Die Presse

„Tom Turbo hätte helfen können!“

Herbert Kickls aus SPÖ-Sicht „große Angst“vor Journalist­en stand am Beginn der ersten Parlaments­sitzung des Jahres. An ihrem Ende stand auch das Aus des Amtsgeheim­nisses.

- VON JULIA WENZEL

Für Herbert Kickl (FPÖ) war sie der „passende Einstieg“in das „Superwahlj­ahr“2024, die die volle Breitseite an Kritik gegen den ORF zum Thema hatte. Die erste Sitzung des Nationalra­ts am Mittwoch startete mit einer Aktuellen Stunde der FPÖ und somit mit lautstarke­r Polterei gegen „als Journalist­en getarnte Polit-Akteure, die den ORF für Propaganda gegen die freiheitli­che Partei missbrauch­en“. Die neue ORF-Haushaltsa­bgabe, die seit 1. Jänner für alle Haushalte fällig ist, nannte er „Zwangssteu­er“und „Massengeld­strafe“.

Seine Hiebe Richtung ÖVP im „Angsthasen­sektor“fielen ebenfalls gewohnt deftig aus. Die Kanzlerred­e in Wels vom Freitag, in der Karl Nehammer Kickl als rechtsextr­em bezeichnet­e, nannte er eine „massenther­apeutische Sitzung“im „größten Panikraum der Republik“. Die ÖVP wälze ihre eigene Angst vor ihm auf die Bevölkerun­g ab. „Die Zuseher können zu Hause den Angstschwe­iß schon riechen.“

Was folgte, war eine parteiüber­greifende Allianz gegen Kickls ORFKritik. Medienmini­sterin Susanne Raab (ÖVP) verteidigt­e die Reform mit dem Hinweis, dass der Betrag für 3,2 Mio. ehemalige Gis-Zahler nun deutlich günstiger sei. In Richtung Kickl sagte sie, dass er „die ganze Wahrheit“sagen solle, nämlich, dass er gegen alle kritischen Medien sei. Für Applaus und lautes Gelächter in allen Fraktionen, sogar jener der Blauen, sorgte SPÖKlubche­f Philip Kucher. „Wir alle haben wahrschein­lich schon Interviews gehabt, über die wir nicht glücklich waren“, sagte er. „Das ist aber auch nicht die Aufgabe von Journalist­en, uns glücklich zu machen. Ein bisschen was muss man auch aushalten. Gerade für dich, Herbert, wäre es so wichtig, dass dich Journalist­en immer wieder mit Fakten konfrontie­ren.“Kucher verwies auf einen „Sumpf“in der FPÖ und den Umstand, dass sich Kickl vor Journalist­en deshalb fürchte, weil sie ihn daran erinnerten, dabei hätte er selbst darauf schauen müssen. „Du hättest öfter das Kinderprog­ramm anschauen sollen im ORF. Der Tom Turbo oder der Fritz Phantom, die hätten dir helfen können bei der Recherche, wie schaut es mit dem Goldschatz aus in Tirol, wo sind die Eurofighte­r-Millionen?“

Christian Hafenecker (FPÖ) bedankte sich im Anschluss bei der „Schreberga­rtenpartei“SPÖ „für die Eröffnung des Villacher Faschings“. Die Grüne Klubchefin, Sigrid Maurer, sah sich bestätigt, dass die FPÖ „das deklariert­e Vorbild Orbán“habe, in dem „kritische Stimmen stumm gestellt werden“. Neos-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger zeigte ein gewisses Verständni­s für die Kritik an der „Zwangssteu­er“. Ihre Fraktion plädierte einmal mehr für eine umfassende ORF-Gremienref­orm.

Kogler und Edtstadler erfreut

Im Anschluss folgte eine Aktuelle Europastun­de der ÖVP. Reinhold Lopatka reiste in seiner Rede als frisch gekürter Spitzenkan­didat für die EU-Wahl weit in die europäisch­e Geschichte zurück. Er betonte wie Nachredner­in Karoline Edtstadler (ÖVP), dass die Neutralitä­t Österreich­s mit einer gemeinsame­n europäisch­en Sicherheit­spolitik vereinbar sei. Lopatkas Kritik an EU-Parlamenta­rier Harald Vilimsky (FPÖ) löste überrasche­nden Zuspruch

aus: Der Vizepräsid­ent des EU-Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), saß neben Vilimsky, lachte und klopfte diesem dabei aufmuntern­d auf die Schulter. Später plädierte Karas für mehr Verteidigu­ngsfähigke­it der EU. „Wenn wir uns ernst nehmen, müssen wir ohne USA und Nato wehrhaft sein.“

Neben erfolglose­n Neuwahlant­rägen von SPÖ und FPÖ stand mit dem Informatio­nsfreiheit­sgesetz am Nachmittag ein Großprojek­t von Türkis-Grün an. Mit den Stimmen der SPÖ wurde so das Ende des Amtsgeheim­nisses beschlosse­n. In Kraft tritt das Gesetz im September 2025. Werner Kogler (Grüne) und Edtstadler sprachen nach dem Ministerra­t einmal mehr von einem „Paradigmen­wechsel“.

 ?? [APA/Max Slovencik] ?? Nicht nur Medienmini­sterin Raab (ÖVP) verteidigt­e den ORF gegen die heftigen Angriffe der FPÖ.
[APA/Max Slovencik] Nicht nur Medienmini­sterin Raab (ÖVP) verteidigt­e den ORF gegen die heftigen Angriffe der FPÖ.

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