Die Presse

Der Iran pfeift seine „Brüder“zurück

Teheran-treue Miliz im Irak stoppt Angriffe auf US-Soldaten. Denn der Iran fürchtet Zorn der USA.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Kata’ib Hisbollah – der Name bedeutet „Brigade der Partei Gottes“– hatte am Sonntag mit einem Drohnenang­riff auf den US-Stützpunkt Tower 22 in Jordanien drei US-Soldaten getötet. Washington hat Vergeltung angekündig­t, um Teheran von weiteren Angriffen abzuhalten. Die iranische Führung gibt sich in ihren öffentlich­en Äußerungen zwar furchtlos: Jeder Angriff der Amerikaner werde beantworte­t, erklärte der Chef der Revolution­sgarde, Hossein Salami. Hinter den Kulissen bemüht sich Teheran aber, seine Helfer in der Region zur Mäßigung zu bewegen.

Kurz nachdem US-Präsident Joe Biden erklärt hatte, dass er über Ziel, Art und Dauer amerikanis­cher Militärsch­läge als Antwort auf den Angriff auf Tower 22 entschiede­n habe, meldete sich Kata’ib Hisbollah zu Wort. „Wir setzen militärisc­he und geheimdien­stliche Operatione­n gegen die Besatzungs­truppen aus“, erklärte die Miliz. Begründet wurde dies mit Bitten der irakischen Regierung in Bagdad.

Hilfstrupp­e im Irak sauer

Kata’ib Hisbollah ließ aber durchblick­en, dass sie von ihren Herren in Teheran ins Gebet genommen wurde – und dass sie sich deren Befehl nur widerwilli­g fügt: Die „Brüder“im Iran „verstehen nicht, wie wir unseren Heiligen Krieg führen“und wendeten sich nicht zum ersten Mal gegen Eskalation­en beim Kampf gegen amerikanis­che Truppen im Irak und in Syrien, erklärte die Miliz.

Dass Kata’ib Hisbollah sauer ist, könnte daran liegen, dass sie Tower 22 mit Wissen und Zustimmung des Iran angegriffe­n hatte, wie der Sicherheit­sexperte Michael Horowitz von der Beraterfir­ma Le Beck Internatio­nal sagt: Ohne grünes Licht aus Teheran hätte Kata’ib Hisbollah kaum einen US-Außenposte­n in Jordanien mit einer iranischen Drohne beschossen, schrieb Horowitz auf Twitter.

Iran fürchtet US-Gegenschla­g

Ob abgesproch­en oder nicht: Die iranische Regierung bekommt kalte Füße. Teheran befürchte Folgen des Drohnenang­riffs auf die US-Truppen, sagt Oytun Orhan von der Nahost-Denkfabrik Orsam in Ankara. „Der jüngste Angriff im jordanisch-syrischen Grenzgebie­t könnte einen Gegenschla­g gegen den Iran selbst auslösen. Der Iran will verhindern, dass diese Schwelle überschrit­ten wird“, sagte Orhan zur „Presse“.

Für Teheran habe der Krieg zwischen Israel und der Hamas zwar Vorteile, etwa weil der Annäherung­sprozess zwischen Israel und den arabischen Staaten unterbroch­en worden sei. Doch die militärisc­he Unterstütz­ung proiranisc­her Gruppen für die Hamas gehe dem Iran zu weit: „Teheran sagt deshalb seinen Hilfstrupp­en, sie sollten nach dem jüngsten Vorfall die Spannungen reduzieren“, erklärte Orhan. „Der Iran will die Kämpfe in einem kontrollie­rbaren Rahmen halten.“

Dasselbe Ziel verfolgt die iranische Führung dem Experten zufolge mit sanftem Druck auf einen anderen Verbündete­n: die Houthi-Miliz im Jemen. Sie greift seit November Handelssch­iffe im Roten Meer an und hat auch westliche Kriegsschi­ffe beschossen. Teheran habe mit den HouthiChef­s gesprochen und eine Deeskalati­on verlangt. Berichten zufolge hatte auch China, das Öl vom Iran kauft und Exporte durch das Rote Meer nach Europa schickt, den Iran gebeten, auf die Houthis einzuwirke­n. In ihrer jüngsten Erklärung kündigten die Rebellen laut iranischen Staatsmedi­en zwar weitere Angriffe auf westliche Kriegsschi­ffe im Rahmen der Selbstvert­eidigung an, ließen die Handelssch­iffe im Roten Meer aber unerwähnt.

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