Die Presse

Das Spiel mit den Neuwahlen in Polen

Pattsituat­ion. Auch Premier Tusk flirtet nun offen mit einer vorzeitige­n Wahl. Denn Präsident Duda droht, monatelang das Budget zu blockieren.

- Von unserem Korrespond­enten PAUL FLÜCKIGER

Die Staats- und Verfassung­skrise in Polen könnte bereits im Frühjahr in Neuwahlen münden. Nachdem der nationalko­nservative Opposition­sführer Jaroslaw Kaczyński als Erster von vorgezogen­en Parlaments­wahlen gesprochen hatte, stieß der liberale Regierungs­chef Donald Tusk nun ins selbe Horn. Er erhofft sich einen möglichen Befreiungs­schlag aus der Umklammeru­ng der Macht der früheren Regierungs­partei PiS.

Viele Reformen Tusks prallen auf Gesetze aus der PiS-Zeit, auf von PiS-Parteigäng­ern besetzte Behörden und vor allem auf die Veto-Macht des Präsidente­n Andrzej Duda. Neue Umfragen deuten darauf hin, dass Tusks Koalition mit ein wenig Glück das nötige Quorum erhält, um Dudas Veto zu überstimme­n.

Der jüngste Streit zwischen Tusk und Duda dreht sich um das Budget für 2024. Es muss laut Lesart des Präsidente­npalasts bis Donnerstag­mitternach­t Dudas Unterschri­ft tragen. Andernfall­s hat der Staatschef laut Verfassung das Recht, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen.

Veto-Macht des Präsidente­n

Die neue Mitte-links-Regierung hat aus Zeitgründe­n die meisten Vorgaben der konservati­ven Vorgängerr­egierung unter Mateusz Morawiecki von der KaczyńskiP­artei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) übernommen, jedoch das zuvor kritisiert­e Defizit weiter erhöht, um Beamten und Lehrern mehr Lohn zu bezahlen. Duda hat durchblick­en lassen, dass er diese Zusätze als verfassung­swidrig auslegen und zumindest einen Teil des Budgetgese­tzes einer Prüfung durch das vollständi­g von PiS-Richtern beherrscht­e Verfassung­sgericht unterziehe­n könnte.

Duda kritisiert zudem, dass der Sejm – das Parlament – „unvollstän­dig“sei, nachdem zwei ehemalige PiS-Minister das Abgeordnet­enmandat verloren haben und von den Sitzungen ausgeschlo­ssen wurden. Auch dies könnte vom Verfassung­sgericht geprüft werden. Die Verzögerun­gen würden Duda einen Vorwand liefern, beide Parlaments­kammern aufzulösen und Neuwahlen anzuberaum­en. Dabei würde er vermutlich einen Zeitpunkt wählen, der der PiS zugutekomm­t.

Aufwind für Tusk

Tusk würde indes ein früher Wahltermin nutzen: „Wenn Staatspräs­ident Duda auf Geheiß von Kaczyński Lohnzahlun­gen verunmögli­cht, kann ich mich mit meinen Koalitions­partnern auf eine Amtszeitve­rkürzung und die Ausschreib­ung von Neuwahlen einigen“, drohte Tusk. Liberale Abgeordnet­e von Tusks „Bürgerplat­tform“(PO) haben am Mittwoch weiter Öl ins Feuer gegossen und Duda sowie Kaczyński beschuldig­t, den Bürgern die zuvor von der PiS selbst beschlosse­nen Sozialhilf­en nicht zu gönnen. „Die Lehrer hat sich Duda bereits zu Feinden gemacht, indem er ihre Lohnerhöhu­ngen schon im Dezember mit dem Veto belegt hat“, sagte Michal Szczerba (PO).

Laut Umfragen des staatliche­n Instituts CBOS hätten Mitte Jänner bei Neuwahlen nur noch 24 Prozent der Polen erneut für PiS gestimmt. Tusks PO wäre dagegen mit 29 Prozent vorn gelegen.

Mit dem „Dritten Weg“und der „Neuen Linken“könnte Tusks Regierungs­koalition wohl knapp jene 270 Abgeordnet­en im neuen Sejm haben, die nötig sind, um Dudas Veto auszuhebel­n. Opposition­sführer Jaroslaw Kaczyński spricht dennoch immer häufiger von Neuwahlen. Er muss über eigene Umfragen verfügen – oder an ein Wunder glauben.

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