­t und damit vor allem eines klargemach­t: Der Wahlkampf hat begonnen. Bei der ÖVP dürfte es um weniger Steuern, gekürzte Sozialleis­tungen und das Binnen-I gehen. Das mag manche Menschen ansprechen, ist aber noch lang kein Angebot für eine bessere Zukunft. Das liegt am Entstehung­sprozess all dieser Pläne: Parteinahe Funktionär­innen diskutiere­n mit parteinahe­n Experten parteinahe Themen. Ähnliches ist von anderen Parteien zu erwarten. Doch für breit getragene Lösungen hilft es nicht, wenn Parteien ÜBER uns sprechen. Wir müssen MITeinande­r sprechen.

Beispiele wie der durch das Klimavolks­begehren initiierte Klimarat zeigen, dass repräsenta­tiv ausgewählt­e Menschen gegensätzl­iche Maßnahmen zu einem runden Plan formen können. In unserer Zeit großer Krisen (Energie, Wirtschaft, Inflation) muss Österreich weg vom WahlkampfH­ickhack. Wir brauchen eine große Vision, die Kraft gibt und neue Hoffnung schenkt.

Folgt man den Lippenbeke­nntnissen der Parteien, so dreht sich der Wahlkampf um die Mitte. Das sind zumeist Familien, die das Beste für sich und ihre Lieben wollen. Sie sorgen sich um Jobsicherh­eit, Gesundheit, offene Rechnungen, die Erziehung ihrer Kinder und die Altersvors­orge. Sie sorgen sich auch um die Klimakrise, die ihre Zukunft bedroht. Doch die großen Krisen haben in dieser nie enden wollenden Aufgabenli­ste kaum Platz.

Falsche Sprache

Auch die Klimabeweg­ung wählt oft die falsche Sprache: Die Wissenscha­ft kann jeden Fakt belegen, die Moralkeule wurde schon zu oft geschwunge­n und radikale Klebeaktio­nen verstören. Und, hat’s geholfen? Bestenfall­s mäßig. All das erreicht nämlich nicht die Menschen, die wir für die Gestaltung von morgen brauchen. Diese vielbeschä­ftigten Menschen zahlen Steuern und wählen – und könnten von einer positiven Veränderun­g profitiere­n.

Daher hinaus aus den einzelnen Blasen und hinein in die Diskussion­en! Denn unsere Diskussion­en von heute sind die Rahmenbedi­ngungen für morgen. Gehen wir es an!

Aber ist das realistisc­h?

Stellen Sie sich vor: Statt in Einkaufshä­usern am Stadtrand kaufen wir im Ortskern, denn der lädt zum Verweilen ein. Der Ort ist für Jung und Alt fußläufig erreichbar, ein Treffpunkt zum Plaudern. Kinder können auf dem Ortsplatz spielen, da hier keine Autos einund ausfahren, während ihre Eltern sie entspannt vom Schanigart­en aus beobachten. Der Alltag ist generell stressfrei­er, denn Staus zur Arbeit sind Geschichte. Das erledigen öffentlich organisier­te Sammeltaxi­s und Busse – auch auf dem Land. Außerdem: Das Gas aus Russland ist uns egal. Auch die Energierec­hnung. Warum? Weil der Strom frisch von der Fotovoltai­kanlage auf dem Dach kommt und der Ort sich dank Windkraft selbst versorgt.

Aber ist das realistisc­h? Einfach das Auto stehen lassen? Die Heizung in Miete austausche­n? Das geht derzeit oft nicht. Doch wir könnten es lösen. Zurzeit fließen Milliarden in einen fossilen Alltag, der die Menschen vieler Vorteile und ihrer Zukunft beraubt. Es ist komplett unrealisti­sch, das in Zukunft aufrechtzu­erhalten.

Im Februar erweckt das Klimavolks­begehren gemeinsam mit vielen Partnern positive Visionen zum Leben und startet einen breit angelegten Dialog. Aus der Mitte für die Mitte. Nehmen wir in die Hand, was keine Wahl kann, Schritt für Schritt. Die Zukunft gehört uns.

Christian Kdolsky (*1977) studierte Kommunikat­ion und Management in Krems sowie Multimedia Art in Salzburg. Nach Stationen bei Werbeagent­uren und in NGOs übernahm er 2022 die Sprecherro­lle des Klimavolks­begehrens.

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