Der große Ausverkauf: Wie billig darf es sein?
Die Causa Signa wirft viele Fragen auf, die auch für andere Firmen in der Krise relevant sind: Dürfen Unternehmen dann ihr Vermögen verschleudern? Und hält ein vereinbartes Wiederkaufsrecht in der Insolvenz?
Wenn es um die Sanierungsverfahren in René Benkos ehemaligem Imperium geht, fällt immer häufiger ein Schlagwort: Fire-Sale. Ob und wie es gelingen kann, Notverkäufe zu verhindern, beschäftigt die Gläubigerschützer – und nicht nur sie. Denn sollten in großem Stil Vermögenswerte aus der SignaGruppe zu Schleuderpreisen angeboten werden, könnte das den angespannten Immobilienmarkt noch mehr destabilisieren. Und weitere Abverkäufe auslösen.
Aber gibt es für Deals weit unter dem Marktwert auch rechtliche Grenzen? Diese Frage stellt sich vor allem, wenn noch kein Insolvenzverfahren läuft. Sondern versucht wird, durch Notverkäufe einen Liquiditätsengpass zu überwinden. Preisabschläge können dann schon gerechtfertigt sein, sagt Rechtsanwalt Wilhelm Milchrahm im Gespräch mit der „Presse“. Allerdings gelte das nicht unbeschränkt.
Business Judgement Rule
„Die Gesellschaftsorgane müssen die wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft sorgfältig wahren“, sagt Milchrahm. Generell gelten auch hier die Grundsätze der Business Judgement Rule: Auf der sicheren Seite ist man, wenn man belegen kann, dass man zum Wohl der Gesellschaft gehandelt hat, auf Basis angemessener Informationen und unter Außerachtlassung sachfremder Interessen. Dann haftet man nicht, selbst wenn sich eine Entscheidung später als nachteilig für die Gesellschaft erweist.
Weiters sind gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen zu beachten, etwa Vorgaben im Gesellschaftsvertrag und bei einer GmbH auch durch die Generalversammlung. Hat diese z. B. die Geschäftsführung angewiesen, eine Liegenschaft nicht unter einer Million Euro zu verkaufen, „darf diese nicht ohne Weiteres für 950.000 Euro verkauft werden“, nennt der Anwalt ein Beispiel. Geht es de facto um das gesamte Gesellschaftsvermögen – etwa um die einzige Immobilie einer Projektgesellschaft, die in einem Notverkauf zu Geld gemacht werden soll –, gelten zudem Sonderregeln: Dafür braucht es einen Gesellschafterbeschluss und einen Notariatsakt. Grundlage ist eine aktienrechtliche Regelung, die laut OGH-Judikatur analog auch für eine GmbH gilt.
Besteht grobes Missverhältnis?
Generell ist zudem die Grenze der „laesio enormis“zu beachten („Verkürzung über die Hälfte“, wenn z. B. der Preis weniger als die Hälfte des Werts ausmacht). Letztere kann zwar zulasten von Unternehmen vertraglich ausgeschlossen werden. Aber ein Deal, bei dem Wert und Gegenwert in einem groben Missverhältnis stehen, könnte trotzdem unwirksam sein – etwa bei Wucher oder, wenn die Käuferseite an der gesellschaftsrechtlichen Zulässigkeit zweifeln musste.
Besonders relevant wird all das in insolvenznahen Situationen, denn dann kommen auch noch die Anfechtungsbestimmungen ins Spiel. Werden durch ein Rechtsgeschäft im Jahr vor Insolvenzeröffnung die Gläubiger geschädigt, muss dieses womöglich rückabgewickelt werden. Der Insolvenzverwalter muss das prüfen und gegebenenfalls aufgreifen. „Die Anfechtungstatbestände decken zahlreiche Fälle der Vermögensminderung ab“, sagt Milchrahm. Wenn etwa der Käufer eine „Vermögensverschleuderung“erkannt hat oder erkennen musste, ist ein solcher Deal anfechtbar.
Reduzieren lässt sich das Risiko, wenn sich belegen lässt, dass der vereinbarte Preis eben doch angemessen war oder man das zumindest annehmen durfte. „In der Praxis werden deshalb mitunter Fairness
Opinions eingeholt“, sagt Milchrahm. Je bewegter der Markt – so wie jetzt –, desto schwieriger kann es allerdings sein, überhaupt einen fairen Marktpreis zu bestimmen. Dazu kommt, dass manche Vermögenswerte von vornherein schwer einzuschätzen sind. Gerade bei halb fertigen Baustellen mag das oft zutreffen.
Alles in allem gehe es somit darum, „die Parameter einer sorgfältigen unternehmerischen Entscheidung für die besondere Sachverhaltskonstellation zu identifizieren und abzuwägen“, sagt Milchrahm. Nachsatz: „Dort, wo kein Ermessensspielraum wahrgenommen wird, bestehen auch die strafrechtlichen Grenzen für die handelnden Personen.“Das Fazit des Juristen: „Der Kaufpreis kann auch in einer Notsituation nicht beliebig gestaltet werden.“
Das führt zu einem weiteren, gerade in insolvenznahen Szenarien heiklen Thema: dem Wiederkaufsrecht.
Vor allem die öffentliche Hand als Verkäuferin von Liegenschaften behält sich ein solches gern vor, um sicherzustellen, dass die Liegenschaft dann auch tatsächlich zum vereinbarten Zweck genutzt wird. Die Signa-Gruppe lieferte auch dafür ein medienwirksames Beispiel: den Elbtower in Hamburg. Auch da schlitterte die Projektgesellschaft in die Insolvenz, laut Medienberichten pocht nun die Stadt Hamburg auf ihr vertraglich zugesagtes Recht, bei einer wirtschaftlichen Schieflage der Käufergesellschaft die Liegenschaft zum ursprünglichen Verkaufspreis minus fünf Millionen Euro zurückzukaufen. Und das, obwohl Letztere schon rund 300 Mio. Euro in das Projekt investiert haben soll.
Ist Wiederkaufsrecht wirksam?
Im konkreten Fall soll nun strittig sein, ob die Formulierung im Vertrag bei einer Insolvenz des Projektentwicklers vor Fertigstellung des Gebäudes überhaupt greift. Davon abgesehen, stellen sich jedoch auch hier grundsätzliche Fragen – jedenfalls wäre das nach österreichischem Recht der Fall. Geht man davon aus, dass das Wiederkaufsrecht in der Insolvenz nicht erlischt, „würde bei dessen Ausübung ein zweiter Kaufvertrag entstehen, von dem dann jedoch der Insolvenzverwalter in der Regel zurücktreten könnte“, gibt Milchrahm zu bedenken. Und bei einem groben Missverhältnis zwischen Wert und Preis müsste er das wohl auch tun. Dem Wiederkaufsberechtigten bliebe dann nur ein Schadenersatzanspruch als Insolvenzforderung.
Beim Kauf einer Liegenschaft aus einer nicht insolventen Projektgesellschaft ist indes zu beachten, dass der (Wieder-)Käufer, wenn er damit im Wesentlichen das gesamte Vermögen der Projektgesellschaft übernimmt, je nach den Gegebenheiten auch für deren Schulden haftbar werden könnte. Auch dabei könne es eine Rolle spielen, ob das Entgelt dem Wert des übernommenen Vermögens entspricht, sagt Milchrahm. Eine „faire und angemessene“Preisgestaltung liegt somit auch hier im Interesse beider Seiten.