Die Presse

Tod in Salzburg abseits des Instagram-Idylls

Nach einer Massenschl­ägerei mit mindestens 15 Beteiligte­n in Lehen konnte ein Mann nach Messerstic­hen nicht mehr gerettet werden. Porträt eines Stadtteils zwischen Hinterhof und urbanem Aufbruch.

- VON CLAUDIA LAGLER

Einen Toten und mindestens drei Verletzte hat es in der Nacht auf Donnerstag bei nächtliche­n Schlägerei­en im Salzburger Stadtteil Lehen gegeben. Laut Polizei waren mindestens 15 Personen daran beteiligt. Es waren auch Messer im Spiel. Ein Großaufgeb­ot an Polizisten mit Diensthund­en und Hubschraub­erunterstü­tzung war im Einsatz.

Drei Personen wurden festgenomm­en, wie die Landespoli­zeidirekti­on Salzburg am Donnerstag­vormittag informiert­e. Nach dem Vorfall fanden Polizisten aufgrund einer Anzeige einen durch Messerstic­he schwer verletzten Mann auf einer Straße in der Nähe des Lehener Parks. Es handelte sich laut Polizei vermutlich um einen Somalier. Er wurde nach der Erstversor­gung in ein Krankenhau­s eingeliefe­rt, wo er kurze Zeit später seinen Verletzung­en erlag.

Nicht der erste Gewaltausb­ruch

In Lehen wohnen viele Menschen auf engem Raum – einem Salzburger Stadtteil, in dem Konflikte immer wieder aufbrechen. Graffitisp­rühereien, Billigläde­n, in die Jahre gekommene Siedlungen und Hochhäuser: Lehen, das ist ein Stadtteil, der so gar nicht nach Salzburger Postkarten­idyll aussieht.

Es ist eine Gegend, die mit vielen Problemen kämpft, in der Konflikte nicht gerade Seltenheit­swert haben. Die tödliche Messeratta­cke im Lehener Park von Donnerstag­nacht ist nicht der erste Gewaltausb­ruch, der in diesem Stadtteil für Schlagzeil­en sorgt.

Vor zwei Jahren wurden im Lehener Park – einer großen Grünfläche direkt an der Salzach mit Spielplatz, Fitnessanl­age und Eisstockba­hn – zwei Afghanen niedergest­ochen. Im Jahr 2015 kam es zu einem tödlichen Streit, bei dem ein junger Afghane einen Türken erstach. Immer wieder gibt es hier Überfälle auf Passanten.

Vor acht Jahren – damals galt der Ort als der zentrale CannabisUm­schlagplat­z der Stadt – wurde der Lehener Park nach dem Sicherheit­spolizeige­setz zur Schutzzone erklärt. Die Polizei kann verdächtig­e Personen wegweisen. Doch wirklich in den Griff bekommen hat die Exekutive die Probleme nicht, der Park ist, vor allem in der Nacht, eine Gegend mit rauen Sitten geblieben.

Dabei ist der Park vor allem im Sommer untertags recht idyllisch. Kinder wuseln auf dem Spielplatz, die Eltern picknicken. Jugendlich­e von den nahen Schulen hängen auf den Wiesen ab, beim Vereinshei­m messen die Asphaltsch­ützen ihr Können. Für viele Familien, die in der Gegend wohnen, ist der Park – ähnlich wie die etwas weiter stadtauswä­rts gelegene Parkanlage an der Glan – so etwas wie das verlängert­e Wohnzimmer.

Grünraum ist hier besonders gefragt. Schließlic­h leben hier oft große Familien in kleinen Wohnungen. Es gibt in die Jahre gekommene Siedlungen und Hochhäuser, in

denen die Mieten günstiger sind als in den noblen Stadtteile­n. Es gibt mehr Ausländer, mehr arme Menschen, mehr Nachbarsch­aftskonfli­kte und mehr Verkehr als an anderen Stellen der Stadt. Das ist die eine Seite.

Seltenes urbanes Flair

Aber es gibt auch eine andere: In den 2000er-Jahren investiert­e die Stadt bewusst in eine Aufwertung Lehens durch moderne Architektu­r und neue kulturelle Angebote. Die Absiedelun­g des alten Fußballsta­dions an den Stadtrand schuf Platz für moderne Wohnbauten. Die Stadtbibli­othek übersiedel­te aus dem Schloss Mirabell auf das ehemalige Stadionare­al – samt cooler Panoramaba­r, die über dem Gelände schwebt. Im Stadtwerk Lehen, einem noch jungen Stadtteil auf dem ehemaligen Gelände der Salzburger Stadtwerke, wurden nicht nur neue Wohnungen geschaffen. Sondern es gibt dort auch ein Studiengeb­äude der privaten MedizinUni, Unternehme­nsstandort­e, Galerien,

Bildungsei­nrichtunge­n, ein Studentenh­eim und Geschäfte. Urbanes Flair, wie man es in Salzburg nur selten findet.

KPÖ auf Werbetour

Lehen, das ist aber auch jener Stadtteil, in dem die Salzburger KPÖ von Kay-Michael Dankl seit einigen Jahren konsequent von Haus zu Haus geht und Menschen anspricht, die sich längst von der Politik abgewandt haben. Die Partei versucht, die Nichtwähle­r zu mobilisier­en – bei der letzten Landtagswa­hl mit einigem Erfolg. Und deshalb ist dieser Stadtteil zwischen Hinterhof und urbanem Aufbruch vielleicht auch jener, der bei der bevorstehe­nden Wahl am 10. März spielentsc­heidend sein könnte.

Die Hintergrün­de der Auseinande­rsetzungen von Donnerstag­nacht waren zunächst nicht bekannt. Ab 23 Uhr kam es ersten Ermittlung­en zufolge zu zwei Vorfällen, und zwar im Lehener Park und in einer Nebenstraß­e in der Nähe des Parks. Bei den beteiligte­n Personen soll es sich vorwiegend um Personen syrischer Herkunft gehandelt haben.

„Es waren alle zur Verfügung stehende Kräfte im Einsatz“, sagte ein Sprecher der Salzburger Polizei zur APA. Die Verletzten wurden ins Spital gebracht. Zunächst war noch unklar, ob die Streitigke­iten einen Zusammenha­ng haben. Die Ursache der Eskalation und das Tatmotiv müssen von der Exekutive noch ermittelt werden.

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 ?? [APA/FMT Pictures/Wolfgang Moser] ?? Tatort Lehen in Salzburg.
[APA/FMT Pictures/Wolfgang Moser] Tatort Lehen in Salzburg.

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