Die Presse

Im Wettlauf gegen den Zeitgeist

Die „Könige des Winterspor­ts“nehmen in Seefeld den Höhepunkt der Saison unter die Ski, Mario Stecher spricht über den Kampf um Aufmerksam­keit.

- VON MICHAEL STADLER

Seefeld. Die nordischen Kombiniere­r springen und laufen einer ungewissen Zukunft entgegen. Ausgerechn­et jener Faktor, der ihre Sportart zur Königsdisz­iplin der nordischen Sparte gemacht hat, scheint beim Publikum immer weniger gefragt zu sein: die Kunst, vermeintli­ch unvereinba­re Diszipline­n zu kombiniere­n. Der Zeitgeist verlangt verstärkt nach Spezialist­en, nicht umsonst verschwind­en auch im alpinen Skisport sukzessive die „Allrounder“.

Mario Stecher, der sportliche Leiter im Österreich­ischen Skiverband, glaubt dennoch an das Potenzial der Alleskönne­r. „Es gibt nicht viele, die es schaffen, aber deren Leistungen sind umso bemerkensw­erter“, sagt er. Als ehemaliger Kombiniere­r weiß der 46-jährige Steirer, wovon er spricht.

Seefeld ist kein Allheilmit­tel

In Seefeld, wo von Freitag bis Sonntag das Nordic Combined Triple steigt, gilt es für die Kombiniere­r, Werbung in eigener Sache zu machen. „Das ist das Saisonhigh­light, keine Frage“, beschreibt Stecher die drei Bewerbe, deren addierte Ergebnisse am Ende bereits zum elften Mal einen Gesamtsieg­er hervorbrin­gen werden. Nicht nur als

Österreich­er wolle man da gewinnen, auch internatio­nal sei die Veranstalt­ung sehr angesehen – besonders in einem Winter wie diesem, ohne Olympia oder WM.

Zur Steigerung der Wertigkeit der Sportart an sich könne das Event jedoch nur wenig beitragen. „Wichtig ist, dass wir in Zukunft den neu eingeführt­en Kompaktbew­erb forcieren. Und dass die FIS (Internatio­naler Skiverband, Anm.) in Richtung des IOC (Internatio­nales Olympische­s Komitee, Anm.) weiter Lobbying betreibt“, lautet die Einschätzu­ng des je zweifachen TeamOlympi­asiegers und Weltmeiste­rs.

Im Hintergrun­d schwelt ein Konflikt mit dem IOC, das entgegen allen Bemühungen um Geschlecht­ergerechti­gkeit die Kombiniere­rinnen nicht in das Programm für Olympia 2026 aufgenomme­n hat. Selbst die Männer schafften es beinahe nicht auf die Liste für Mailand und Cortina d’Ampezzo. Zu gering seien die Leistungsd­ichte an der Weltspitze sowie das Zuschaueri­nteresse.

Inzwischen steht fest: Die Männer dürfen in zwei Jahren mit dabei sein – jedoch wurde das Starterfel­d

auf 36 Athleten, also zwei pro Nation, reduziert. „Diese Quotenrege­lung bringt für den Sport gar nichts“, ärgert sich Stecher. In der Loipe mag eine möglichst große Anzahl an teilnehmen­den Nationen noch Sinn ergeben, auf der Skisprungs­chanze sei dies jedoch ein utopischer Wunschgeda­nke.

„Diese Situation bedeutet einen schleichen­den Tod der Disziplin“, befand Ronny Ackermann, Ex-Weltmeiste­r und ehemaliger Nationalma­nnschaftst­rainer aus Deutschlan­d, vor rund einem Jahr. So pessimisti­sch sieht es Stecher nicht, doch ob der Ungewisshe­it vor einem Rausschmis­s von Olympia 2030, sieht er die FIS in der Pflicht. „Wir brauchen Formate, die flott über die Bühne gehen. Ein Bewerb darf keine sechs Stunden dauern“, mahnt er. Schließlic­h ist der Kampf um Aufmerksam­keit nicht zuletzt auch ein Kampf um Sendezeit im Fernsehen.

Der erwähnte Kompaktbew­erb (der Zweitplatz­ierte nach dem Springen geht mit festgelegt­en sechs Sekunden Rückstand auf den Ersten in die Loipe) gelte als Schritt in die richtige Richtung. Zwar habe es vor der Saison erhebliche­n Gegenwind aus Norwegen gegeben, inzwischen sei die dominieren­de Nation im Kombinatio­nsweltcup jedoch von der sportliche­n Wertigkeit sowie der Notwendigk­eit dieses Formats überzeugt. „Wir müssen die Kirchturmp­olitik hinter uns lassen und erkennen, dass es nicht um den Vorteil einzelner Nationen, sondern um die Existenz der nordischen Kombinatio­n an sich geht“, sagt Stecher.

Kein Klotz am Bein

Anders als viele andere Sportarten würde der zwölffache Weltcupsie­ger nicht zu sehr auf Expansion setzen. „Wir sind viele Jahre in China und Japan gewesen, nachhaltig­e Vorteile haben wir nicht daraus gezogen“, berichtet er – und fordert viel eher eine Optimierun­g der Infrastruk­tur in den etablierte­n Ländern. „In Ländern, in denen nordische Kombinatio­n qualitativ hochwertig betrieben wird, ist die Wertschätz­ung für diesen Sport sehr hoch. In Deutschlan­d kommt sie im Fernsehen sehr gut an.“

Schlussend­lich steht und fällt wohl alles mit dem IOC und einem Olympiaver­bleib (oder im Falle der Frauen mit einer Aufnahme). Stecher: „Wir müssen zeigen, dass wir kein Klotz am Bein, sondern eine Kernsporta­rt sind.“

‘‘ Es geht nicht um den Vorteil einzelner Nationen, sondern um die Existenz der nordischen Kombinatio­n an sich.

Mario Stecher, Sportliche­r Leiter ÖSV

 ?? [Georg Hochmuth/APA] ?? Johannes Lamparter ist Titelverte­idiger in Seefeld. Zuletzt krank, wird der Lokalmatad­or erst kurzfristi­g über einen Start entscheide­n.
[Georg Hochmuth/APA] Johannes Lamparter ist Titelverte­idiger in Seefeld. Zuletzt krank, wird der Lokalmatad­or erst kurzfristi­g über einen Start entscheide­n.

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