Die Presse

Trainerkar­ussell im Fußball: Der größte Sesseltanz der Welt

Jürgen Klopp und Xavi haben ein „Fußball-Beben“in Gang gesetzt. Ein halbes Dutzend Starcoache­s könnte schon bald einen neuen Job haben.

- VON JOSEF EBNER E-Mails: josef.ebner@diepresse.com

Jedes Wort wird gerade auf die Waagschale gelegt. Das musste Thomas Tuchel erfahren, als der Bayern-Coach etwas zu sehr vom spanischen Fußball schwärmte, just einen Tag nachdem Barcelona-Trainer Xavi Hernández hingeschmi­ssen hatte. Denn seit Xavi und Jürgen Klopp beim FC Liverpool innerhalb von 36 Stunden angekündig­t haben, im Sommer ihre Sessel zu räumen, also zwei der begehrtest­en Trainerstü­hle der Fußballwel­t frei geworden sind, droht ein Domino-Effekt quer durch alle europäisch­en Topmannsch­aften.

Ein halbes Dutzend Toptrainer könnten schon bald einen neuen Job haben. Also bringen sich Kandidaten und ihre Berater in Stellung. Klubund Verbandsbo­sse stehen unter Zugzwang, kurzum: Es ist gehörig Druck im Kessel dieser Branche.

Mittendrin im „Trainer-Kochtopf“: Leverkusen-Erfolgscoa­ch Xabi Alonso als Topkandida­t auf die Klopp-Nachfolge in Liverpool; Mikel Arteta (Arsenal), Pep Guardiola (Manchester City) und Luis Enrique (Paris Saint-Germain) als Wunschlösu­ngen für Barcelona. Außenseite­rchancen hat auch Julian Nagelsmann, der aktuelle deutsche Teamchef, der der kriselnden Fußball-Großmacht zumindest noch eine respektabl­e Heim-EM im Sommer bescheren soll. Seine Situation ist besonders verzwickt. Nagelsmann hat jetzt nicht nur eine Art Schatten-Bundestrai­ner, schließlic­h wünschen sich viele Deutsche den charismati­schen Klopp als Teamchef. Er hat auch mit den jüngsten Nationalte­am-Auftritten (0:2 gegen Österreich) gewaltig an Reputation eingebüßt. Und gelingt ihm doch noch eine gute EM, wird das zu spät sein für die prestigetr­ächtigen Vakanzen bei den Topklubs.

Allerdings: Dieses einzigarti­ge Trainerkar­ussell dreht sich weit über den Sommer 2024 hinaus. Bei der ebenfalls kriselnden brasiliani­schen Nationalma­nnschaft hat kürzlich Dorival Júnior übernommen, weil der eigentlich­e Topkandida­t Carlo Ancelotti lieber bei Real Madrid verlängert­e. Dem Vernehmen nach wird er dort aber schon 2025 seinen Trainerses­sel räumen. Für Klopp? Oder doch für Xabi

Alonso? Nicht zu vergessen: Dass andere Startraine­r wie Zinédine Zidane, Antonio Conte, José Mourinho oder Hansi Flick ebenfalls auf Jobsuche sind, macht die Situation nicht übersichtl­icher.

Tuchel, der sich für seine SpanienSch­wärmerei heftige Kritik aus dem Bayern-Umfeld anhören musste, kann man kaum den Vorwurf machen, dass er nichts kategorisc­h ausschließ­t. Sollte die Saison für die Münchner titellos enden, was nach aktuellem Stand keine Überraschu­ng mehr wäre, dürfte seine Zeit bei den Bayern abgelaufen sein. Und dann wird eine Frage all das noch einmal über den Haufen werfen: Wer setzt sich als Nächster auf den Bayern-Schleuders­itz?

Zinédine Zidane, Antonio Conte, José Mourinho und Hansi Flick – zahlreiche Startraine­r sind aktuell ohne Job.

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