Marathonmann auf Welttournee
Kein anderer Spieler wird in den kommenden Wochen an mehr ATP-Turnieren teilnehmen als Sebastian Ofner. Das birgt Gefahren – und viele Chancen auf Punkte und Preisgeld.
Zum zweiten Mal in seiner Karriere führt Sebastian Ofner am Wochenende Österreichs Daviscup-Team als Nummer eins an. Nach dem verlorenen Länderkampf gegen Portugal in Schwechat vergangenen September (1:3) findet sich die heimische Delegation ab Samstag im Play-off zur Weltgruppe wieder.
Der Gegner, Irland, verbreitet nicht wirklich Angst und Schrecken. Selbst die volle Halle in Limerick sollte das Pendel keinesfalls zugunsten der Gastgeber ausschlagen lassen. Der beste Ire, Michael Agwi, zählt als Nummer 935 gerade noch zu den 1000 besten Tennisspielern der Welt.
Olympischer Hintergedanke
Dass Österreich dennoch in Bestbesetzung antritt, ist nicht nur Ehrensache, sondern hat auch einen anderen Grund. Ofner (ATP 40) und auch Dominic Thiem (ATP 90) benötigen den Nachweis eines weiteren Daviscup-Einsatzes, um bei den Olympischen Spielen im Sommer spielberechtigt zu sein. Ofners Chancen auf eine Teilnahme in Paris sind gut, ein Platz unter den Top 56 der Rangliste unmittelbar nach den French Open am 10. Juni würde diese garantieren.
Punktet auch Thiem bis dahin noch kräftig, könnte der ehemalige Weltranglistendritte in das ÖOCAufgebot für Paris rutschen. Auf Teilnahmen in Rio de Janeiro 2016 und Tokio 2021 hat Thiem verzichtet, wenngleich er in Japans Haupt
stadt nach seiner kurz zuvor erlittenen Handgelenksverletzung im Juni 2021 ohnehin nicht hätte antreten können.
Während sich Thiem nach dem Daviscup wieder auf das Training besinnt und erst ab 17. März in Ungarn bei einem Challenger zurückkehrt, wartet auf Ofner in den kommenden Wochen Schwerstarbeit bei Turnieren. Auf den Länderkämpf folgt ein sechs Turniere umfassender Trip: Von Irland geht es direkt nach Südamerika, wo dem 27-Jährigen die Umstellung auf Sand gelingen muss. Der Reihe nach stehen Auftritte in Córdoba, Buenos Aires, Rio den Janeiro, Acapulco,
Indian Wells und Miami auf dem Programm – mehr geht nicht.
Die schöne weite Tenniswelt
Bereits im Vorjahr hatte Ofner zu den Vielspielern der Tour gezählt, klagte erst im letzten Saisonviertel über Müdigkeit. Ein solches Mammutprogramm birgt selbstverständlich Risiken, sich schon früh in der Saison zu verausgaben. Durch die hohe Intensität steigt auch die Verletzungsgefahr. Ofner aber sieht vielmehr die Möglichkeiten, die sich auftun.
Im zweiten Halbjahr 2023 war er erstmals in seiner 2015 gestarteten Profikarriere in den Genuss gekommen, fix für Hauptbewerbe auf ATP-Level qualifiziert zu sein. Allein dieser Umstand eröffnete lange Zeit ungeahnte Chancen auf Punkte und Preisgeld. Ofner möchte die Welle also so lang wie nur möglich reiten, jede sich bietende Möglichkeit nutzen, nachdem ihm die schöne, weite Tenniswelt lang verschlossen geblieben ist.
Bis März hat der Schützling von Trainer Wolfgang Thiem nur 100 seiner insgesamt 1091 Weltranglistenpunkte zu verteidigen. Eine erfolgreiche Amerika-Tour könnte Ofner sogar erstmals in die Top 30 der Weltrangliste spülen. Dafür fehlen aktuell knapp 250 Punkte. Sonderlich ausgiebig dürfte die Pause nach dem sechsten und letzten Turnier in Miami (ab 20. März) übrigens auch nicht sein. Schon ab 7. April wartet in Monte Carlo das erste große Saisonhighlight auf Sand, für das Ofner ebenfalls erstmals direkt qualifiziert ist.