Moschee oder Tempel, alles gleich!
Eine grandiose Ausstellung über den Barock-Star Johann Bernhard Fischer von Erlach konzentriert sich auf seine Mission: In der Architektur hat alles denselben Rang.
Es war einer dieser Wiener Zufälle, die so herrlich symbolisch sein können: Während Dienstagvormittag im Wien Museum die erste große Ausstellung über Fischer von Erlach seit 70 Jahren vorgestellt wurde, scharte sich gleich nebenan, im Hauptwerk des Barockarchitekten, der Karlskirche, die halbe Wiener Kunstszene. Präsentiert wurde die Lichtinstallation eines renommierten internationalen Gegenwartskünstlers, des Briten Cerith Wyn Evans. Ausgerechnet hier schuf er sein bisher größtes Auftragswerk: eine 25 mal 15 Meter große Skulptur aus 700 Meter Neonröhren, deren Gewicht von über einer Tonne vom Kuppeldach abgehängt wurde. Es ist ein Wust an Linien, die sich von jedem Blickwinkel aus anders assoziativ zusammenfügen. Womit auch Fischer von Erlach Reverenz erwiesen würde, heißt es, denn auch dessen eklektische Architektur erschließe sich immer neu.
Wenn man etwa auf die neue Terrasse des Wien Museums tritt, um die KarlskirchenFassade mit ihrer skulpturalen Durchknetung, dem antiken Tempelvorbau, den fetten Relief-Säulen, der hohen Tambourkuppel von oben herab zu betrachten: Dann schaut man aus der Wiener Gegenwart auf die Wiener Vergangenheit, aber die Gefäße sind konträr gefüllt – die Karlskirche derzeit mit zeitgenössischer Kunst, das in Beton aufgesetzte neue Sonderausstellungsgeschoß am Museum mit historischer. Hübsch ist das.
Der neue Ausstellungsraum ist unruhig
Jedenfalls konnte es kein besseres, kein gewichtigeres Thema zur Einweihung der Ausstellungshalle geben als Fischer von Erlach. Eine kritische Revision dieses gerne nationalistisch vereinnahmten Werks war dringend nötig. Mit Barock-Spezialist Andreas Nierhaus hat man hier die wissenschaftliche Expertise dazu. Und wie kann man einen spektakulären neuen Raum besser auf seine Qualitäten testen als mit dem österreichischen Erfinder des spektakulären Raums, Fischer von Erlach. Nur dass die aufgesetzte Ausstellungsbox dabei leider nicht nur gut aussteigt. Sie kämpft innerlich mit einem recht unruhigen Eigenleben, mit vielen technischen Sichtbarkeiten, deren Notwendigkeit sich dem Besucher nicht erschließt.
Selbst die hier gewählte klare Ausstellungsarchitektur wirkt hineingedrängt. Dabei bediente sich Werner Feiersinger dafür der monumentalen Form und benutzte Versatzstücke aus Fischer von Erlachs Entwürfen für die Display-Wände. Von Feiersinger, selbst Bildhauer und Fotograf, stammen auch die
zeitgenössischen Fotos der Bauten, die einen begleiten. Sie unterstützen einen beim Verfolgen der ausgelegten Fährten durch dieses mächtige Werk, nach den stereometrischen Formen, die Fischer so gerne verschränkte, nach den Kugeln, Würfeln und Zylindern, aber auch nach den Pyramiden, Vasen und vor allem Ovalen, die er so liebte.
In Rom hat er all das kennengelernt, lernen wir gleich beim Eintreten. Dieser Ausgangspunkt durch die Ausstellung ist jedenfalls gesetzt, Fischers Aufenthalt in der ewigen Stadt von 1670 bis 1686, wo er von den Besten lernte, von Bernini und Borromini, wo er vom Bildhauer zum Architekten wuchs. Ansonsten kann man frei durch die chronologischen Kapitel der Ausstellung streunen, muss sich nicht unbedingt an die Nummerierung halten. Nicht dieses Werk abarbeiten, von den frühen Lusthäusern für den Wiener Adel über die unverwirklichten SchönbrunnPläne über die Salzburger Kirchen bis eben zum späten Höhepunkt, der Karlskirche.
Kurator Nierhaus konzentriert die Essenz dieses Werks gleich hinter dessen Ursprünge, hinter die frühe Prägung in Rom: Im Raum hinter Fischers Vorbildern hängt schon sein publizistisches Vermächtnis, das uns heute anrührt in seiner völkerverbindenden Botschaft: Alle Blätter des 1721 in Wien veröffentlichten, fünfbändigen „Entwurffs Einer Historischen Architectur“, in der Fischer erstmals eine Weltgeschichte der Baukunst in Bildern schuf. Mehrere Kupferstecher arbeiteten dafür nach seinen Zeichnungen.
Natur wird zur Architektur
Das „Anrührende“daran? Türkische, arabische, persische und ostasiatische Bauten wurden hier gleichrangig neben antiken Monumenten behandelt, und Fischer von Erlachs eigenen – natürlich, es war auch Marketing. So leitete er die eigene Kunst von der ganzen Welt her: von Pyramiden bis zu Minaretten (Karlskirche!) über antike Tempel bis zu Naturphänomenen, die zur Kunst werden – wie die Wolken, siehe Salzburger Kollegienkirche. Und das nicht allzu lang nach der Zweiten Türkenbelagerung Wiens von 1683.
Was mehr an Erkenntnis möchte man mitnehmen, 300 Jahre nach dem Tod eines Barockbaumeisters, sei es auch einer mit solch kapitalem Namen wie Fischer von Erlach? Zu diesem Jubiläum voriges Jahr begann dieses Ausstellungsprojekt im Salzburg Museum. Ein Jahr danach wurde es jetzt in Wien, in fast verdoppelter Größe, perfektioniert. Vor Augen dabei: die Karlskirche.
Bis 28. April,
Di.–Fr. 9 bis 18 h, Sa./So. 10–18 h.