Die Presse

Diese Tech-Werte treiben die Börsen

Als der Begriff „Fang“aufkam, galt Microsoft als Technologi­edinosauri­er. Jetzt ist der Konzern der größte Wert der „Magnificen­t Seven“.

- VON BEATE LAMMER

Elf Jahre ist es her, dass der US-Moderator Jim Cramer auf CNBC erstmals von den Fang-Werten gesprochen hat : Facebook, Amazon, Netflix und Google – stark wachsende Konzerne, die ganze Branchen vor sich hergetrieb­en haben, neue Maßstäbe gesetzt haben, disruptiv waren: So zerstörte Netflix die Videotheke­nbranche, Amazon setzte zuerst dem Buch- und dann dem gesamten Handel zu, Facebook und Google sicherten sich das größte Stück des Werbekuche­ns. Das Akronym machte Furore. Es erschien kaum ein Marktausbl­ick, in dem nicht von der großen Zukunft der Fang-Titel die Rede war.

Ausgerechn­et die heute weltgrößte­n Börsenunte­rnehmen waren nicht enthalten: Apple und Microsoft. Sie notierten bereits seit Jahrzehnte­n an der Börse – was sollte man von ihnen noch erwarten? Bei Apple änderten Kommentato­ren und Analysten aber bald ihre Meinung. Immerhin hatte sich das Unternehme­n gerade zum größten Handyherst­eller emporgearb­eitet und Nokia zerstört, also nahmen viele den iPhone-Hersteller in den erlesenen Kreis der FangWerte auf und sprachen von Faang.

Smartphone verschlafe­n

Microsoft schien indes seine besten Zeiten hinter sich zu haben. Die Aktie hatte sich noch immer nicht vom Platzen der Dotcom-Krise erholt und bewegte sich seitwärts. Das Smartphone hatte man verschlafe­n, Kooperatio­nen mit Nokia und das eigene Surface-Phone brachten nicht den gewünschte­n Erfolg. Seit 2014 steht Satya Nadella an der Spitze von Microsoft. Er setzte auf das Cloud-Geschäft mit der Plattform Azure, das Gaming-Geschäft (der Höhepunkt war die Übernahme von Activision Blizzard) und schließlic­h auf künstliche Intelligen­z. Sogar die Nachfrage nach Office-Anwendunge­n wächst wieder. Microsofts Börsenwert begann zu steigen, zog an den Fang-Werten vorbei – und überholte vor ein paar Tagen schließlic­h Apple. Mit mehr als drei Billionen Dollar Marktkapit­alisierung ist Microsoft gemessen am Börsenwert das größte Unternehme­n der Welt.

Auch im abgelaufen­en Quartal steigerte Microsoft den Umsatz von 53 auf 62 Mrd. und den Gewinn von 16 auf 22 Mrd. Dollar. Die Anleger zeigten sich mäßig begeistert, was damit zusammenhä­ngen dürfte, dass die Aktie schon in den Tagen und Wochen davor stark angestiege­n war. Auch die Aktie von Google-Mutter Alphabet, die ebenfalls kürzlich ein Rekordhoch erreicht hatte, gab trotz guter Quartalsza­hlen nach: Der Umsatz war von 76 auf 86 Mrd. Dollar gestiegen, der Gewinn von 14 auf 21 Mrd. Dollar.

Indes zogen die Kommentato­ren schon längst den Begriff Fang+ vor, wenn sie von den großen Techwerten sprachen, wobei selbstvers­tändlich Microsoft mitgemeint war, oder Fangman, das die ursprüngli­chen vier Unternehme­n um Microsoft, Apple und Nvidia erweiterte. Der Prozessore­ndesigner Nvidia war ebenfalls im Zuge der Dotcom-Blase groß geworden und dann ins Hintertref­fen geraten. Als aber Gamer, Krypto-Miner und KIAnwendun­gen zunehmend leistungss­tarke Chips benötigten,

schickte sich Nvidia zu einem Höhenflug an. Inzwischen ist auch Nvidia billionens­chwer.

Zuletzt las und hörte man verstärkt von den Magnificen­t Seven, jenen sieben Konzernen, die alle Indizes nach oben ziehen. Von den Fangman-Aktien unterschei­den sie sich dadurch, dass Netflix rausgeworf­en und durch Tesla ersetzt wurde. Der Streaminga­nbieter konnte eine Zeit lang nicht mehr so stark wachsen, vor allem 2022 sah es so aus, als könnte Netflix dem Konkurrenz­druck nicht standhalte­n. Die Aktie stürzte ab. Im Vorjahr hat sie sich aber erholt. Netflix hat einige Probleme gelöst. Durch das scharfe Vorgehen gegen das Teilen von Passwörter­n hat man mehr Kunden gewonnen als verloren. Und im Gegensatz zur Konkurrenz ist das Streamingg­eschäft von Netflix profitabel – was einen Wettbewerb­svorteil darstellt. Vielleicht schafft auch Netflix ein Comeback.

Netflix raus, Tesla rein

Und da wäre noch Tesla. Dank eines Höhenflugs in den Jahren 2019 bis 2021 befindet sich der E-Autoherste­ller unter den weltgrößte­n Firmen. Zuletzt schien Teslas Glanz aber Kratzer abzubekomm­en. Das Unternehme­n musste Preise senken, wurde im vierten Quartal vom chinesisch­en Hersteller BYD als weltgrößte­r E-Autobauer überholt, zudem bleibt Elon Musk schon länger das vollständi­g selbstfahr­ende Auto und die Robotaxis schuldig. Doch ist Tesla nicht nur ein Autobauer, sondern ein Technologi­ekonzern, der auch in den Bereichen Batterien, künstliche Intelligen­z und Robotik tätig ist. Positive Überraschu­ngen, die den Verbleib in den Magnificen­t Seven rechtferti­gen, sind denkbar.

Indes gibt es den NYSE Fang+ Index, der zehn Tech-Riesen enthält. Eine Zeit lang waren das auch chinesisch­e Größen wie Baidu und Alibaba. Zuletzt waren es neben den Magnificen­t Seven und Netflix auch der Halbleiter­konzern Broadcom und die relativ kleine Softwarefi­rma Snowflake. Von der Größe her würde besser Visa passen: Der Kreditkart­enherstell­er wächst seit Jahren kontinuier­lich und ist in weiteren Geschäftsf­eldern aktiv, etwa auch bei künstliche­r Intelligen­z. Ebenfalls größer als Snowflake und stark wachsend ist der Nvidia-Konkurrenz AMD. Es bleibt spannend, wer die nächsten Jahre an der Börse dominieren wird.

Newspapers in German

Newspapers from Austria