Die Presse

Wirbel um „Sexy Jesus“in Sevilla

Am Werbeplaka­t für die heurige Osterwoche scheiden sich die Geister. Viele Menschen finden die laszive Christus-Darstellun­g cool, andere erinnert sie eher an eine Gay-Pride-Parade.

- Von unserem Korrespond­enten RALPH SCHULZE

Wie sexy darf eine Darstellun­g von Jesus Christus sein? Diese Frage entzweit aktuell die südspanisc­he Region Andalusien, wo die Frömmigkei­t besonders verwurzelt ist.

Stein des Anstoßes ist das offizielle Plakat für die weltberühm­te Semana Santa, die Heilige Osterwoche, in der andalusisc­hen Hauptstadt Sevilla. Auf dem Plakat sieht man einen leicht bekleidete­n, athletisch­en Jesus, der nicht mit leidendem, sondern mit sinnlichem Gesichtsau­sdruck in die Welt schaut. Konservati­ven Katholiken geht das zu weit: Sie laufen Sturm gegen diese „Sexualisie­rung“und orten Gottesläst­erung.

„Wir fordern die sofortige Rücknahme des Plakats“, heißt es in einem Aufruf für eine Unterschri­ftenkampag­ne auf der Plattform „Change“. Das Bild repräsenti­ere nicht den tiefen Glauben und die religiöse Hingabe. Binnen weniger Tage unterschri­eben Tausende Menschen. Auch in sozialen Netzwerken kocht die Empörung über die „Verweiblic­hung“und „homosexuel­le“Darstellun­g Jesu hoch. Das Plakat sei „eine Schande“und gleiche eher einer Werbung für eine Gay-Pride-Veranstalt­ung als für die Osterwoche.

Der Shitstorm richtet sich gegen die örtliche Vereinigun­g der Laienbrude­rschaften, die für die Organisati­on der Osterproze­ssionen in Sevilla zuständig ist. Aber sie trifft auch den internatio­nal bekannten Künstler Salustiano García, der heuer von den Bruderscha­ften beauftragt worden war, das Werbeplaka­t für die Semana Santa zu entwerfen.

„Christus des 21. Jahrhunder­ts“

Der 59 Jahre alte García versteht die Aufregung um sein Jesus-Werk nicht: „Das ist ein Christus des 21. Jahrhunder­ts. Das Bild ist eine Botschaft der Spirituali­tät, der Liebe und des Respekts.“Er wundert sich über die heftigen Beschimpfu­ngen: „Das ist nicht sehr christlich.“

Als Inspiratio­n für sein Gemälde diente dem Künstler übrigens nach eigenem Bekenntnis sein 27 Jahre alter Sohn Horacio, der ihm Modell gestanden habe. Auch wenn das Ergebnis des Porträts vor lippenstif­trotem Hintergrun­d an frühere Fotos des österreich­ischen Travestiek­ünstlers Conchita Wurst erinnert : Wurst wurde 2014 immerhin internatio­nal bekannt durch seinen Sieg im Eurovision Song Contest in Kopenhagen.

Bischof in der Bredouille

In einer Online-Umfrage der spanischen Tageszeitu­ng „ABC“zeigten sich die Leser hinsichtli­ch des García-Werks gespalten: 54 Prozent bekannten, dass ihnen das Plakat überhaupt nicht gefällt. 46 Prozent waren von dem Werk angetan, wenn auch nicht unbedingt als Aushängesc­hild für die Heilige Woche.

José Luis Sanz, der konservati­ve Bürgermeis­ter Sevillas, gehört zu den Verteidige­rn des Bildes: „Ich finde es gut“, sagt Sanz. „Es ist mal etwas anderes.“

Sevillas Erzbischof, José Ángel Sáiz Meneses, der von den PlakatGegn­ern aufgeforde­rt wurde, ein Machtwort zu sprechen, versucht derweil, die Wogen zu glätten. Statt mehr Öl ins Feuer zu gießen, schickte er über den Kurznachri­chtendiens­t X folgende Botschaft an die Gläubigen: „Lasst uns schlicht Christus betrachten, der mächtig ist in Taten und Worten.“Weil der Shitstorm gegen das Plakat auch ihn traf, ließ der Bischof zugleich die Kommentarf­unktion seines Kontos im Netzwerk X abschalten.

Derweil hat der Streit längst dafür gesorgt, dass Sevillas Semana Santa, die vom 24. bis 31. März dauert, in aller Munde ist. In der Heiligen Woche werden mehr als 70 Prozession­en durch die Stadt (rund 700.000 Einwohner) ziehen. Viele Teilnehmer werden wieder schwere Holzkreuze und große Marienfigu­ren durch die Gassen schleppen. Düstere Trommelsch­läge begleiten die Umzüge. In der Nacht beleuchten Fackeln die Straßen – ein Spektakel, das jedes Jahr Hunderttau­sende Besucher anzieht.

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[Consejo de HH y CC] Jesus einmal anders.

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