Die Presse

US-Atombomben vor Rückkehr nach Großbritan­nien

Ost-West-Konflikt. 2008 waren die letzten amerikanis­chen A-Waffen in England vom Stützpunkt Lakenheath, Grafschaft Suffolk, abgezogen worden. Es gibt Hinweise, dass man wegen des Ukraine-Kriegs und der veränderte­n Sicherheit­slage in Osteuropa solche wiede

- VON WOLFGANG GREBER

London/Washington. In Großbritan­nien verdichten sich die Hinweise, dass das US-Militär dort nach mehr als 15 Jahren wieder Atomwaffen stationier­en wird. Hauptmotiv sind wenig überrasche­nd der UkraineKri­eg sowie Spekulatio­nen im Westen, dass Russland im Fall eines Waffenstil­lstands oder gar Sieges in einigen Jahren wieder genug Kapazitäte­n haben könnte, um zumindest regional begrenzte Aktionen gegen Nato-Gebiet zu wagen.

Derzeit sind fast das gesamte russische Heer sowie die Masse der Luftwaffe in den Ukraine-Krieg eingebunde­n, Russland ist daher an vielen Grenzen militärisc­h nackt.

Britische Medien berichten, dass sie Dokumente des Pentagons sowie Verträge mit Firmen sahen, in denen es um Bauten auf der Luftwaffen­basis Lakenheath in der ostenglisc­hen Grafschaft Suffolk geht. Es deute auf die Verlegung taktischer Atombomben hin, des Modells B61-12. Das sind Wasserstof­fbomben, die von Flugzeugen abgeworfen werden. Sprengkraf­t: 0,3 bis 50 Kilotonnen (kT) TNT-Äquivalent. Die Hiroshima-Bombe von 1945 hatte zwölf bis 15 kT Sprengkraf­t, US-Atomwaffen für strategisc­he Einsätze liegen im Bereich von ca. 90 kT bis 1,2 Megatonnen, meist enden sie bei 475 Kilotonnen.

Verdächtig­e „Surety Mission“

In der seit den 1960ern gebauten B61-Serie gibt es auch Varianten mit 400 kT Sprengkraf­t. Der B61-12 verleiht ein Heckleitwe­rk eine gewisse Lenkbarkei­t, die die Präzision auf unter 30 Meter Radius ums Ziel steigert, bei Freifallbo­mben sind es sonst oft mehr als 100 Meter. Man will damit speziell unterirdis­che Ziele besser treffen und weniger Sprengkraf­t aufwenden, was weniger radioaktiv­en Niederschl­ag und eine kleinere Vernichtun­gszone ergibt. Das kann die Bereitscha­ft zum Einsatz solcher Waffen heben.

Offen zugänglich­e Dokumente der Beschaffun­gsstelle des Pentagons sowie andere Quellen deuten auf eine baldige „nukleare Mission“in Lakenheath hin. Es geht etwa um eine neue Unterkunft für Wächter mit mehr als 140 Betten. Das wird mit einer „Surety Mission“in Konnex gebracht; „Surety“bedeutet „Sicherheit“, im Sinn einer Garantie, Bürgschaft, und wird auch im Zusammenha­ng mit Schutz nuklearer Einrichtun­gen benützt.

Ferner geht es um den Bau kugelsiche­rer Wachhäusch­en sowie schusssich­erer großer Schutzschi­lde für Wachen im Rahmen einer „nuklearen Mission“, die „hochgradig wertvollen Besitz“schützen sollen. Und vor Tagen publiziert­e das Pentagon einen Vertrag, in dem es um hydraulisc­he Rampen zum Beund Entladen von Fahrzeugen geht, im Zusammenha­ng mit in Lakenheath stationier­ten F-35-Kampfjets und der Surety Mission.

Weder das amerikanis­che noch das britische Militär reagierten auf Anfrage redselig. Es hieß, dass man keine Aussagen über Nuklearwaf­fen an einem bestimmten Ort mache, zudem werde an Stützpunkt­en immer wieder etwas gebaut.

Ab den 1950ern waren zeitweise einige Tausend US-Nuklearwaf­fen in Großbritan­nien. 2008 zog man die letzten etwa 110 B61-Bomben von Lakenheath nahe Cambridge ab, formal ist das eine Basis der Royal Air Force, sie wird aber praktisch nur von Amerikaner­n genutzt. Es ist eine von zwei US-Luftwaffen­basen in Großbritan­nien und beherbergt das 48. Kampfgesch­wader mit zuletzt etwa 80 bis 100 Jets der Typen Boeing F-15E Strike Eagle und Lockheed Martin F-35A Lightning II, beide nukleartau­glich.

Nukleare Teilhabe der Nato

Im Vorjahr folgten Medienberi­chten über verdächtig­e Projekte in Lakenheath Warnungen aus Moskau, wonach man US-Atomwaffen dort als Eskalation sehe und Gegenmaßna­hmen folgen würden. B61 sind im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“in der Nato noch auf Fliegerhor­sten in Belgien, den Niederland­en, Deutschlan­d, Italien und der Türkei gelagert, wo sie im Ernstfall von Flugzeugen der dortigen Luftwaffen eingesetzt werden. Offizielle Zahlen gibt es nicht, 2021 könnten es total mindestens 100, höchstens etwa 150 gewesen sein.

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[Getty Images/Martin Pope] Protest vor der ostenglisc­hen Luftwaffen­basis Lakenheath.

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