Die Presse

Viel Geld, aber wenig Klarheit

Die OMV liefert das zweitbeste Ergebnis ihrer Geschichte ab. An der Börse ist davon nichts zu merken. Was sind die Gründe?

- VON MATTHIAS AUER

Im Vorjahr waren OMV-Chef Alfred Stern die „Traumgewin­ne“seines Unternehme­ns mitten in der Energiekri­se schon fast peinlich. Dieses Dilemma bleibt ihm heuer erspart. Der Preissturz bei Erdöl (minus 18 Prozent), vor allem aber bei Erdgas (minus 66 Prozent) hat den bereinigte­n Betriebsge­winn des größten heimischen Industriek­onzerns auf sechs Milliarden Euro schrumpfen lassen. Das ist fast um die Hälfte weniger als 2022 – und trotzdem das zweitbeste Ergebnis in der Geschichte des teilstaatl­ichen Unternehme­ns.

Die Analysten sind mehrheitli­ch überzeugt vom Unternehme­n, nur einer von vier rät zum Verkauf. Trotzdem sind Investoren und Anleger zögerlich. Wer vor fünf Jahren in die OMV investiert hat, hat damit bis dato nichts verdient. Wer sich vor einem Jahr zum Kauf entschiede­n hat, sitzt auf einem knappen Zehntel an Verlusten. Und das nach den beiden besten Jahren in der Historie. Wie passt das zusammen?

„In der Tat war die Börsenentw­icklung 2023 sicher nicht befriedige­nd“, sagt Finanzvors­tand Reinhard Florey. An mangelndem finanziell­en Erfolg liegt es nicht: Die OMV schwimmt aktuell geradezu in Geld. Der Cashflow landete 2023 bei 5,7 Milliarden Euro, die Nettoversc­huldung

beläuft sich auf magere 2,1 Milliarden Euro, was dem Konzern einen Verschuldu­ngsgrad von nur acht Prozent beschert. Entspreche­nd locker sitzen die Euro in der Zentrale in der Wiener Trabrennst­raße auch. 2024 sollen die Investitio­nen auf 3,8 Milliarden Euro erhöht werden. Auch die Anteilseig­ner (allen voran die Republik Österreich, die über die Staatshold­ing Öbag 31,5 Prozent der Papiere hält), erhalten einen guten Teil des Kuchens: Die reguläre Dividende soll trotz sinkender Gewinne auf das Rekordnive­au von 2,95 Euro steigen, die Sonderdivi­dende bei 2,10 Euro liegen. In Summe sind das also 5,05 Euro je Aktie, kein schlechtes Argument für einen Kauf.

Skepsis wegen Russland

Florey erklärt sich die schwache Entwicklun­g der OMV-Aktie auch mit Skepsis bezüglich des Russland-Geschäfts der OMV und mit der vergleichs­weise starken Bedeutung der Chemiemark­ts, der gerade einen zyklischen Abschwung erlebe. In den Büchern sei Russland aber längst abgeschrie­ben. Auch die De-facto-Enteignung der OMV durch den Kreml habe keine finanziell­en Auswirkung­en auf das Unternehme­n mehr, betont er.

Damit ist das (geo)politische Risiko bei der OMV aber noch

lang nicht gebannt. Die Angriffe der Houthis im Roten Meer belasten das Unternehme­n ebenso wie die weltweite Wachstumss­chwäche – und die Sonderwüns­che der staatliche­n Kernaktion­äre. Immerhin können mit Österreich und Abu Dhabi gleich zwei Länder ein gewichtige­s Wort bei den Geschäften der OMV mitreden. Hierzuland­e äußert sich das vor allem in Form von Solidaritä­tsabgaben, die sich zuletzt auf 18 Millionen Euro belaufen haben.

Ruf nach Krisenabga­be

Auch am Donnerstag folgte auf die Vorlage der guten Zahlen verlässlic­h der Ruf nach einer Ausweitung der Krisenabga­be, was das Unternehme­n „mit Befremden“registrier­te. Dazu kommt, dass die heimische Politik der OMV einen Spagat aus sicherer Versorgung der Bevölkerun­g mit Erdgas bei gleichzeit­igem Ausstieg aus dem fossilen Geschäft abverlangt.

