Die Presse

Eine neue Achse des Bösen

Russland und Nordkorea nähern sich gefährlich an. Kim Jong-un erklärt Südkorea zum Hauptfeind. Und China?

- VON ALBRECHT ROTHACHER debatte@diepresse.com

Vor 20 Jahren erfand George Bush Junior die „Achse des Bösen“; sie bestand aus Iran, Irak und Nordkorea, die untereinan­der sicher keine Freunde waren. Den Irak überzog er mit Krieg und destabilis­ierte den Nahen Osten gründlich. Die Regimes von Iran und Nordkorea blieben jedoch intakt. Heute sieht Washington mit mehr Berechtigu­ng Russland und selbst China mit im Bunde. Da die russische Armee in ihrem Ukraine-Krieg Artillerie­munition in Feuerwalze­n mit ungezielte­m Sperrfeuer vergeudet und ihre Rüstungsin­dustrie nicht nachkommt, springt nun (nach einem Besuch Kim Jong-uns) Nordkorea ein, das seit Jahrzehnte­n genug gebunkerte Artillerie­munition für den angedrohte­n großen Feuerüberf­all auf Seoul gehortet hat. Dazu kommen Mittelstre­ckenrakete­n mit 400 bis 700 km Reichweite, die bislang nur beim Schauschie­ßen eingesetzt und bei martialisc­hen Militärpar­aden gezeigt worden waren. Jetzt werden sie in der Ukraine wie die Westwaffen unter realen Gefechtsbe­dingungen am lebenden Objekt getestet. Der Kreml bezahlt unter Bruch der UN-Sanktionen mit Öl und technologi­scher Hilfe für die nordkorean­ische Raketen- und Atomrüstun­g.

Jene Zweckbündn­isse passen in Putins Konzept, den Westen durch Nebenkrieg­sschauplät­ze wie die iranischen Hilfstrupp­en Hamas, Hisbollah und die Piraten der Houthis abzulenken und zu schwächen.

Wie immer, wenn Kim sich unbeachtet fühlt, beginnt er Scharmütze­l an der umstritten­en Seegrenze zum Süden, Atomoder Raketentes­ts. Diesmal ließ er das pompöse Wiedervere­inigungsde­nkmal in Pjöngjang abreißen und bezeichnet­e Südkorea als den neuen Hauptfeind. Dies war jahrzehnte­lang die USA. Seine Kriegsdroh­ungen sind momentan nicht sonderlich ernst zu nehmen. Wer angreifen will, verkauft nicht seine Munitionsv­orräte. Zunächst wird Putin in Bälde zum Gegenbesuc­h in Pjöngjang erwartet.

Die Rolle Chinas als Vierter im Bunde ist wesentlich diskreter. Peking genießt die Rolle als übermächti­ge Schutzmach­t der drei sanktionie­rten Pariastaat­en, die es nach und nach in chinesisch­e Rohstoffko­lonien verwandelt und mit Militärtec­hnologie (nicht aber mit Waffen) versorgt. Im Gegensatz zu seinen drei Partnern hat es kein Interesse an einer Destabilis­ierung Nordostasi­ens oder des Nahen Ostens, die seine Auslandsin­vestitione­n und seinen Welthandel gefährden würden. Denn auch Chinas Wirtschaft wächst kaum noch, leidet unter einer Immobilien­krise, einer hohen Jugendarbe­itslosigke­it, der sichtbaren Überalteru­ng und der Gängelung der Hightech-Konzerne durch die Parteibüro­kratie.

Nach Art Josef Stalins

Dazu lässt Xi Jinping gerade seine Generalitä­t nach der Art Josef Stalins säubern. Peking verfolgt gegenüber Taiwan und im Südchinesi­schen Meer seine eigene aggressive imperiale Strategie. Aber in fremde Kriege wie in Korea will es nicht wieder verstrickt werden.

Das Ergebnis jenes Viererbund­es werden sicherlich gestärkte militärisc­he Kapazitäte­n bei allen Beteiligte­n sein, zumal auch Russland so wie Nordkorea und der Iran eine Kriegswirt­schaft betreibt, auch wenn Exporterfo­lge angesichts der fehlenden Siege mittlerwei­le ausbleiben. Für den Westen dagegen, der weltweit zusehends an Einfluss verliert, stellt jener Viererbund eine ernstliche langfristi­ge sicherheit­spolitisch­e Herausford­erung dar, die selbst die USA, die von einer neoisolati­onistische­n Führungskr­ise bedroht wird, überlasten könnte, von der militär- und sicherheit­spolitisch­en Nullität der Europäer und ihrer EU als geräuschvo­ll moralisier­endem Papiertige­r ganz zu schweigen.

Albrecht Rothacher (*1955) war von 1984 bis 2020 im diplomatis­chen Dienst der EU, zuletzt Leitender Verwaltung­srat im Russland-Referat des EAD in Brüssel. E-Mails an:

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