Der „Rosenkavalier“besiegelte ein Dichterschicksal
Im Verein mit Richard Strauss hat Hugo von Hofmannsthal die Operngeschichte mit repertoiretauglichen Werken zur letzten Hochblüte geführt.
Die Salzburger Festspiele, der „Jedermann“. Hierzulande wird man viele kulturbeflissene Zeitgenossen finden, die zum Namen Hugo von Hofmannsthals zuallererst solch sommerliche Assoziationen knüpfen. International ist das ein wenig anders. Jenseits des deutschen Sprachraums würdigt man den Dichter zu seinem 150. Geburtstag, so man ihn überhaupt zu würdigen weiß, vor allem als Librettisten der letzten repertoiretauglichen Opern, zuvörderst des „Rosenkavaliers“.
Im Verein mit Richard Strauss hat der Wiener Dichter tatsächlich noch im Ausklang der Romantik publikumswirksame Werke geschaffen.
Den Zeitgenossen galten sie als „modern“. Der Nachwelt sind Zuordnungen egal: Über „Elektra“oder „Ariadne auf Naxos“muss man nicht theoretisieren. Wenn adäquate Besetzungen auf dem Programmzettel stehen, sorgen diese Stücke, avantgardistisch das eine, retrospektiv das andere, nach wie vor für gut gefüllte Häuser. Nur Puccini brachte es zu ähnlichem Ruhm. Was die Konkurrenz schuf, blieb bestenfalls tauglich für pädagogische „Sonderausstellungen“, Neuproduktionen mit ein paar Reprisen.
Wobei Strauss und Hofmannsthal, jeder für sich, in ihren frühen Jahren als höchst zeitgemäße Künstler, ja als Umstürzler galten. Die von vielen späteren Kommentatoren als Kehrtwendung betrachtete Kurskorrektur nahmen sie gemeinsam vor. Ihr künstlerischer Briefwechsel kann mit einigem bösen Willen als Programm der Reaktion gelesen werden. Jedenfalls ist er aber das Protokoll einer einzigartigen Symbiose, in der dem Komponisten mehr und mehr die Rolle des Advocatus Diaboli zukam: hier Hofmannsthals vergeistigte Ästhetik, da der untrügliche dramaturgische Instinkt von Strauss, der seinen Compagnon mehr als einmal kräftig schulmeisterte.
Beleidigt war Hofmannsthal immer nur kurzfristig. Am Ende hat er stets begriffen, dass Strauss recht hatte, wenn er sich gegen jegliche Abschweifung vom dramaturgischen Ariadnefaden eines Werks zur Wehr setzte. Den Mittelakt des „Rosenkavaliers“hat Hofmannsthal völlig umgeschrieben, um dem symphonischen Fluss der Musik das rechte Bett zu graben. Den von beiden Seiten gesuchten „leichteren“Tonfall fand man aber erst später, in Zusammenarbeit mit dem genialen Theatermann Max Reinhardt bei der Arbeit an „Ariadne auf Naxos“.
Dass Hofmannsthal einmal en passant meinte, es wäre besser gewesen, Franz Lehár hätte den „Rosenkavalier“vertont, lässt tief blicken. Strauss wusste um die behindernde Wirkung seines „wagnerischen Musizierpanzers“und kürte selbst Mozart zum neuen Leitstern. „Arabella“hätte nach dem für postbildungsbürgerliche Generationen unauflöslichen mythologischen Rätselspiel der „Ägyptischen Helena“das Ziel aller Wünsche werden können – allein hier konnte Strauss nur noch den ersten Akt nach seinen Intentionen „umdichten“lassen. Hofmannsthal starb und die Akte II und III mussten aus Pietät vertont werden, wie er sie hinterlassen hatte. So blieb „Arabella“, von allerlei dramaturgischen Ungeschicklichkeiten gehemmt, ein Fall für musikalische Feinschmecker. Das Einlassticket in den Olymp war dem Autorenduo freilich schon vorher sicher.
Hofmannsthals vergeistigte Ästhetik verband sich mit dem untrüglichen dramaturgischen Instinkt von Strauss.