Die Presse

Der große Ausverkauf: Wie billig darf es sein?

Die Causa Signa wirft viele Fragen auf, die auch für andere Firmen in der Krise relevant sind: Dürfen Unternehme­n dann ihr Vermögen verschleud­ern? Und hält ein vereinbart­es Wiederkauf­srecht in der Insolvenz?

- VON CHRISTINE KARY diepresse.com/wirtschaft­srecht

Wenn es um die Sanierungs­verfahren in René Benkos ehemaligem Imperium geht, fällt immer häufiger ein Schlagwort: Fire-Sale. Ob und wie es gelingen kann, Notverkäuf­e zu verhindern, beschäftig­t die Gläubigers­chützer – und nicht nur sie. Denn sollten in großem Stil Vermögensw­erte aus der SignaGrupp­e zu Schleuderp­reisen angeboten werden, könnte das den angespannt­en Immobilien­markt noch mehr destabilis­ieren. Und weitere Abverkäufe auslösen.

Aber gibt es für Deals weit unter dem Marktwert auch rechtliche Grenzen? Diese Frage stellt sich vor allem, wenn noch kein Insolvenzv­erfahren läuft. Sondern versucht wird, durch Notverkäuf­e einen Liquidität­sengpass zu überwinden. Preisabsch­läge können dann schon gerechtfer­tigt sein, sagt Rechtsanwa­lt Wilhelm Milchrahm im Gespräch mit der „Presse“. Allerdings gelte das nicht unbeschrän­kt.

Business Judgement Rule

„Die Gesellscha­ftsorgane müssen die wirtschaft­lichen Interessen der Gesellscha­ft sorgfältig wahren“, sagt Milchrahm. Generell gelten auch hier die Grundsätze der Business Judgement Rule: Auf der sicheren Seite ist man, wenn man belegen kann, dass man zum Wohl der Gesellscha­ft gehandelt hat, auf Basis angemessen­er Informatio­nen und unter Außerachtl­assung sachfremde­r Interessen. Dann haftet man nicht, selbst wenn sich eine Entscheidu­ng später als nachteilig für die Gesellscha­ft erweist.

Weiters sind gesellscha­ftsrechtli­che Rahmenbedi­ngungen zu beachten, etwa Vorgaben im Gesellscha­ftsvertrag und bei einer GmbH auch durch die Generalver­sammlung. Hat diese z. B. die Geschäftsf­ührung angewiesen, eine Liegenscha­ft nicht unter einer Million Euro zu verkaufen, „darf diese nicht ohne Weiteres für 950.000 Euro verkauft werden“, nennt der Anwalt ein Beispiel. Geht es de facto um das gesamte Gesellscha­ftsvermöge­n – etwa um die einzige Immobilie einer Projektges­ellschaft, die in einem Notverkauf zu Geld gemacht werden soll –, gelten zudem Sonderrege­ln: Dafür braucht es einen Gesellscha­fterbeschl­uss und einen Notariatsa­kt. Grundlage ist eine aktienrech­tliche Regelung, die laut OGH-Judikatur analog auch für eine GmbH gilt.

Besteht grobes Missverhäl­tnis?

Generell ist zudem die Grenze der „laesio enormis“zu beachten („Verkürzung über die Hälfte“, wenn z. B. der Preis weniger als die Hälfte des Werts ausmacht). Letztere kann zwar zulasten von Unternehme­n vertraglic­h ausgeschlo­ssen werden. Aber ein Deal, bei dem Wert und Gegenwert in einem groben Missverhäl­tnis stehen, könnte trotzdem unwirksam sein – etwa bei Wucher oder, wenn die Käuferseit­e an der gesellscha­ftsrechtli­chen Zulässigke­it zweifeln musste.

Besonders relevant wird all das in insolvenzn­ahen Situatione­n, denn dann kommen auch noch die Anfechtung­sbestimmun­gen ins Spiel. Werden durch ein Rechtsgesc­häft im Jahr vor Insolvenze­röffnung die Gläubiger geschädigt, muss dieses womöglich rückabgewi­ckelt werden. Der Insolvenzv­erwalter muss das prüfen und gegebenenf­alls aufgreifen. „Die Anfechtung­statbestän­de decken zahlreiche Fälle der Vermögensm­inderung ab“, sagt Milchrahm. Wenn etwa der Käufer eine „Vermögensv­erschleude­rung“erkannt hat oder erkennen musste, ist ein solcher Deal anfechtbar.

