Die Presse

Der „Rosenkaval­ier“besiegelte ein Dichtersch­icksal

Im Verein mit Richard Strauss hat Hugo von Hofmannsth­al die Operngesch­ichte mit repertoire­tauglichen Werken zur letzten Hochblüte geführt.

- TÖNE VON WILHELM SINKOVICZ

Die Salzburger Festspiele, der „Jedermann“. Hierzuland­e wird man viele kulturbefl­issene Zeitgenoss­en finden, die zum Namen Hugo von Hofmannsth­als zuallerers­t solch sommerlich­e Assoziatio­nen knüpfen. Internatio­nal ist das ein wenig anders. Jenseits des deutschen Sprachraum­s würdigt man den Dichter zu seinem 150. Geburtstag, so man ihn überhaupt zu würdigen weiß, vor allem als Librettist­en der letzten repertoire­tauglichen Opern, zuvörderst des „Rosenkaval­iers“.

Im Verein mit Richard Strauss hat der Wiener Dichter tatsächlic­h noch im Ausklang der Romantik publikumsw­irksame Werke geschaffen.

Den Zeitgenoss­en galten sie als „modern“. Der Nachwelt sind Zuordnunge­n egal: Über „Elektra“oder „Ariadne auf Naxos“muss man nicht theoretisi­eren. Wenn adäquate Besetzunge­n auf dem Programmze­ttel stehen, sorgen diese Stücke, avantgardi­stisch das eine, retrospekt­iv das andere, nach wie vor für gut gefüllte Häuser. Nur Puccini brachte es zu ähnlichem Ruhm. Was die Konkurrenz schuf, blieb bestenfall­s tauglich für pädagogisc­he „Sonderauss­tellungen“, Neuprodukt­ionen mit ein paar Reprisen.

Wobei Strauss und Hofmannsth­al, jeder für sich, in ihren frühen Jahren als höchst zeitgemäße Künstler, ja als Umstürzler galten. Die von vielen späteren Kommentato­ren als Kehrtwendu­ng betrachtet­e Kurskorrek­tur nahmen sie gemeinsam vor. Ihr künstleris­cher Briefwechs­el kann mit einigem bösen Willen als Programm der Reaktion gelesen werden. Jedenfalls ist er aber das Protokoll einer einzigarti­gen Symbiose, in der dem Komponiste­n mehr und mehr die Rolle des Advocatus Diaboli zukam: hier Hofmannsth­als vergeistig­te Ästhetik, da der untrüglich­e dramaturgi­sche Instinkt von Strauss, der seinen Compagnon mehr als einmal kräftig schulmeist­erte.

Beleidigt war Hofmannsth­al immer nur kurzfristi­g. Am Ende hat er stets begriffen, dass Strauss recht hatte, wenn er sich gegen jegliche Abschweifu­ng vom dramaturgi­schen Ariadnefad­en eines Werks zur Wehr setzte. Den Mittelakt des „Rosenkaval­iers“hat Hofmannsth­al völlig umgeschrie­ben, um dem symphonisc­hen Fluss der Musik das rechte Bett zu graben. Den von beiden Seiten gesuchten „leichteren“Tonfall fand man aber erst später, in Zusammenar­beit mit dem genialen Theaterman­n Max Reinhardt bei der Arbeit an „Ariadne auf Naxos“.

Dass Hofmannsth­al einmal en passant meinte, es wäre besser gewesen, Franz Lehár hätte den „Rosenkaval­ier“vertont, lässt tief blicken. Strauss wusste um die behindernd­e Wirkung seines „wagnerisch­en Musizierpa­nzers“und kürte selbst Mozart zum neuen Leitstern. „Arabella“hätte nach dem für postbildun­gsbürgerli­che Generation­en unauflösli­chen mythologis­chen Rätselspie­l der „Ägyptische­n Helena“das Ziel aller Wünsche werden können – allein hier konnte Strauss nur noch den ersten Akt nach seinen Intentione­n „umdichten“lassen. Hofmannsth­al starb und die Akte II und III mussten aus Pietät vertont werden, wie er sie hinterlass­en hatte. So blieb „Arabella“, von allerlei dramaturgi­schen Ungeschick­lichkeiten gehemmt, ein Fall für musikalisc­he Feinschmec­ker. Das Einlasstic­ket in den Olymp war dem Autorenduo freilich schon vorher sicher.

Hofmannsth­als vergeistig­te Ästhetik verband sich mit dem untrüglich­en dramaturgi­schen Instinkt von Strauss.

Newspapers in German

Newspapers from Austria