Der Iran pfeift seine „Brüder“zurück
Teheran-treue Miliz im Irak stoppt Angriffe auf US-Soldaten. Denn der Iran fürchtet Zorn der USA.
Kata’ib Hisbollah – der Name bedeutet „Brigade der Partei Gottes“– hatte am Sonntag mit einem Drohnenangriff auf den US-Stützpunkt Tower 22 in Jordanien drei US-Soldaten getötet. Washington hat Vergeltung angekündigt, um Teheran von weiteren Angriffen abzuhalten. Die iranische Führung gibt sich in ihren öffentlichen Äußerungen zwar furchtlos: Jeder Angriff der Amerikaner werde beantwortet, erklärte der Chef der Revolutionsgarde, Hossein Salami. Hinter den Kulissen bemüht sich Teheran aber, seine Helfer in der Region zur Mäßigung zu bewegen.
Kurz nachdem US-Präsident Joe Biden erklärt hatte, dass er über Ziel, Art und Dauer amerikanischer Militärschläge als Antwort auf den Angriff auf Tower 22 entschieden habe, meldete sich Kata’ib Hisbollah zu Wort. „Wir setzen militärische und geheimdienstliche Operationen gegen die Besatzungstruppen aus“, erklärte die Miliz. Begründet wurde dies mit Bitten der irakischen Regierung in Bagdad.
Hilfstruppe im Irak sauer
Kata’ib Hisbollah ließ aber durchblicken, dass sie von ihren Herren in Teheran ins Gebet genommen wurde – und dass sie sich deren Befehl nur widerwillig fügt: Die „Brüder“im Iran „verstehen nicht, wie wir unseren Heiligen Krieg führen“und wendeten sich nicht zum ersten Mal gegen Eskalationen beim Kampf gegen amerikanische Truppen im Irak und in Syrien, erklärte die Miliz.
Dass Kata’ib Hisbollah sauer ist, könnte daran liegen, dass sie Tower 22 mit Wissen und Zustimmung des Iran angegriffen hatte, wie der Sicherheitsexperte Michael Horowitz von der Beraterfirma Le Beck International sagt: Ohne grünes Licht aus Teheran hätte Kata’ib Hisbollah kaum einen US-Außenposten in Jordanien mit einer iranischen Drohne beschossen, schrieb Horowitz auf Twitter.
Iran fürchtet US-Gegenschlag
Ob abgesprochen oder nicht: Die iranische Regierung bekommt kalte Füße. Teheran befürchte Folgen des Drohnenangriffs auf die US-Truppen, sagt Oytun Orhan von der Nahost-Denkfabrik Orsam in Ankara. „Der jüngste Angriff im jordanisch-syrischen Grenzgebiet könnte einen Gegenschlag gegen den Iran selbst auslösen. Der Iran will verhindern, dass diese Schwelle überschritten wird“, sagte Orhan zur „Presse“.
Für Teheran habe der Krieg zwischen Israel und der Hamas zwar Vorteile, etwa weil der Annäherungsprozess zwischen Israel und den arabischen Staaten unterbrochen worden sei. Doch die militärische Unterstützung proiranischer Gruppen für die Hamas gehe dem Iran zu weit: „Teheran sagt deshalb seinen Hilfstruppen, sie sollten nach dem jüngsten Vorfall die Spannungen reduzieren“, erklärte Orhan. „Der Iran will die Kämpfe in einem kontrollierbaren Rahmen halten.“
Dasselbe Ziel verfolgt die iranische Führung dem Experten zufolge mit sanftem Druck auf einen anderen Verbündeten: die Houthi-Miliz im Jemen. Sie greift seit November Handelsschiffe im Roten Meer an und hat auch westliche Kriegsschiffe beschossen. Teheran habe mit den HouthiChefs gesprochen und eine Deeskalation verlangt. Berichten zufolge hatte auch China, das Öl vom Iran kauft und Exporte durch das Rote Meer nach Europa schickt, den Iran gebeten, auf die Houthis einzuwirken. In ihrer jüngsten Erklärung kündigten die Rebellen laut iranischen Staatsmedien zwar weitere Angriffe auf westliche Kriegsschiffe im Rahmen der Selbstverteidigung an, ließen die Handelsschiffe im Roten Meer aber unerwähnt.