Szenarien für eine Zeit nach dem Gaza-Krieg Dem Gaza-Krieg
Welche Ideen gibt es für eine Lösung des Konfliktes zwischen Israel und den Palästinensern? Und woran spießt es sich dabei?
Wien/Jerusalem. Israels Luftwaffe flog Angriffe, in Gaza-Stadt und in Khan Yunis wurde gekämpft. Israel setzte am Mittwoch den Feldzug gegen die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen fort. Parallel dazu wurde intensiv über eine neue Waffenruhe und die Freilassung israelischer Geiseln verhandelt. Doch welche Szenarien für die Zukunft gibt es, dann, wenn der Krieg – irgendwann – zu Ende ist?
Die „Jerusalem Post“berichtet nun von einem Geheimplan, den Israels Premier, Benjamin Netanjahu, in engem Kreis für die Zeit nach dem Ende des Krieges entworfen haben soll: In der ersten Phase übernimmt Israels Militär die Kontrolle über den Gazastreifen. In einer zweiten Phase wird eine arabische Koalition gebildet, an der sich Länder wie Saudiarabien und Ägypten beteiligen. Sie soll eine neue palästinensische Verwaltung unterstützen, der Israel die Regierungsgeschäfte übergibt und die nicht mit Hamas oder Fatah von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas in Verbindung stehen soll. Israel kann aber jederzeit Militäraktionen starten, um Bedrohungen auszuschalten.
In einer letzten Phase werden die Strukturen der palästinensischen Verwaltung – auch im Westjordanland – bis hin zum Bildungssystem von Grund auf reformiert. Auf lange Sicht wäre für Israel dann die Anerkennung eines Palästinenserstaates möglich. Der könnte zwar mehr Territorium erhalten, als die Palästinensische Autonomiebehörde derzeit verwaltet. Das Gebiet,
das Israel für jüdische Siedlungen beansprucht, würde er aber nicht erhalten. Offiziell äußerte sich Israels Regierung vorerst nicht zum Bericht der „Jerusalem Post“. Bisher zeigte Netanjahu Ablehnung gegenüber einem Palästinenserstaat. Und Israels Außenminister, Israel Katz, bezeichnete nun internationale Forderungen nach einer Zweistaatenlösung als „absolut absurd“.
Zweistaatenlösung
Zuletzt haben die USA und auch andere westliche Länder bekräftigt,
dass am Ende des Konfliktes eine Zweistaatenlösung stehen müsse – also ein unabhängiger Palästinenserstaat, der friedlich an der Seite Israels existiert. Über eine solche Lösung wird schon lang diskutiert, zuletzt schien sie aber immer mehr zur Illusion zu verkommen.
Die Palästinenserführung unter Jassir Arafats PLO wollte ursprünglich einen Palästinenserstaat anstelle Israels, das zerstört werden sollte. Später erkannte sie offiziell das Existenzrecht Israels an. In den 1990er-Jahren einigten sich Israel und die PLO auf die Osloer Interimsabkommen. Die Autono
miebehörde erhielt dabei nur die teilweise Kontrolle über palästinensische Gebiete. Israel behielt sich militärischen Zugriff und auch Teile der Verwaltung vor. Die islamistische Hamas lehnte das Abkommen ab und startete eine Terrorwelle.
Aufbauend auf dem Interimsabkommen sollte ein Palästinenserstaat entstehen. Am nächsten kamen die Konfliktparteien einer Zweistaatenlösung bei den Verhandlungen in Camp David (2000), in Taba (2001) und 2007 unter Israels Premier Ehud Olmert. Eine Dauerstreitfrage dabei sind stets die Grenzen eines solchen Staates. Die Autonomiebehörde will dafür den Gazastreifen und das gesamte Westjordanland. Doch in dem Gebiet, das Israel im Sechs-Tage-Krieg 1967 eroberte, gibt es mittlerweile zahlreiche jüdische Siedlungen. Umstritten ist neben der Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge auch der Status von Jerusalem. Sowohl Israel als auch die Palästinenser beanspruchen es als Hauptstadt.
Einstaatenlösung
Ein gemeinsamer Staat von Israelis mit den Palästinensern im Westjordanland
und im Gazastreifen, gleichsam nach dem Vorbild Israels, wo rund 20 Prozent der Staatsbürger Araber sind. Ein gemeinsames Land Israel-Palästina, in dem alle in Frieden und völlig gleichberechtigt zusammenleben. Vor allem linke Denker hatten eine solche Lösung immer wieder ins Spiel gebracht. Doch weder Israels derzeitige Regierung noch die Führung der Palästinenser können damit etwas anfangen. Für die Palästinenser würde das das Ende vom Traum eines eigenen unabhängigen Staates bedeuten. In Israel wiederum ist der Großteil der politischen Kräfte dagegen – mit der Begründung, das Land würde den Charakter eines jüdischen Staates verlieren, falls weitere rund fünf Millionen Araber die Staatsbürgerschaft erhalten.
Zugleich gibt es bei Rechtsextremen in Israel sehr wohl die Idee, das Staatsgebiet auch offiziell auf das Westjordanland und den Gazastreifen auszuweiten, doch nur mit klarer Dominanz der jüdischen Bevölkerung.
Wie das aussehen könnte, haben zuletzt Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir und Finanzminister Bezalel Smotrich für den Gazastreifen skizziert: Sie verlangten bei einer „Konferenz des Sieges“die Rückkehr jüdischer Siedler in den Gazastreifen und die Vertreibung der Palästinenser aus dem Gebiet. Den Extremisten auf der palästinensischen Seite wiederum schwebt eine „Einstaatenlösung“vor, bei der Israel zerstört wird und ein palästinensischer Staat vom Jordan bis zum Mittelmeer reicht.