Die rote Versuchung
Lewis Hamilton wird Mercedes verlassen, der siebenmalige Weltmeister schließt sich ab der Saison 2025 Ferrari an. Er folgt den Spuren von Michael Schumacher und Sebastian Vettel.
London/Maranello. Formel-1-Superstar Lewis Hamilton kann der roten Versuchung nicht widerstehen und wird nach über einem Jahrzehnt im Mercedes ab 2025 im Ferrari Platz nehmen. Spekulationen um diesen aufsehenerregenden Wechsel hatte es zwar immer wieder gegeben. Dass der Rekordweltmeister (sieben Titel, gleichauf mit Michael Schumacher) der Königsklasse aber die „Silberpfeile“wirklich verlassen könnte, schien dennoch fast unvorstellbar. Es war einst sein Kindheitstraum, für Ron Dennis und bei McLaren zu fahren. Der wurde Wirklichkeit, auch Mercedes hielt er bislang unwidersprochen die Treue. Erst im vergangenen August waren die Verträge mit dem Briten und dessen Landsmann George Russell bis Ende 2025 verlängert worden.
Doch der PS-Doyen, der seit 2007 in der Formel 1 seine Runden dreht und bei 103 Siegen aus 332 Grands Prix hält, hat stets auch von seinem guten Verhältnis zu FerrariChef John Elkann und ebenso zu Teamchef Frédéric Vasseur berichtet. Und er habe sich schon einmal vorgestellt, wie es sei, „in Rot zu fahren“, erklärte Hamilton im Vorjahr. Die Magie der Scuderia, der Lockruf aus Maranello, er ist nachhaltig, laut, für Rennfahrer offenbar nie auszublenden. Schlag nach bei anderen großen Champions á la Niki Lauda, Michael Schumacher oder Sebastian Vettel. Sie alle wollten einmal in der „roten Göttin“Gas geben.
Er ist „noch nicht fertig“
Unter dem Wiener Teamchef Toto Wolff wurde Hamilton über Jahre zum Dauertriumphator. Gekommen zur Saison 2013 als Nachfolger von Schumacher nach dessen endgültigem Rücktritt, wurde Hamilton 2014, 2015, 2017, 2018, 2019 und 2020 Weltmeister. 2016 hatte er sich seinem damaligen Teamkollegen Nico Rosberg geschlagen geben müssen. Seit 2021 ging der Titel an Max Verstappen im Red Bull. Automatismen, besseres Auto, pingelige Taktik, Bedeutung von Fitness, kompromisslos vorgelebte Rolle als Alphatier, konsequenter, es gibt Begriffe sonder Zahl, um diesen Fahrer
zu beschreiben. Er ist seiner Generation immer um eine Kurve voraus gewesen und hätte ihn nicht ein mehr als umstrittenes WM-Finale 2021 in Abu Dhabi den achten Titel gekostet, wäre er womöglich schon als achtfacher Champion in Pension. So aber fuhr er weiter, weil es für ihn „noch nicht fertig“war. Daher kommt er in den Genuss, in Maranello zu landen.
Die Krise der Silberpfeile in den vergangenen beiden Saisonen und das zermürbende Warten eines Erfolgsverwöhnten auf den nächsten (den 104.) Sieg seit Dezember 2021 könnten Hamiltons Entscheidung beeinflusst haben. Allerdings wartet Ferrari seit dem WM-Triumph von Kimi Räikkönen 2007 – Hamiltons erstem Formel-1-Jahr, er unterlag dem Finnen aufgrund der
Fehde mit Teamfeind Fernando Alonso um einen Punkt auf der Ziellinie – auf den nächsten Titelerfolg bei den Fahrern.
Ohne Erfolgsgarantie
Eine Ära, wie sie Schumacher bei der Scuderia mit seinen fünf Titeln in Serie geprägt hat, ist allerdings noch keinem der zahlreichen Stars gelungen, die zur Scuderia gewechselt sind. Die Zeit des vierfachen Weltmeisters Vettel bei Ferrari von 2015 bis 2020 war letztlich ausschließlich eine des Scheiterns. Auch der zweifache Champion Alonso ließ sich einst von den Italienern locken. Er wurde mit dem berühmtesten aller Formel-1-Autos ebenso kein Weltmeister. Diesen Ballast hat Hamilton somit im Cockpit. Es gibt keine Erfolgsgarantie. Diese hat er allerdings bei Mercedes auch nicht – und 2026 kommt ein neues Reglement. Bringt das gar die Wende, war das mitentscheidend für seine Unterschrift?
Wolff jedenfalls wird Hamilton nichts in den Weg legen. Der zuvor noch verlängerte Vertrag sei ein reiner Formalakt gewesen, aus Respekt vor den Verdiensten des Briten. Nur, wen er stattdessen engagieren wird? Erhält dann Mick Schumacher das freie Cockpit? Holt er im Gegenzug Sainz jr. (Audi buhlt dem Vernehmen nach um seine Dienste) zu dem in Brackley ansässigen Rennstall, an dem er seit seinem Einstieg 2013 auch 30 Prozent der Anteile hält?
Und Charles Leclerc? Der Monegasse hat die traurige Gewissheit, dass er in Maranello endgültig ein Ablaufdatum als Nummer-einsPilot hat. Denn am schillernden, alles für sich in Beschlag nehmenden Auftritt des Briten kommt auch er nicht vorbei. (fin)