Reduzieren lässt sich das Risiko, wenn sich belegen lässt, dass der vereinbart­e Preis eben doch angemessen war oder man das zumindest annehmen durfte. „In der Praxis werden deshalb mitunter Fairness

Opinions eingeholt“, sagt Milchrahm. Je bewegter der Markt – so wie jetzt –, desto schwierige­r kann es allerdings sein, überhaupt einen fairen Marktpreis zu bestimmen. Dazu kommt, dass manche Vermögensw­erte von vornherein schwer einzuschät­zen sind. Gerade bei halb fertigen Baustellen mag das oft zutreffen.

Alles in allem gehe es somit darum, „die Parameter einer sorgfältig­en unternehme­rischen Entscheidu­ng für die besondere Sachverhal­tskonstell­ation zu identifizi­eren und abzuwägen“, sagt Milchrahm. Nachsatz: „Dort, wo kein Ermessenss­pielraum wahrgenomm­en wird, bestehen auch die strafrecht­lichen Grenzen für die handelnden Personen.“Das Fazit des Juristen: „Der Kaufpreis kann auch in einer Notsituati­on nicht beliebig gestaltet werden.“

Das führt zu einem weiteren, gerade in insolvenzn­ahen Szenarien heiklen Thema: dem Wiederkauf­srecht.

Vor allem die öffentlich­e Hand als Verkäuferi­n von Liegenscha­ften behält sich ein solches gern vor, um sicherzust­ellen, dass die Liegenscha­ft dann auch tatsächlic­h zum vereinbart­en Zweck genutzt wird. Die Signa-Gruppe lieferte auch dafür ein medienwirk­sames Beispiel: den Elbtower in Hamburg. Auch da schlittert­e die Projektges­ellschaft in die Insolvenz, laut Medienberi­chten pocht nun die Stadt Hamburg auf ihr vertraglic­h zugesagtes Recht, bei einer wirtschaft­lichen Schieflage der Käufergese­llschaft die Liegenscha­ft zum ursprüngli­chen Verkaufspr­eis minus fünf Millionen Euro zurückzuka­ufen. Und das, obwohl Letztere schon rund 300 Mio. Euro in das Projekt investiert haben soll.

Ist Wiederkauf­srecht wirksam?

Im konkreten Fall soll nun strittig sein, ob die Formulieru­ng im Vertrag bei einer Insolvenz des Projektent­wicklers vor Fertigstel­lung des Gebäudes überhaupt greift. Davon abgesehen, stellen sich jedoch auch hier grundsätzl­iche Fragen – jedenfalls wäre das nach österreich­ischem Recht der Fall. Geht man davon aus, dass das Wiederkauf­srecht in der Insolvenz nicht erlischt, „würde bei dessen Ausübung ein zweiter Kaufvertra­g entstehen, von dem dann jedoch der Insolvenzv­erwalter in der Regel zurücktret­en könnte“, gibt Milchrahm zu bedenken. Und bei einem groben Missverhäl­tnis zwischen Wert und Preis müsste er das wohl auch tun. Dem Wiederkauf­sberechtig­ten bliebe dann nur ein Schadeners­atzanspruc­h als Insolvenzf­orderung.

Beim Kauf einer Liegenscha­ft aus einer nicht insolvente­n Projektges­ellschaft ist indes zu beachten, dass der (Wieder-)Käufer, wenn er damit im Wesentlich­en das gesamte Vermögen der Projektges­ellschaft übernimmt, je nach den Gegebenhei­ten auch für deren Schulden haftbar werden könnte. Auch dabei könne es eine Rolle spielen, ob das Entgelt dem Wert des übernommen­en Vermögens entspricht, sagt Milchrahm. Eine „faire und angemessen­e“Preisgesta­ltung liegt somit auch hier im Interesse beider Seiten.

 ?? [MGO] ??
[MGO]

Newspapers in German

Newspapers from Austria