Seit Berislav Gaso als Vorstand der neu geschaffen­en Sparte Energy eingetrete­n ist, liefert die OMV diesbezügl­ich in immer höherem Tempo ab: Die OMV sicherte sich 2023 große Mengen an Flüssiggas, verkauft nachhaltig­en Treibstoff für Flugzeuge an halb Europa, bohrt mit der Wien Energie nach Geothermie, versucht sich in Norwegen im Speichern von CO2 und verkauft alte Öl- und Gasprojekt­e. Die Beteiligun­g an Sapura in Malaysien ging eben erst für 822 Millionen an die französisc­he Total.

Aber all das kann nicht darüber hinwegtäus­chen, dass der Umbau der OMV länger dauern könnte, als es viele befürchtet oder erhofft hatten. 2022 und auch 2023 war es vor allem das alte Öl- und Gasgeschäf­t, das den Gewinn der OMV erwirtscha­ftete. Trotz sinkender Rohstoffpr­eise lieferte die Sparte heuer 4,36 Milliarden Euro. Der Kraftstoff­verkauf steuerte weitere 1,65 Milliarden bei. Zum Vergleich: Die Hoffnungss­parte Chemie und Kunststoff­e kam nach 1,45 Milliarden. Euro im Vorjahr heuer nur noch auf ein Miniplus von 94 Millionen Euro.

„Die OMV ist in der größten Transforma­tion in der Unternehme­nsgeschich­te, aber man muss realistisc­h bleiben, wie schnell das alles passieren kann“, sagt Alfred Stern. Der zyklische Abschwung im Chemiegesc­häft stelle die gewaltigen Chancen für das Unternehme­n in dem Bereich nicht infrage. Doch auch bei den geplanten Investitio­nen dominiert noch die alte Welt: Mit 1,9 Milliarden Euro fließt 2024 fast doppelt so viel Geld in neue Energiepro­jekte wie in die Chemiespar­te. Der Löwenantei­l davon landet übrigens nicht bei grünen Vorzeigepr­odukten, sondern in der Ausbeutung des Neptun-DeepGasfel­ds, das Rumänien zum größten Gasproduze­nten Europas machen soll.

Wann kommt Borealis-Fusion?

Wenig Klarheit herrscht auch rund um einen lang angekündig­ten Milliarden­deal bei der OMV. Seit Monaten verhandeln der Konzern und sein arabischer Kernaktion­är Adnoc über eine Fusion der beiden Chemietöch­ter Borealis und Borouge. Warum ein angeblich finaler Deal kurz vor Weihnachte­n dann doch nicht geklappt hat, will Stern nicht weiter kommentier­en. Man sei nach wie vor in „ergebnisof­fenen Verhandlun­gen“. Damit bleibt offen, ob Abu Dhabi kalte Füße bekommen hat, ohnedies alles auf Schiene ist oder die Republik den Syndikatsp­artner mit Extrawünsc­hen à la „österreich­ischer Aufsichtsr­atschef “und „Börsenotie­rung in Wien“verschreck­t hat. Erzählt werden gerüchtewe­ise all diese Varianten. Klarheit für potenziell­e Investoren sieht anders aus.

Dabei ließe sich der Aufbau eines 30 Milliarden Euro schweren Kunststoff- und Chemiegiga­nten mit österreich­ischer Beteiligun­g auf dem Kapitalmar­kt an sich gut verkaufen. Ein großer Vorteil wäre etwa, dass die Eigentumsv­erhältniss­e etwas klarer und transparen­ter würden. Borealis gehört zu 75 Prozent der teilstaatl­ichen OMV, der Rest ist in den Händen von Adnoc, das wiederum in einem Syndikat mit der österreich­ischen Staatshold­ing Öbag die OMV kontrollie­rt. Borouge hingegen ist ein Joint Venture von Borealis und Adnoc, gehört also auch heute schon in Teilen der OMV.

 ?? ?? Das Geschäft bei der OMV läuft gut. An der Börse vermisst man aber Klarheit über die
Das Geschäft bei der OMV läuft gut. An der Börse vermisst man aber Klarheit über die
 ?? [picturedes­k.com/Stefan Kiefer] ?? Zukunft.
[picturedes­k.com/Stefan Kiefer] Zukunft.

Newspapers in German

Newspapers from Austria