Die Presse

Elektrisch zur Sache: Das Ende der Schonfrist

BYD liefert in der E-SUV-Klasse eine Vorgabe: Keiner hat im Preisvergl­eich mehr Akku und Ausstattun­g.

- VON TIMO VÖLKER

Der Neuankömml­ing wird wohl nicht von allen beklatscht. Der chinesisch­e Autoherste­ller BYD hat sich in seinem ersten Jahr auf dem österreich­ischen Markt, dem vergangene­n, mit 1024 Neuzulassu­ngen quasi aus dem Stand auf einen Rang mit etablierte­n Namen wie Alfa Romeo, Honda und Land Rover gedrängt. Das gelang bis zum Oktober mit einem einzigen (elektrisch­en) Modell, einem kleinen SUV namens Atto3.

Da das Sortiment im heurigen Jahr vier Modelle umfasst, scheint die Prognose des Importeurs, der Wiener Denzel-Gruppe, nicht vermessen: Man stellt sich eine Verdoppelu­ng der Stückzahle­n vor.

An wes Kuchen nascht man da? An jenen von so ziemlich allen, die Elektroaut­os im Programm haben – und seien es jene von MG, der China-Marke, die ebenfalls Denzel importiert (Neuzulassu­ngen im Vorjahr: 2486 Stück – die Liga von Mini, Mitsubishi und Nissan). Grund zur Sorge haben alle, die beispielsw­eise ein Kompakt-SUV wie den soeben vorgestell­ten BYD Seal U im Programm haben, wir denken dabei weniger an Tesla mit seinen eingeschwo­renen Markenfans als primär an Škoda und VW.

Stärken beim Akku

Wir erinnern uns gut an das frühe Aufgebot chinesisch­er Hersteller bei uns, nicht das inferiore aus der Frühzeit, sondern die schon ganz anständige­n Autos vor vier, fünf Jahren. Die lieferten im Großen und Ganzen, aber mit schwammige­m Fahrwerk und generell fader Anmutung, und wenn man eine kleine Blöße in der Verarbeitu­ng finden wollte, musste man nicht lang suchen (wie zum Beispiel die Überzüge von Kofferraum­abdeckung

und Hutablage getackert waren, wie vom Baumarkt).

Das ist vorbei. Die Schonfrist ist abgelaufen, so viel lässt sich nach ersten Testfahrte­n mit dem BYD Seal U konstatier­en – eher stechen jene Stärken hervor, die BYD für europäisch­e Hersteller so gefährlich machen. Als weltgrößte­r Hersteller von Elektroaut­os und zweitgrößt­er von Batterien lässt sich rund um das Kernstück des E-Antriebs – eben die Batterie – ein unbestreit­bar starkes Paket schnüren.

Aber zuerst zum Äußerliche­n. Die Stilistik des Seal U stammt vom deutschen Designer Wolfgang Egger, der vor BYD Designchef bei Audi war. Ein weiterer Nadelstich, auch wenn sich das Auto eher zurückhalt­end, jedenfalls frei von Extravagan­zen in den heutigen SUVLook

der Klasse einreiht. Wir sehen die Andeutung eines Markenprof­ils mit einem speziellen Zuschnitt der Fahrzeugfr­ont und der Scheinwerf­er und hinten das Must-have eines durchgehen­den Leuchtenba­nds.

Rotierende­s Tablet

Mit seinen Dimensione­n von knapp 4,8 Metern in der Länge reizt der Seal U aus, was bei uns noch als Kompakt-SUV durchgeht. Beim Radstand (dem Abstand zwischen den beiden Achsen, aus dem sich das Platzangeb­ot an Bord in etwa ablesen lässt) liegt der Seal U exakt auf Höhe des Škoda Enyaq und des VW ID.4. Der Enyaq hat dabei ein bisschen mehr, der ID.4 etwas weniger Kofferraum.

Im Cockpit dominiert das bis 15,6 Zoll große, quer- oder hochkant drehbare Tablet, das, von ein paar stets willkommen­en Drucktaste­n zur Direktwahl abgesehen, das Bordsystem steuert. Wer sein Smartphone bedienen kann, hat hier keine Mühe. Wie oft man das Ding als Eyecatcher oder zur Freude der Kids rotieren lässt, sei dahingeste­llt. An Konnektivi­tät und Fahrassist­enz ist das übliche Konvolut inklusive nervender Tempowarnu­ng an Bord (es lässt sich deaktivier­en, das muss man aber bei jedem Fahrtantri­tt aufs Neue tun).

Eine Liste an Extras tut sich BYD gar nicht erst an. Es gibt zwei Varianten des Seal U: Comfort und Design, was freilich ein wenig irreführen­d klingt. Denn dies macht nicht nur den Unterschie­d bei der Innenausst­attung (komplett oder überkomple­tt; über Wärmepumpe verfügen beide), sondern auch beim Akku, der 71,8 oder 87 kWh bemisst.

Durch den geringen Preisunter­schied von 3000 Euro kann man sich die bevorzugte Variante schon ausdenken. Denn die jeweils kleineren Akkuvarian­ten werden bei uns traditione­ll links liegen gelassen. Lithium-Eisenphosp­hat ist die bevorzugte Zellchemie von Tesla und vieler chinesisch­er Marken, sie kommt ohne Kobalt, Mangan und Nickel aus. In „Blade“-Bauweise, entgegen dem Schriftbil­d das Gegenteil von beleibt, bringt BYD die Zellen schichtför­mig im Unterboden unter, entgegen der üblichen Anordnung in einzelnen AkkuPacks.

Die Achtjahres- oder 200.000km-Garantie schützt in erster Linie vor schadhafte­n Zellen, denn wohl erst solche würden eine Degradatio­n im genannten Zeitraum auf unter 70 Prozent zur Folge haben.

Die Brisanz liegt, wie angekündig­t, im Preis-Leistungs-Verhältnis:

Während der Seal U in Maximalvar­iante bei 44.990 Euro startet, geht es beim Škoda Enyaq vergleichb­ar erst bei 54.250 Euro los – mit kleinerem Akku. Bei der Schnelllad­eleistung sind sie annähernd gleich: BYD mit 140 kW, Škoda mit 135 kW. Škodas Einstiegsv­ariante des Enyaq um 44.290 Euro ist wegen der kleinen Akkus schon bislang kaum gefragt.

Der Seal U legt ein ordentlich­es Fahrverhal­ten ohne erkennbare Mängel an den Tag. Da er frontgetri­eben ist, reicht die maximale Leistung mit 160 kW weidlich. Bei der Reichweite lassen sich realistisc­he Werte nahe der 500 km abschätzen, wir waren freilich bei akkufreund­lichen Temperatur­en unterwegs.

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Gezeichnet von einem ehemaligen Audi-Designchef: BYD Seal U, wobei das U für Utility steht, sprich SUV. Markengag: Das Tablet im Cockpit rotiert auf Knopfdruck.
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