Immobilienbranche: „Dramatische Wohnbauverknappung“
Die Zahl der Wohnungsfertigstellungen wird ab 2025 deutlich einbrechen, erwarten Experten. Damit werden die Kosten weiter steigen.
Hohe Zinsen, gestiegene Baukosten und verschärfte Kreditrichtlinien im Zuge der KIM-Verordnung – all das führte zuletzt zu einer tiefen Krise in der Baubranche, der nicht nur René Benkos SignaImperium zum Opfer fiel. „Diese schwierigen Marktbedingungen führen bei uns zu einer nicht gerade lustigen Zeit“, sagt Gerald Gollenz, Obmann des Fachverbands der Immobilientreuhänder in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), am Mittwoch bei einer Pressekonferenz.
Die heimische Immobilienwirtschaft habe in den vergangenen Jahren viel gebaut, betont Gollenz. Trotz der sich eintrübenden Marktlage wurden 2023 österreichweit rund 43.800 neue Wohneinheiten fertiggestellt – so viele wie noch nie. Die Prognosen für die kommenden Jahre sind jedoch alles andere als vielversprechend: Für 2024 wird bereits eine deutlich niedrigere Fertigstellungszahl erwartet (minus zwölf Prozent), für die Jahre danach sind über alle Segmente noch deutlich weniger Wohneinheiten in der Pipeline (nach 2025: minus 33 Prozent). Gerade im Bereich der Eigentumsund frei finanzierten Mietwohnungen kommt der Markt fast gänzlich zum Erliegen, wie der am Mittwoch präsentierte Neubaubericht der Bauträgerdatenbank Exploreal zeigt.
Preise um 9,5 Prozent gestiegen
„Aufgrund von Verschiebungen der prognostizierten Fertigstellungen in die ersten beiden Quartale 2024 bleiben die Zahlen für 2024 noch relativ stabil“, sagt Alexander Bosak von Exploreal. Ab 2025 sinken die Zahlen aber stetig, mit einem Abfall auf rund 29.000 fertiggestellte Einheiten 2025. „Ein Trend, der sich weiter fortsetzt“, so Bosak.
„Erstmals seit vielen Jahren gibt es derzeit ein ausreichendes Angebot auf dem Wohnungsmarkt, das wird sich ab 2025 aber durch fehlende Fertigstellungen drehen“, sagt Gollenz. Durch die zu erwartende Angebotsverknappung würden die Preise für Wohnungsneubauten danach noch stärker steigen, erwartet der WKO-Branchensprecher der Immobilienwirtschaft.
Der durchschnittliche Quadratmeterpreis für die zuletzt rund 23.500 fertiggestellten Eigentumswohnungen liegt österreichweit bei 6101 Euro – das entspricht einem Anstieg von 9,5 Prozent gegenüber 2022. Die höchsten Preiszuwächse gab es in Kärnten bzw. Salzburg mit durchschnittlich plus 12,8 bzw. plus 12,7 Prozent. In Wien stiegen die Kosten für neue Eigentumswohnungen um vergleichsweise schlanke vier Prozent. Mit durchschnittlich 7069 Euro pro Quadratmeter sind die Eigentumspreise in der Bundeshauptstadt hinter Tirol (7421 Euro) am zweithöchsten. (Vorarlberg wurde in der umfassenden Exploreal-Studie nicht untersucht.)
Für 2024 erwartet Bauträgersprecher Hans Jörg Ulreich eine Seitwärtsbewegung bei den Immobilienpreisen. „Spätestens nächstes Jahr werden wir aber in ganz Österreich deutliche Preissprünge sehen. „Die Aufträge der Bauwirtschaft sind eingebrochen. Bei den aktuellen Mietpreisen rechnen sich Neubauprojekte für Bauträger ganz einfach nicht“, so Ulreich, der von einer „dramatischen Wohnbauverknappung“ausgeht.
Sanieren statt neu bauen
„Es braucht jetzt große Anreize der Politik, um alte Wohnungen zu sanieren, sonst muss ein Großteil der auf dem Bau Beschäftigten in den nächsten Monaten stempeln gehen. Wenn wir unsere Klimaziele im Gebäudebereich erreichen wollen, braucht es jetzt eine Sanierungsoffensive“, so Ulreich, der auf die in Österreich unterdurchschnittliche Sanierungsquote verweist. „Dieses Thema jetzt konsequent anzugehen würde einerseits der Baubranche enorm helfen, gleichzeitig könnten hier große Rückstände wettgemacht werden.“
Was es dazu freilich bräuchte, wären der politische Wille und das Verständnis der Bundesregierung. Beides vermisst man in der Branche derzeit. (fre)