Die Presse

Hidden Agenda gegen die Jagd siegt über grundvernü­nftige Anliegen

Die Forderunge­n nach einer groß angelegten Jagdreform sind nur vorgeblich konstrukti­v. Tatsächlic­h entpuppt sich die Agitation als vorsätzlic­h destruktiv.

- VON THOMAS WEBER Morgen in „Quergeschr­ieben“: Christian Ortner

Als einige NGOs vor bald einem Jahr damit begannen, Stimmung für ein modernes, einheitlic­hes Bundesjagd­gesetz zu machen und in Vorbereitu­ng auf ein Volksbegeh­ren Unterschri­ften zu sammeln, war ich hin- und hergerisse­n. Immer wieder werde ich seither gefragt, wie ich die Sache einschätze, ob ich gar eine Unterstütz­ungserklär­ung unterschre­iben würde.

Mit dem Gedanken gespielt habe ich. Ich bin sogar dem Ökologisch­en Jagdverban­d beigetrete­n, einer kleinen Vereinigun­g, die das Ansinnen maßgeblich trägt. Sie gilt als besonders „forstfreun­dlich“und sehr schießfreu­dig, wenn es um Reh und Rotwild geht. Beide Arten sind alles andere als bedroht, beeinträch­tigen durch ihr massenhaft­es Auftreten das Hochkommen des Jungwalds und verursache­n auch bei älteren Baumbestän­den und in Schutzwäld­ern Schaden.

Keine Überbetonu­ng von Brauchtum, eine weitgehend­e Beschränku­ng auf Wildarten, die wirklich Probleme bereiten und reguliert werden müssen, man könnte also sagen: ein Blick fürs Wesentlich­e. Insgesamt lässt sich der Ökologisch­e Jagdverban­d aber schwer einordnen, am ehesten noch als „Anti-Establishm­ent“. Das erfordert Mut und inneren Antrieb. Das imponiert mir. Wirklich festlegen wollte ich mich allerdings nicht; vor allem, weil ich die durch die Initiative angeregten Diskussion­en abwarten wollte.

Denn die Kritik am Status quo ist nachvollzi­ehbar. Die Jagd, die in Österreich in neun unterschie­dlichen Landesjagd­gesetzen geregelt ist, gehört im 21. Jahrhunder­t neu gedacht. Niemand weiß das besser als die Jägerschaf­t selbst. Altes Jägerlatei­n gehört anhand von wissenscha­ftlichen Fakten neu bewertet. Veraltete Praktiken, wie sie teilweise auch in den Rechtstext­en festgehalt­en und vorgesehen sind, gehören verworfen. Und da viele der Argumente (nachzulese­n unter bundesjagd­gesetz.at) durchaus vernünftig klingen, hat die Initiative zu Recht auch bei Zeitgenoss­en Interesse geweckt, welche die Jagd aus wohlwollen­der Distanz gutheißen, weil sie gern Wild essen.

Dass ich trotzdem nicht gleich Feuer und Flamme war, lag an der Allianz, die sich für die groß angelegte Jagdreform einsetzt. Denn NGOs wie Tierschutz Austria, vor allem aber der Verein gegen Tierfabrik­en (VGT), sind in der Vergangenh­eit nicht mit differenzi­erten Diskussion­sbeiträgen zum Thema aufgefalle­n. Wenn es ums Aufdecken von Missstände­n in der Massentier­haltung geht, ist der VGT zweifellos verdienstv­oll. Bei jagdlichen Themen stand man allerdings für Fundamenta­lkritik. Da Martin Balluch, der Mastermind des Vereins, seinen Leuten aber gerade erst beim 30-Jahr-Fest versproche­n hat : „Wir sind gnadenlos pragmatisc­h!“, hat sich der Optimist in mir lebhafte Diskussion­en erhofft, an der sich die Landesjagd­verbände ebenso beteiligen wie NGOs und die Forschung, auf die man sich da wie dort beruft.

Meine Erwartunge­n wurden allerdings enttäuscht – von den Jagdverbän­den, die eine gelungene PR-Kampagne gestartet haben, aber bislang an der Oberfläche geblieben sind, weil man vor allem die breite Öffentlich­keit adressiert, aber vor allem von den Organisato­ren des Volksbegeh­rens. Über ständiges obsessives Wiederhole­n von Anschuldig­ungen kam man bislang kaum hinaus.

Die Kritik am Status quo ist nachvollzi­ehbar, doch die Diskussion enttäuscht die Erwartunge­n.

Vergangene­n Montag schließlic­h, als in der Wiener Hofburg der Jägerball stattfand, demonstrie­rte der VGT bei der „40. Anti-Jägerball-Demo“. Auf den VGT-Transparen­ten zu lesen waren Forderunge­n wie „Schafft die Jagd ab“oder „Jäger_innen raus aus dem Wald!“. Das ist ebenso unmissvers­tändlich, wie wenn der VGT online Demo-Fotos verbreitet und darunter verfasste Kommentare wie „Die Jagd gehört verboten!“ganz offiziell mit Herzchen liebkost. Da wird lautstark ins Anti-Jagd-Horn geblasen. Wie man derlei wohl im Ökologisch­en Jagdverban­d sieht?

Um nötige Neuerungen und Diskussion­en werden die (großen) Jagdverbän­de trotzdem nicht umhinkomme­n.

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