Bremsen Länder den Bund aus?
Ein halbes Jahr nach dem „Bodengipfel“bleibt das Ziel, die Zersiedelung zu stoppen, fern. Trotzdem: Es könnte Bewegung ins Thema kommen.
„4300 Hektar Agrarfläche werden heuer zerstört.“Das ist das Ergebnis einer Berechnung der Umweltorganisation Greenpeace für die Inanspruchnahme von Naturflächen in Österreich.
Stefan Stadler, der Experte für diese Berechnungen, hat dazu die vorhandenen Zahlen der Gemeindedatenbank der Jahre 2017 bis 2023 analysiert und ist auf diese Größenordnung gekommen. Die Zahlen sind seriöse Schätzungen; derzeit ist eine neue Erfassung und Typisierung der Flächen österreichweit im Gange. Federführend ist das Umweltbundesamt. Ab 2025 soll es möglich sein, die reale Entwicklung abschätzen zu können.
Inhaltlich ist das Thema eingefroren, seit im vorigen Sommer der sogenannte Boden-Gipfel geplatzt ist. Die Verhandlungen waren daran gescheitert, dass es keine Einigkeit gab, die Inanspruchnahme von Boden bis 2030 auf 2,5 Hektar pro Tag zu reduzieren. Dieser Wert, der seit Beginn der 2000er-Jahre in Regierungsprogrammen
steht, ist ein Fünftel der tatsächlichen Inanspruchnahme. Arthur Kanonier, Professor am Institut für Bodenpolitik und Bodenmanagement an der Technischen Universität Wien, meint, dass der Karren „ein klein wenig verfahren“sei. Vor allem, weil die Festschreibung des 2,5-haZiels die öffentliche Debatte zudeckt. Dennoch scheint sich etwas zu tun: In Kürze ist ein Treffen aller Raumordnungsreferenten der Bundesländer sowie von Städte- und Gemeindebund angesetzt. Dabei soll es darum gehen, welche Maßnahmen aus dem Juli-Konzept umsetzbar sind.
„Schadet Bauern“
Vertreter des Bundes oder der Österreichischen Raumordnungskonferenz (Örok) sind offenbar nicht eingeladen. Der Bund hat in der Raumordnung keine Kompetenz, und die Unterschrift der Länder unter ein Örok-Konzept könnte das Kräfteparallelogramm zugunsten des Bundes verschieben. Das wollen die Länder nicht.
Kanonier, der das Thema seit Jahrzehnten begleitet, glaubt, „dass einige Themen genauer angeschaut werden müssen“. Etwa, wie mit nicht bebautem Bauland umzugehen ist. „Das macht ungefähr ein Viertel des gesamten Baulands aus.“Es könne darum gehen, „wie mit möglichen Rückwidmungen umgegangen wird. Werden Rechtsgutachten erstellt, oder bleibt es an Gemeinden hängen, derartige Fragen durchzufechten? Oder: Gibt es Anspruch auf Entschädigungen? Wie sind neue Themen – etwa Ernährungssicherheit und Kaltluftschneisen – zu gewichten?“
Kanonier macht bei den Bundesländern sowie Städte- und Gemeinden Problembewusstsein aus. „Nur: Vorschreiben wollen die sich nichts lassen.“Melanie Ebner Greenpeace-Landwirtschaftsexpertin kritisiert indes Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, der „tatenlos zusieht, wie Österreichs fruchtbarste Böden zubetoniert werden. Das schadet Artenvielfalt und Bäuerinnen und Bauern.“