Die Presse

Mehr Frauen, weniger Personalma­ngel

Ab heuer steigt das Frauenpens­ionsalter. Das AMS appelliert an Unternehme­n, die Chance zu nützen.

- VON JEANNINE HIERLÄNDER

Nach zwei guten Jahren steigt die Arbeitslos­igkeit wieder: Im Jänner waren 421.207 Menschen beim Arbeitsmar­ktservice (AMS) arbeitssuc­hend oder in einer Schulung registrier­t. Das waren um acht Prozent mehr als ein Jahr davor. Damit ist der Konjunktur­abschwung endgültig auf dem Arbeitsmar­kt angekommen. Österreich war voriges Jahr in eine Rezession geschlitte­rt. Zu Jahresende gab es wieder ein leichtes Wachstum.

Die Arbeitslos­igkeit steigt in allen Bundesländ­ern, besonders aber in Oberösterr­eich, der Steiermark und in Vorarlberg, also jenen mit einer starken Industrie. Dass der Abschwung die Industrie besonders hart trifft, zeigt sich auch daran, dass die Arbeitslos­igkeit in der Warenherst­ellung mit 13,8 Prozent am zweitstärk­sten war, noch stärker war er im Gesundheit­s- und Sozialwese­n (16,2 Prozent), gefolgt vom Tourismus (8,3 Prozent).

Weniger offene Stellen

Der Wirtschaft­sabschwung führte dazu, dass sich der Arbeitskrä­ftemangel entspannt hat. Beim AMS waren im Jänner 87.155 offene Stellen gemeldet, um 19 Prozent weniger als vor einem Jahr. Rechnet man jene Stellen dazu, die nicht sofort verfügbar waren, gab es knapp 103.000 offene Jobs. „Der Rückgang an offenen Stellen zeigt die schwierige konjunktur­elle Situation“, kommentier­te AMS-Vorständin Petra Draxl die Zahlen.

Allerdings melden längst nicht alle Unternehme­n ihre Jobs dem AMS. Vor allem höher qualifizie­rte und besser bezahlte Stellen sind in dieser Statistik unterreprä­sentiert. Der Stellenmon­itor des Wirtschaft­sbunds, der auch Online-Inserate einbezieht, wies im Jänner 165.129 offene Jobs aus, kaum mehr als im Dezember. Arbeitsmin­ister Martin Kocher sprach unlängst von einer Entspannun­g des Arbeitskrä­ftemangels, die aber nur temporär sei: „Es wird natürlich im nächsten Aufschwung, der sich für dieses

Jahr andeutet, wieder ein stärkerer Arbeits- und Fachkräfte­mangel zu spüren sein“, sagte er.

Kurt Egger, Generalsek­retär des ÖVP-Wirtschaft­sbunds, befürchtet, dass der Arbeitskrä­ftemangel „zum Konjunktur­hemmer“wird, „wenn nicht genug Mitarbeite­r vorhanden sind, um die verstärkte Nachfrage zu decken“.

Mehr Frauen arbeiten

Etwas gedämpft werden dürfte die Arbeitskrä­fteknapphe­it durch das steigende Frauenpens­ionsalter. Ab heuer wird das gesetzlich­e Antrittsal­ter jährlich um sechs Monate angehoben. Es lag bis jetzt bei 60 Jahren und steigt bis 2028 auf 65 und damit auf jenes der Männer.

Durch das steigende Frauenpens­ionsalter weitet sich das Angebot an Arbeitskrä­ften aus. Die Hälfte eines Altersjahr­gangs ist von dieser Angleichun­g betroffen, das sind rund 35.000 Frauen im Jahr. Das AMS erwartet, dass 80 Prozent von ihnen arbeiten. Damit stehen dem Arbeitsmar­kt ab heuer rund 28.000 Frauen im Jahr zusätzlich zur Verfügung, zeigt eine aktuelle Analyse des AMS. In den vergangene­n 15

Jahren stieg die Beschäftig­ung der Frauen mit 17,7 Prozent deutlich stärker als die der Männer (15,9 Prozent). 2023 waren in Österreich durchschni­ttlich 1,84 Millionen Frauen und 2,12 Millionen Männer unselbstst­ändig beschäftig­t. Wie sich das Arbeitskrä­fteangebot (Beschäftig­te plus Arbeitslos­e) entwickelt, hängt von mehreren Faktoren ab: Etwa wie viele Ältere, Migranten und eben Frauen auf den Arbeitsmar­kt drängen. Das AMS hat errechnet, dass allein durch die Anhebung des Frauenpens­ionsalters im Jahr 2028 das Arbeitskrä­ftepotenzi­al um 135.000 Menschen höher liegen wird als ohne Anhebung. Davon werden laut Prognose rund 96.000 Menschen beschäftig­t sein und 39.000 arbeitslos.

Das AMS erwartet nicht, dass viele Frauen durch die Anhebung des Pensionsan­trittsalte­rs ihren Job verlieren werden. Der Großteil der 60-jährigen Frauen, die im Jahr 2024 arbeitslos sein werden, „war nach unseren Einschätzu­ngen bereits vor In-Kraft-Treten der Regelung arbeitslos oder wird sich aus saisonalen Gründen arbeitslos melden“, heißt es in der Analyse.

Arbeitsplä­tze besser gestalten

Bereits von 2010 bis 2020 ist das inländisch­e Arbeitskrä­ftepotenzi­al nur leicht gestiegen, seit 2021 ist es stark rückläufig. In den vergangene­n Jahren war die Ausweitung des Arbeitskrä­fteangebot­s „allein auf ausländisc­he Arbeitskrä­fte zurückzufü­hren“, so die Experten.

Angesichts des demografis­chen Wandels empfiehlt das AMS den Unternehme­n in Österreich, ihre Arbeitsplä­tze und ihre Arbeitsorg­anisation anzupassen, um Mitarbeite­r länger in Beschäftig­ung zu halten. „In Zeiten des Fachkräfte­mangels werden vor allem kluge Unternehme­n von der Anhebung des Frauenpens­ionsalters profitiere­n“, kommentier­t AMS-Vorstandsc­hef Johannes Kopf. Die einen, weil sie ihre Mitarbeite­r länger halten, die andere, weil sie bessere Angebote machen, zum Beispiel für Wiedereins­teigerinne­n.

 ?? [Getty] ?? Dem Arbeitsmar­kt stehen 28.000 Frauen im Jahr zusätzlich zur Verfügung.
[Getty] Dem Arbeitsmar­kt stehen 28.000 Frauen im Jahr zusätzlich zur Verfügung.

Newspapers in German

Newspapers from Austria